Du betrachtest gerade Wie aktuell ist eigentlich „Der große Gatsby“?

Der große Gatsby“ (1925) wird zur Zeit am Staatstheater Meiningen gezeigt, angekündigt als „ein flirrendes Bild der „Roaring Twenties“ und ist zugleich ein rauschhafter Abgesang auf den Amerikanischen Traum“. Die Frage gilt dem Wert des Menschen in einer vom Kapitalismus durchdrungenen Welt und ist hoch aktuell, weil der Traum von sozialer Gleichheit nach wie vor unerreicht bleibt. Rebekka Kricheldorf gestaltet Fitzgeralds Great American Novel als einen bissigen Kommentar auf unsere krisengeschüttelte Gegenwart. Der Kulturbotschafter des UniWehrsEL teilt dazu seine Meinung mit uns.

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums von F. Scott Fitzgeralds Meisterwerk „Der große Gatsby“ erwacht die Geschichte erneut zum Leben – auf den Bühnen des Schauspiel Frankfurt und des Theaters Meiningen. Die Aufführungen ziehen nicht nur jene in ihren Bann, die von Gatsbys schillernder Welt fasziniert sind, sondern regen auch zu einer bedeutsamen Kernfrage an: Ist das Paradies des Kapitalisten, voller Glamour, Reichtum und Exzess, tatsächlich das Ideal einer erstrebenswerten Welt? Oder entblößt die Geschichte die Schattenseiten eines Lebens, das nur von Oberflächlichkeit und unerreichbaren Träumen geprägt ist?

Die Verbindung zu Fitzgerald selbst ist dabei unverkennbar: Als Chronist der 1920er Jahre, die als „Roaring Twenties“ in die Geschichte eingingen, lebte der Autor selbst inmitten der Exzesse und des Rausches der Oberschicht New Yorks. Sein Roman wird damit nicht nur zur literarischen Reflexion dieser Ära, sondern auch zu einem Spiegel seiner eigenen Erfahrungen. Übrigens: Der Originalentwurf für den Schutzumschlag von F. Scott Fitzgeralds Meisterwerk ist eines der am häufigsten reproduzierten Buchcover. Doch welche Geschichte steckt dahinter?

Ein Paradies aus Champagner und Glamour?

Rauschende Partys in prächtigen Villen, Alkohol fließt in Strömen, Glamour und Exzess regieren die schwülen Sommernächte. Die Nächte gehören Jay Gatsby, dem mysteriösen Millionär, dessen rauschende Feste schöne Mädchen wie Motten anziehen. Champagner sprudelt unter dem funkelnden Sternenhimmel – ein Paradies des Kapitalismus ohne Grenzen. Doch hinter der Fassade von Reichtum und Luxus verbirgt sich die Tragödie des Selfmade-Manns, der im grünen Licht seines unerreichbaren Traums gefangen ist.

Das grüne Licht: Ein Symbol unerreichbarer Sehnsüchte von Gatsby

Im Mittelpunkt von Gatsbys unerfülltem Traum steht das grüne Licht, das am Ende von Daisys Dock flackert. Dieses Licht wird zur Metapher für das Unerreichbare – Gatsbys Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es nie gab, und nach einer Zukunft, die er verzweifelt zu kontrollieren versucht. Es verkörpert sein Streben nach Daisy, nach Liebe und nach einem Glück, das ihm trotz all seines Reichtums verwehrt bleibt. Für Fitzgerald wird dieses Symbol zum Ausdruck des menschlichen Drangs, nach etwas Höherem zu greifen, das jedoch immer außer Reichweite bleibt.

Ein Leben in Exzess: Die Oberflächlichkeit der Reichen

„Der große Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald, erstmals 1925 erschienen, portraitiert eine Welt, in der Geld keine Rolle spielt und die Grenzen verschwimmen. Gatsby, ein Selfmade-Millionär, hat alles – außer seiner großen Liebe Daisy. Um sie zurückzugewinnen, inszeniert er ein Leben voller Pomp und Party, ein einziges Theaterstück, das allein für Daisy geschrieben ist. Doch Daisy, verheiratet und gelangweilt, bleibt ein Symbol für das Unerreichbare, verkörpert durch das grüne Licht am Ende ihres Docks. Dieses Licht wird zu einem Symbol für Gatsbys nostalgische Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die nie existiert hat.

Klatsch und Gerüchte: Gatsbys zwielichtiger ReichtumJ

Jay Gatsby ist kein Mitglied des Geldadels, sondern ein Neureicher, dessen plötzlicher Wohlstand Anlass zu vielen Gerüchten gibt. Klatsch besagt, dass Gatsby durch illegale Methoden – darunter Schmuggel während der Prohibition – zu seinem Reichtum gekommen sei. Seine Herkunft bleibt nebulös, er ist eine nicht greifbare Person, deren Vergangenheit sich im Dunkel verliert. Diese moralische Unsicherheit wirft die Frage auf, ob Geld, das auf unehrlichen Wegen erlangt wurde, tatsächlich das Tor zu Glück und Erfüllung öffnen kann. Trotz seines Wohlstands bleibt Gatsby ein Außenseiter, der an seinem Traum von Daisy festhält – und damit letztlich an einem Ideal, das unerreichbar ist.

Das Tal der Asche: Eine Reise durch Armut und Reichtum

Auf dem Weg ins glitzernde Abenteurland New York müssen die Reichen durch das „Tal der Asche“ – eine trostlose, von Staub und Ruß erfüllte Landschaft, die Sinnbild für die Armut und Hoffnungslosigkeit der „anderen“ ist. Dieses Tal unterstreicht eindrucksvoll den Gegensatz zwischen den schillernden Villen von West Egg und den schmutzigen Hütten jener, die den Lebensstil der Reichen ermöglichen, aber selbst in Elend gefangen sind. Die wohlhabenden Reisenden, die in ihren luxuriösen Autos an dieser Hölle vorbeiziehen, werden unwillkürlich daran erinnert, wie zerbrechlich ihr Reichtum ist und wie eng die Schattenseiten des Kapitalismus mit ihrem eigenen Leben verwoben sind. Dieses Bild lässt sich auch heute auf ökologische und soziale Ungerechtigkeiten übertragen und mahnt zu größerer Achtsamkeit.

Symbole der Dekadenz: Statussymbole und Exzesse

Fitzgerald verwendet luxuriöse Autos, Champagner, rauschende Partys und opulente Villen, um die Oberflächlichkeit der Reichen zu verdeutlichen. Daisys betrunkenes Fahren, das zum tragischen Tod einer Frau – zufällig die Geliebte ihres Ehemannes – führt, zeigt die Gleichgültigkeit dieser Gesellschaft. Gatsby opfert sich, indem er die Schuld auf sich nimmt, doch diese noble Geste bringt den Zerfall seines schillernden Lebens und die Verbreitung übler Gerüchte über ihn mit sich. Der Roman enthüllt so die dunkle Kehrseite des Reichtums.

Von der Literatur zum Kino: Gatsbys anhaltender Glanz „Der große Gatsby“ wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein großer Erfolg. Die Verfilmungen mit Robert Redford und später Leonardo DiCaprio verliehen dem Werk neue Popularität. Besonders die Neuverfilmung mit DiCaprio zeichnet sich durch ihre bombastische Inszenierung aus, die den Glanz und die Tragödie von Gatsbys Welt auf die Leinwand bringt.

Fitzgeralds „Der große Gatsby“ bleibt ein scharfsinniger Spiegel des Kapitalismus, der sowohl Glamour als auch dessen Schattenseiten beleuchtet. Die unerfüllbare Sehnsucht, symbolisiert durch das grüne Licht, und der exzessive Lebensstil Gatsbys werfen die Frage auf: Kann Reichtum allein wahres Glück bringen? Warum fasziniert die Geschichte heute das Publikum in Frankfurt oder Meiningen? Vielleicht, weil die Themen aktueller denn je sind: Denken sie lieber Leser dabei nicht unwillkürlich an die Techmillionäre unserer Zeit, deren schillernder Reichtum Schlagzeilen machen? Verkörpern diese Leute nicht Gatsbys Traum in moderner Form – das Streben nach Anerkennung, Macht und Einfluss? Füllt Reichtum innere Leere? Und ist das „Tal der Asche“ nicht ein Vorbote unserer heutigen sozialen und ökologischen Ungleichheit?

Danke für Impressionen und das Bild von JEAN SEBASTIEN STAUDT auf Pixabay
  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:18. September 2025
  • Lesedauer:8 min Lesezeit