Gemeinsames Forschen an der U3L

Dr. Kerstin Bußman Dr. Elke Wehrs

Das Programm der Universität des 3. Lebensalters (U3L) an der Goethe-Universität in Frankfurt richtet sich an ältere Erwachsene. „Lebenslanges Lernen“ bedeutet für sie einen Zugewinn von Wissen, Qualifikation, Kompetenzen und Lebensqualität. Große Bedeutung erlangt dabei die Teilhabe am sozialen Leben, wozu die gemeinsame Erfahrung von anderen Sichtweisen, die Diskussion über den eigenen, immer wieder auch zu reflektierendem Blick und, nicht zuletzt, das Schließen neuer Freundschaften gehören.

Darüber hinaus ermöglicht die U3L den Studierenden die aktive Teilnahme an Forschungsprojekten. Das Format, ‚über Leben und Kunst‘ in einem „Projektlabor“ zu reflektieren, eröffnet über mehrere Semester Experimentierräume, in denen eigenes (Er-)Forschen von Themenschwerpunkten möglich wird. Kreativität, kritisches Hinterfragen, Flexibilität, Teamfähigkeit und Eigenständigkeit können durch dieses „Forschende Lernen“ erprobt und positive Bildungserfahrungen erreicht werden.

Eine virtuelle Veranstaltung

Ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplant, mit dem Ziel, sich als Teilnehmenden und Dozentinnen regelmäßig vor Ort auszutauschen, kennenzulernen und in Kleingruppen Schwerpunktthemen zu erarbeiten, findet das Projektlabor derzeit Online statt. Der Gedanke, einen besonders engen, persönlichen Kontakt durch Präsenz zu etablieren, war aufgrund der Pandemie leider nicht möglich. Es stellte sich aber heraus, dass auch andere Formate wie Online-Seminare es ermöglichen, neue Spielräume eröffnen. Den Studierenden wurde eine hohe Eigenverantwortung übertragen, sie fühlten sich in ihren Kompetenzen bestätigt und sie waren hoch motiviert.

Zoom-Sitzung

Insofern stellten sowohl das neu implementierte Projektlabor als auch die besondere Art der rein digitalen Treffen per Zoom für die Beteiligten ein Novum dar, indem es gelang, über einen längeren Zeitraum ein Gefühl von Vertrauen und Wertschätzung zu erfahren. Allerdings bleibt die Sehnsucht der Teilnehmenden nach gelegentlichen Präsenzveranstaltungen durchaus bestehen.

Stadtforschung

Unter dem Schwerpunkt ‚Mensch und Natur‘ einigten sich die Teilnehmenden gemeinsam mit zwei Lehrenden aus unterschiedlichen Disziplinen (Kulturanthropologie und Kunstgeschichte) auf den Fokus der Entdeckung der Stadtkultur Frankfurts. Dazu wurden theoretische Grundlagen und Fragestellungen im lebendigen Diskurs zu Aspekten der Kulturanthropologischen Stadtforschung, der bildenden Kunst und Architektur gemeinsam im Projektforum entwickelt. Stadtforschung bedeutet städtische Räume für sich zu erkunden und ihre Bedeutung für den Menschen aufzuzeigen. Stadtraum setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen: aus Baukörpern, ausgenutzten Funktionsflächen, privaten und öffentlichen Bereichen, genutzten und ungenutzten Arealen, Grünanlagen  und Niemandsland. Ausgangspunkt der Stadtforschung  wäre dann: Gibt es in der Stadt (in unserem Projekt Frankfurt) Räume für ein urbanes Lebensgefühl, Orte für Natur und Kunst? Letztere umfasst im öffentlichen Raum auch die Architektur, genau wie Denkmäler und Brunnen und deren Stellenwert für ‚Stadtvisionen‘.

Im Projektlabor wurde bisher über Themen wie „Stadt und Natur als Denk-, Frei- und Spielraum“, Fragestellungen, wie z. B. „Hängt die Schwärmerei für die Natur von der Unbewohnbarkeit der Städte ab? Wie wirkt die städtische bzw. ländliche Umgebung auf den Menschen? Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es?“ reflektiert.

Im zweiten und dritten Semester begannen die Studierenden mit der Erprobung der gelernten Theorien in der Praxis. Das bedeutete für sie, sich alleine oder zu zweit als Flaneure und in einem „Nosing around“ (Herumbummeln, ‚Herumschnüffeln‘) auf Spurensuche zu begeben. Die eigenen Erfahrungen und Erinnerungen zur Stadt Frankfurt wurden mit dem „fremden Blick“ ergänzt und führten zu neuem Erleben einer sich wandelnden Stadt.

Die Erstellung der eigenständigen Teilprojekte wurde im Forum durch eingehende Diskussionen, Empfehlungen aus Fachzeitschriften und -büchern ergänzt. Das Vorstellen der selbst erarbeiteten Texte, der Fotografien und deren Präsentation per Zoom bereitete den Studierenden viel Freude und die Möglichkeit, Frankfurt mit den Augen des jeweils anderen zu erleben. So bekommen Online- Seminare auch einen ganz besonderen Reiz.

Im digitalen Seminarraum wird auch die Möglichkeit geboten, sich mit anderen Studierenden Online zu verabreden und eigenständige Fachdiskussionen zu führen, so dass mit dem interdisziplinären Projektlabor durch eigenständige kleinere Forschungsthemen zum Gedanken- und Ideenaustausch und der Ausarbeitung eigener, kleiner Forschungsthemen angeregt wurde. Aus dem Einbringen von eigenen Erfahrungen und der Neugier auf Gruppenerlebnisse entwickelte sich ein neuer, ungewohnter, frischer Blick auf Frankfurt, der den Teilnehmenden die Stadt (wieder)neu erschließt, ja, zu einem Stück neu entdeckter ‚Verheimatung‘ beiträgt.

Publikation der Forschungsergebnisse und Buchpräsentation

Im Wintersemester 2021_22 soll „ÜberLebensKunst – das Projektlabor“ zum Abschluss kommen. Im Mittelpunkt steht die Zusammenstellung und das Design eines Sammelbandes in Form eines Stadtführers, der Frankfurt für Einheimische, Gäste und Durchreisende kurz und informativ oder anders gesagt „unsere Stadt mit unseren Augen“ zeigt. Ausdrücklich gewünscht von den Teilnehmenden möchten sie – nach der Arbeit in einer virtuellen Veranstaltung – unbedingt ein sinnlich reizvolles Druckerzeugnis in den Händen halten, welches zum Blättern, Entdecken und auch bei der Stadterkundung mitgenommen werden kann.

Unterstützt wird die Publikation von der U3L; doch neben der Ausarbeitung von Forschungsergebnissen werden redaktionelle Kompetenzen benötigt und erfahren: Wie entsteht ein Buch? Wie werden die Texte redigiert, Fotos, Graphiken zusammengestellt? Welche Bedingungen müssen die Beiträge erfüllen? Wie findet sich ein Verlag, wie sieht die Öffentlichkeitsarbeit aus, wie läuft die Vermarktung etc.

Literatur:

Lindner, Rolf: Die Entdeckung der Stadtkultur, Frankfurt 1990