Du betrachtest gerade Teil XVII Schreibwerkstatt „Tatort Frankfurt – Welche Rolle spielt die Magie der Musik?“ Ritter im Polizeipräsidium

Während sich in Teil XVI Paula Pechstein, die als Klatschreporterin bekannt ist, und ihre Freundin, die Literaturwissenschaftlerin Claudia Elfriede in deren Wohnung in der Neuen Frankfurter Altstadt trafen und über die Liebe philosophierten und von einer plötzlich erklingenden Melodie irritiert wurden, ist Kriminalkommissar Ritter gerade im Polizeipräsidium in Frankfurt angekommen.

Eingefügte Szene: Polizeipräsidium Abteilung Kapitalverbrechen

Ritter erinnert sich daran, wie er zu Beginn der Mordserie im Präsidium saß und sich über den Ausdruck der letzten Spielpläne der Frankfurter Opernhäuser beugte. Neben ihm saß Ivo Burn. Gemeinsam studierten sie eine Liste mit Veranstaltungen der Stadt Frankfurt und überlegten, ob sie neben der Opernhäuser auch das Schauspiel Frankfurt als potentielle Tatorte dazu nehmen sollten. “Hier die letzten Inszenierungen. Vielleicht sollten wir auch das Schauspiel Frankfurt dazu nehmen?“(Teil III)

Ritter seufzt,und sieht sich auf seinem Schreibtisch um. Hat er jetzt schon Wahnvorstellungen? Denn er sieht eine, als Maria Callas verkleidete, Leiche vor sich. Ist sie wirklich von Angelina Jolies Rolle im Film Maria von 2024 inspiriert? Oder geht es vielmehr um Callas Rolle in Medea von Pasolini? Die ermordete Diva trägt ein Kostüm, das an den Film Maria erinnert – ein makabres Echo von Film und Oper.

Ritter wird klar, dass er sich an eine zurückliegende Szene erinnert. Der Opernkenner Ivo Burn klärte ihn darüber auf, dass die Oper Medea von Cherubini speziell für die Callas aus dem Giftschrank der Opernliteratur genommen wurde. Es sei der einzige Spielfilm, in dem Maria Callas überhaupt vorgekommen sei – Pasolinis Maria von 1969 (Teil XII spielt im Kommunikationsmuseum).

Ritter ist noch immer über den Erwartungsbruch schockiert, dass die die berühmte, ungewöhnliche, rätselhafte Stimme der Callas hier, wo sie doch die Hauptrolle spielte – fast – völlig verstummt war. Ihn verstörte der Gedanke, dass diese Figur, die sonst als rasende, rächende Medeia bekannt war, bei Pasolini als sanfte »Mutter des Todes« auftrat. Medeia oder Medea, so hatte Burn ihn aufgeklärt, sei in der Oper Frankfurt „unerträglich klug und unerträglich versehrt in ihrem weißen Kleid, die nackten Knie schon blutverschmiert“ dargestellt worden. Ihre Tragödie könne man auch als Mahnung an den modernen Menschen verstehen.

Wollte der Mörder vielleicht mit seinem Hinweis auf den „Callas-Medea-Mord“ im Kommunikationsmuseum den menschlichen Verfall der Sitten anprangern? Gab es da nicht schon einmal einen Hinweis auf einen Fanatiker, der aus religiösen und sozialen Gründen in der Paulskirche seine Spuren hinterließ?

Es ging um Maria Bellini, die für eine gefeierte Inszenierung von Tosca in der Hauptrolle vorgesehen war und anonyme Drohbriefe mit Zitaten aus der gleichnamigen Oper erhalten hatte (vergleiche Schreibwerkstatt Tatort Frankfurt Teil IV Café Hauptwache).

Damals fanden sie einen Hinweis im geplanten Enlightenment in der Dreikönigskirche in Frankfurt, ein verschlüsseltes Noten-Geheimnis, der Name Fis – H – E – A. „Fishea“; Bellinis Spitzname für jemanden, den sie nie öffentlich erwähnte. Einen gewissen Phillipp F, einem religiösen Fanatiker. (Schreibwerkstatt Teil X)

„In Tosca“, so hatte Burn Ritter aufgeklärt, „geht es um Liebe, Lust und politische Intrigen und um eine leidenschaftlichen Sängerin. Als ihr Geliebter von einem Polizeichef inhaftiert wird, nimmt Tosca die Sache selbst in die Hand, mit dramatischen Folgen.“

Ritter grübelt: „Versteht sich die Opernsängerin Maria Bellini selbst als diese Geliebte und ihn, Ritter, als Polizeichef, der ihren Geliebten verhaften will und sie damit zwingt, zu drastischen Maßnahmen zu greifen? Tatsache ist, Maria Bellini ist noch immer spurlos verschwunden“.

Geht es dem Mörder wie Pasolini um eine erneute Provokation, ein Tabu-Bruch? Oder wollte er diesen Widerspruch zwischen äußerer Verkleidung und innerer Haltung des Ermordeten zum Ausdruck bringen? „Wie kann ich mich diesen Fragestellungen annähern?“ grübelt er vor sich hin. Nachgelesen hat er inzwischen nicht nur in der einschlägigen Literatur zu Pasolini bei Ursula Bessen, sondern auch bei der Literaturwissenschaftlerin Claudia Elfriede, die auch Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft studiert hat.

Und die Gedanken Ritters schweifen weiter zur Paulskirche. Da sollte Verdis „La Traviata“ aufgeführt werden und es gab das Attentat auf Strahlemann (die Paulskirche ist Tatort im VI. Teil unserer Schreibwerkstatt). Was es mit dieser Oper auf sich hat, erfuhr er ebenfalls von Burn, der in einem Magazin der Komischen Oper Berlin zusammenfasste: „La traviata erzählt die Geschichte der Violetta Valéry, inspiriert von der realen Marie Duplessis, der berühmtesten Kurtisane des 19. Jahrhunderts. Ihre Schönheit, ihr Charme und ihr tragisches Schicksal wurden durch Alexandre Dumas’ Die Kameliendame verewigt – und fanden ihren ultimativen Ausdruck in Verdis ergreifender Musik. Doch La traviata ist mehr als ein Drama über Liebe und Verlust. Es ist eine bittere Anklage gegen die Doppelmoral der Gesellschaft, eine Reflexion über den Preis von Freiheit und Leidenschaft“.

In Nicola Raabs La traviata, so hat ihn Burn aufgeklärt … „ist Violetta keine Kurtisane des 19. Jahrhunderts mehr. Als moderne Sexarbeiterin wandelt sie selbstbewusst im digitalen Raum. Ihr Leben ist ein endloser Strom aus Beobachtung, Konsum und virtueller Nähe, die doch nichts als Einsamkeit hinterlässt, und Alfredo gerät zum eifersüchtigen Möchtegern-Liebhaber und Schwächling.“

„Wurde vielleicht darum an Strahlemann ein Exempel statuiert? Er sollte nicht sterben, sondern nur eine Lektion erfahern“, sagt Ritter leise zu sich selbst, tief in Gedanken versunken.

Eingefügte Szene K. B.: Plötzlich hört er ein Rascheln hinter sich. Er dreht sich um und sieht Claudia Elfriede, die verschwundene Theaterwissenschaftlerin, die er seit Wochen sucht. Sie trägt einen langen Mantel, ihr Haar ist wirr, und ihre Augen funkeln vor einer Mischung aus Angst und Entschlossenheit.

ClaudiaElfriede: „Kommissar… jetzt Sie haben mich gefunden. Aber Sie verstehen nicht, was hier vor sich geht.“

Ritter (misstrauisch): „Warum tauchen Sie jetzt erst auf? Und warum fühle ich mich, als würde ich von Ihnen verfolgt werden?“

Claudia Elfriede (flüstert): „Dass Sie an mich gedacht haben, das ist kein Zufall.“ Ritter springt auf und verlässt sein Büro, während Elfriede hinter ihm herruft: „Hinweis, Sie laufen zu schnell, Sie verpassen das Wesentliche.“

Jetzt wird es richtig spannend, liebe Schreibwerkstatt Mitdenker und Mitschreiber. Wer ist nun der Täter und was sein Motiv? Bitte schreiben Sie mit unter Kontakt. Herzlichen Dank auch an Pixabay für die wunderbaren illustrierenden Bilder!

  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:17. November 2025
  • Lesedauer:9 min Lesezeit