Du betrachtest gerade Leserbrief: Rückblick auf „Der Pferdeflüsterer“ und die Ethology (früher „Tierpsychologie“)

Mit dem Tod von Robert Redford am 16. September 2025 hat die Filmwelt einen ihrer größten Stars verloren. Redford, bekannt für seine beeindruckenden Rollen in Klassikern wie „Der Clou“ und „Der große Gatsby“, hinterlässt er ein bleibendes Erbe. Über den großen Gatsby ist bereits ein eigener Beitrag im Blog erschienen. Denn das Schauspiel Frankfurt hat im Oktober 2024 eine große Bühnenfassung herausgebracht. Daher möchte eine Leserin des UniWehrsEL heute einen fast vergessenen Film aus den 1990ern besprechen, der auf der Buchvorlage von Nicholas Evans beruht. Gemeint ist der Film „Der Pferdeflüsterer“, der nicht nur für Pferdeliebhaber ein absolutes Muss ist, sondern auch tiefere Einblicke in die Beziehung von Mensch und Tier bietet. Danke für einen weiteren Gedanken zum Seminar „Anima(l)“ im Wintersemester 25/26 wie zum Beispiel auch der Beitrag zu den Ninja Turtles.

Liebe Leser des Blog UniWehrsEL,

Der Film beginnt mit tollen Landschaftsaufnahmen: Eine menschenleere Wüste. Majestätisch galoppiert ein Pferd einen kleinen Hügel hinauf. In dieser monochrom gehaltenen Welt scheint die Zeit stillzustehen. Der Traum verblasst und gibt den Blick frei auf Grace (gespielt von Scarlett Johansson), ein 14-jähriges Mädchen, dessen Leben durch das Reiten geprägt ist. Diese Eröffnungsszene ist nicht nur visuell beeindruckend, sondern spiegelt auch die innere Unruhe und die Sehnsucht nach Freiheit wider, die sowohl Grace als auch das Pferd empfinden.

Die Idylle wird jäh unterbrochen, als Grace und ihre beste Freundin Judith (gespielt von Kate Bosworth) in einen tragischen Unfall verwickelt werden. Judith verliert die Kontrolle über ihr Pferd, und die Situation verläuft dramatisch. Grace wird schwer verletzt und muss sich mit der Amputation ihres linken Beins leben. Diese traumatische Erfahrung ist nicht nur ein physischer Verlust, sondern auch ein emotionaler Bruch, der die Beziehung zwischen Grace und ihrer Mutter Annie (gespielt von Kirsten Scott Thomas) auf eine harte Probe stellt. Pilgrim, der durch den Unfall traumatisiert ist, zeigt aggressive Reaktionen auf äußere Einflüsse, was die Dringlichkeit der Heilung sowohl für das Pferd als auch für Grace verstärkt.

Die Entscheidung, das verletzte Pferd Pilgrim nicht einschläfern zu lassen, führt Annie und Grace zu dem Pferdeflüsterer Tom Booker (Robert Redford), einem Mann mit der außergewöhnlichen Fähigkeit, sich in die Psyche von Pferden hineinzuversetzen. Die Grundlage jeder Beziehung zwischen Mensch und Pferd ist das Vertrauen.

Pferde sind von Natur aus Fluchttiere, die auf ihre Instinkte angewiesen sind, um in der Wildnis zu überleben. Diese Instinkte machen sie anfänglich misstrauisch gegenüber Menschen. Um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, müssen Menschen Geduld, Empathie und Verständnis zeigen. Im Film wird dies besonders deutlich in der Beziehung zwischen Tom Booker und dem traumatisierten Pferd Pilgrim. Tom nutzt seine Fähigkeiten, um das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen, was nicht nur Pilgrim, sondern auch Grace, die verletzte junge Reiterin, auf ihrem Weg zur Heilung unterstützt.

Tom ist kein typischer Cowboy; er ist ein komplexer Charakter, der von seiner gescheiterten Ehe und der Einsamkeit des Landlebens geprägt ist. Seine Fähigkeit, die emotionalen Wunden von Pilgrim zu heilen, spiegelt die Reise von Grace wider, die ebenfalls lernen muss, mit ihren eigenen Verletzungen umzugehen. Tom arbeitet mit Methoden des Horsemanship-Regelwerks, um Pilgrim zu helfen. Diese Methoden sind jedoch nicht ohne Kontroversen. Während der Film berührende Momente bietet, gibt es auch Szenen, in denen fragwürdige Techniken gezeigt werden, wie das Zwingen des traumatisierten Pferdes auf den Boden oder das Einbinden eines Beins, sodass es nur noch humpeln kann. Solche Methoden werfen Fragen auf, ob ein Pferd, das so behandelt wird, wirklich Gelassenheit und Vertrauen lernen kann. So würde man nicht mit einem Menschen mit Trauma umgehen, warum soll es dann richtig für ein Pferd sein?

Redford selbst meint dazu in einem Spiegelinterview: „Ich habe diese Methode selbst angewandt. Sie sieht nur so brutal aus. In Wahrheit will Booker die letzten noch verbliebenen negativen Energien und Ängste des Tieres brechen. Als ihm das auf dem sanften Weg nicht gelingt, zwingt er das Pferd zu Boden. Dann steigt der Mann auf das Pferd und fängt an, es zu streicheln. Er könnte es verletzen, aber er tut es nicht. Das begreift das Tier, und daraus entwickelt sich Vertrauen“.

Im Verlauf des Films wird die Beziehung zwischen Tom und Pilgrim zu einem zentralen Element. Pilgrim, der durch den Unfall traumatisiert ist, zeigt aggressive Reaktionen auf äußere Einflüsse. Toms Geduld und Empathie ermöglichen es ihm, eine Verbindung zu dem wilden Hengst aufzubauen. Diese Interaktion ist nicht nur eine Metapher für die Heilung von Grace, sondern auch ein eindrucksvolles Beispiel für die Tierpsychologie, die im Seminar „Anima(l)“ behandelt wird. Die innige Freundschaft zwischen Mensch und Tier wird hier als eine Art gegenseitige Heilung dargestellt.

Der Verhaltensbiologe Norbert Sachser beschreibt, bevor der Mensch mit dem Tier in dessen Sprache reden kann, muß er diese studieren, beobachten, welches Körperteil sich wie bewegt und was das zu sagen haben könnte. „Pferde zum Beispiel spielen mit den Ohren, stellen sie auf, legen sie an – ein geeignetes Mittel zur Verständigung, dachten sich Wissenschaftler des Instituts für Neuro- und Verhaltensbiologie der Universität Münster. Unter der Leitung von Professor Norbert Sachser erprobten sie eine Idee der Düsseldorfer Pferdeexpertin Karola Baumann. Mit Hilfe künstlicher Pferdeohren, so meint sie, könnten Mensch und Pferd ins Gespräch kommen. Also verkleideten die Forscher sich mit Kutten und Attrappen als Pferde mit wackelnden Ohren. Doch so sehr sie sich auch anstrengten und mit dem Gehör um selbiges warben – den Pferden war das Gebaren der seltsamen Kollegen völlig gleichgültig“ (vgl. Spektrum.de Die Ohren sind zum Hören da – nicht zum Reden).

Die Verbindung zwischen Mensch und Pferd kann auch eine heilende Wirkung haben. In vielen Fällen suchen Menschen, die emotionale oder psychische Wunden erlitten haben, Trost und Heilung in der Interaktion mit Pferden. Die ruhige Präsenz eines Pferdes kann beruhigend wirken und helfen, Stress und Angst abzubauen. Im Film wird dies durch die Reise von Grace und ihrer Mutter Annie verdeutlicht, die zu Tom Booker reisen, um Pilgrim zu heilen. Die Heilung des Pferdes wird als eng mit der seelischen Heilung von Grace verknüpft dargestellt.

Mit freundlichen Grüßen

eine begeisterte Reiterin, die hofft, Sie treten mit ihr über das UniWehrsEL in Kontakt!

Danke für das Bild von Alexa auf Pixabay

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:3. Oktober 2025
  • Lesedauer:8 min Lesezeit