Leserbrief und Recherche: „Doktor Schiwago“; Dramatik und Lebensreise von Boris Pasternak
Im Beitrag zu Nostalgie: Russlandbilder zwischen Lesung, Film, Theater und Klischeewurde Doktor Schiwago von Boris Pasternak erwähnt. Die Rede war von der Schönheit des Romans und des gleichnamigen Films, hinter dem sich eine düstere Realität verberge. Dies regte sowohl zu Eigenerfahrungen als auch zu weiteren Recherchen an. Herzlichen Dank dafür!
Liebe Leser des UniWehrsEL,
Es war ein regnerischer Nachmittag, als ich in die Stadtbibliothek trat, auf der Suche nach einem neuen literarischen Abenteuer. Zwischen den hohen Regalen, die mit unzähligen Geschichten gefüllt waren, fiel mein Blick auf einen schlichten, aber anziehenden Einband: „Doktor Schiwago“ von Boris Pasternak. Die vielversprechende Storyline, die von Liebe, Krieg und der unaufhörlichen Suche nach Freiheit handelte, zog mich magisch an. Ich konnte nicht widerstehen und lieh mir das Buch aus, ohne zu wissen, dass es mein Herz für immer verändern würde.
Nachdem ich die letzten Seiten umgeblättert hatte, war ich so tief in die Welt von Jurij Schiwago und Lara eingetaucht, dass ich das Bedürfnis verspürte, ihre Geschichte auch visuell zu erleben. So schaute ich mir den Film von 1965 an, in dem die talentierten Hauptdarsteller Omar Sharif und Julie Christie die tragische Liebe zwischen Jurij und Lara zum Leben erweckten. Die unvergessliche Musik, insbesondere das Lied „Weißt du, wohin die Träume alle entfliehen“, begleitete mich durch die emotionalen Höhen und Tiefen der Geschichte und hinterließ einen bleibenden Eindruck.
Schönheit der Natur, Tragik der Liebe und weitere Recherchen zuBoris Pasternak:
Geboren 1890 in der pulsierenden Metropole Moskau, wuchs er in einem kulturellen Schmelztiegel auf, umgeben von der inspirierenden Kunst seines Vaters und den melodischen Klängen seiner Mutter. Diese frühen Jahre waren von einer unbeschwerten Neugier und einer tiefen Verbundenheit zur Natur geprägt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie der junge Pasternak durch die weiten, blühenden Felder Russlands streifte, während die goldenen Sonnenstrahlen durch die Bäume tanzten und die Luft von der süßen Melodie der Vögel erfüllt war. Diese Bilder der unberührten Schönheit sollten später in „Doktor Schiwago“ als Symbol für die Sehnsucht nach Freiheit und die unstillbare Suche nach Liebe erblühen.
Doch das Leben war nicht immer ein sanfter Fluss. Die politischen Umwälzungen, die mit der Russischen Revolution von 1917 einhergingen, warfen einen düsteren Schatten über Pasternaks Existenz. Die leidenschaftliche Liebe zwischen Jurij und Lara, die inmitten von Krieg und Chaos erblüht, spiegelt die inneren Kämpfe wider, die Pasternak selbst durchlebte. Ihre Liebe, so intensiv und doch so tragisch, wird von den unbarmherzigen Strömungen der Geschichte mitgerissen.
Ein Leben voller Wendungen
Wie ich bereits im UniWehrsEL nachlesen konnte, war die Veröffentlichung von „Doktor Schiwago“ im Jahr 1957 ein Wendepunkt, der sowohl Ruhm als auch Verzweiflung brachte. Während das Buch im Westen als literarisches Meisterwerk gefeiert wurde, wurde es in der Sowjetunion als subversiv verurteilt. Pasternak, der in seiner Heimat von seinen Mitmenschen angefeindet und isoliert wurde, lebte in ständiger Angst vor Verfolgung. Die Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Literatur 1958, die ihm internationale Anerkennung einbrachte, wurde zu einem weiteren Stein des Anstoßes, der ihn in die Einsamkeit trieb. Man kann sich die innere Zerrissenheit und den Schmerz vorstellen, die er empfand, während er zwischen dem Streben nach künstlerischer Freiheit und der Loyalität zu seiner Heimat hin- und hergerissen war.
Am Ende seines Lebens, in einem bescheidenen Moskauer Apartment, starb Pasternak 1960 – ein einsamer Kämpfer, dessen Herz von der Tragik seiner eigenen Geschichte durchdrungen war. Doch sein Erbe lebt weiter. „Doktor Schiwago“ ist nicht nur ein Roman; es ist ein zeitloses Zeugnis für die menschliche Erfahrung, die Suche nach Sinn und die unaufhörliche Hoffnung auf Liebe, selbst in den dunkelsten Zeiten.
Um das Buch Doktor Schiwago ranken sich zahlreiche Mythen
So kommt die große Frage auf, wurde „Doktor Schiwago“ und sein Autor Boris Pasternak für politische Zwecke gebraucht und missbraucht? Das Buch soll gerade dadurch, dass es aus der Sowjetunion herausgeschmuggelt wurde, zu einer ideologischen Waffe geworden sein. Peter Finn und Petra Couveé entschlüsseln in ihrem Buch über die ›Affäre Schiwago‹ das gefährliche Verwirrspiel um Ideologie, Macht und Kontrolle. Sie erhielten erstmals Einsicht in die CIA-Akten, recherchierten in russischen Archiven und sprachen mit Überlebenden.
Aus dem Klappentext: „Ein italienischer Verlagsagent bringt das vom Kreml auf die Schwarze Liste gesetzte Manuskript heimlich außer Landes. Im Westen wird es in kurzer Zeit zum Welterfolg. … Die CIA veröffentlicht das Buch in einer russischen Version und schmuggelt diese nach Moskau, um das Sowjetregime zu schwächen. Es beginnt eine Propagandaschlacht um ›Doktor Schiwago‹, die den Autor Pasternak in Lebensgefahr bringt.“
Unter dem Stichwort ‚Zeitreise‚ schrieb „Die Presse“ dazu: „Sergio D’Angelo, der Leiter der PCI-Buchhandlung in Rom, wurde 1955 von seiner Partei nach Moskau geschickt, wo er das italienisch-russische Rundfunkprogramm betreuen sollte. Vorher traf er sich mit einem Parteifreund, dem Verleger Giangiacomo Feltrinelli, und verabredete mit ihm, den Verlag auf interessante russische Autoren hinzuweisen.
In Moskau hört D’Angelo von einem unveröffentlichten Roman und besucht den berühmten, aber weitgehend isolierten Schriftsteller, der ihm das Manuskript seines Romans mit einem Seufzer überlässt: ‚Ich lade Sie schon jetzt zu meiner Erschießung ein‘.
Um sein Visum zu erneuern, muss D’Angelo nach Berlin, in die Welthauptstadt des Kalten Krieges, wo er sich mit Feltrinelli trifft, der das Manuskript in Empfang nimmt und sofort übersetzen lässt. Ein Welterfolg bahnt sich an, und bereits ein Jahr nach dem Erscheinen erhält Boris Pasternak den Literaturnobelpreis. Er wird nicht erschossen, doch auf Geheiß der Behörden muss er die Annahme verweigern.“
In einer Dokumentation von Arte-Doku „Der Fall Doktor Schiwago zeigt, was dieser Schritt für Pasternak bedeutete. … . Dreh und Angelpunkt der Dokumentation ist das alte Anwesen Pasternaks, in dem heute ein Museum untergebracht ist.
„Die politische Saga in Form eines Spionagethrillers mit starken aktuellen Bezügen“ wird auch im Filmmuseum Potsdam gezeigt. Es geht um die Verbindung zwischen Autor und Werk, die Verwandlung eines Romans in eine Kriegswaffe, die Freiheit der Kunst und die Integrität des Künstlers gegenüber der Macht und Manipulation.
Erster Weltkrieg, Oktoberrevolution 1917, Russischer Bürgerkrieg. In Doktor Schiwago verbünden sich die Mittel des Kinos gegen die Fliehkräfte der Geschichte. Doktor Schiwago, uraufgeführt am 22. Dezember 1965, ist nicht nur ein Melodram über eine unmögliche Liebe. „Dieser Film ist auch ein Triumph des Kinos und seiner Suggestionskraft über reale Widrigkeiten und Unwahrscheinlichkeiten. Hier spielt der Engländer Sir Alec Guinness einen bolschewistischen General und der Ägypter Omar Sharif, der kurz zuvor in „Lawrence of Arabia“ als arabischer Stammesführer zum Weltstar wurde, einen russischen Arzt und Lyriker. Sharif zu besetzen, ist die Idee des Regisseurs David Lean …“ (Deutschlandradio Kultur)
2025 bringt Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – den Literaten wieder in die Schlagzeilen.
In einer seiner letzten Veröffentlichungen stellte der mit 89 Jahren im letzen Jahr verstorbene albanische Schrifsteller Ismail Kadare, unter dem Titel „Der Anruf“ seine kriminalistischen Untersuchungen vor. Die Anschuldigungen Pasternak habe sich nicht wirklich bei Stalins Nachfrage für den russischen Dichter Ossip Mandelstam eingesetzt und dessen Schicksal dadurch besiegelt, seien ungerechtfertigt, man vergesse, dass Stalin Herr über Leben und Tod war. Dahinter stecke Strategie, denn Kadares Text gäbe wunderbar flüssig Einblick in die intriganten Winkelzüge einer Diktatur.
Dazu gehöre auch, dass Pasternak („Doktor Schiwago“) den Nobelpreis auf Druck seiner Regierung zurückweisen musste. Rund 29 Jahre nach seinem Tod nahm sein Sohn 1989 den Preis stellvertretend entgegen.
Herzlichen Dank an die Schreibenden und gerne würden wir Leserkommentare an sie weiterleiten!
Danke für die Impression eines verbotenen Buches Phuong Luu auf Pixabay
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