Du betrachtest gerade XV Schreibwerkstatt UniWehrsEL:“Tatort Frankfurt – Rolle der Magie der Musik?“ im Schauspiel: „Wir haben es nicht gut gemacht“

Rückblick Teil XII: Kommissar Ritter, Opernkenner I. Burn, Klatschreporterin Paula Pechstein und die Theaterwissenschaftlerin Claudia Elfriede trafen sich im Kommunikationsmuseum bei der Halloween-Party. Paula hatte sich kurzzeitig von ihnen entfernt, erschien wieder, um von einem weiteren Mord zu berichten. In der Sonderausstellung Nachrichten“ wurde eine als Maria Callas verkleidete, Leiche gefunden. Bei den anschließenden Gesprächen galt Claudia Elfriede als vermisst. Sie ist dem Trubel des Kommunikationsmuseums entkommen. Claudia, die sich sowohl in der Literatur, als auch in Mode, Oper und Schauspiel auskennt, hätte zur Aufklärung des Geschehens im Kommunikationsmuseum sicherlich etwas beitragen können, hat es aber vorgezogen, heute alleine ins Schauspiel Frankfurt zu gehen. Den Kopf freibekommen, nennt sie es für sich und zudem findet sie die Problematik des heutigen Stücks überaus interessant. Sie plant, einen Artikel über Ingeborg Bachmann und Max Frisch zu schreiben, aus gutem Grund …

Eingefügte Szene K. B.: Liebe, Briefe und Sehnsucht auf der Bühne und im realen Leben der Claudia Elfriede – „Wir haben es nicht gut gemacht

Claudia Elfriede sinniert: „In einer Zeit, in der Dating-Apps uns den perfekten Match versprechen, wirkt ein Theaterstück über die Beziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch beinahe wie ein Relikt aus einer anderen Welt. Kein Wunder, könnte man als Zuschauer meinen, dass die Beziehung der beiden Schriftsteller in den 1950er Jahren nicht langfristig hielt – schließlich hatten sie keine Algorithmen, um ihr „ideales Gegenstück“ zu finden. Stattdessen mussten Bachmann und Frisch tatsächlich schreiben – per Brief. Keine schnellen WhatsApp-Nachrichten, keine Telefonanrufe, sondern geduldiges Warten auf Antworten. Kommunikation auf diese Weise hatte etwas von Romantik, aber auch von Hindernisläufen.“

Sie hat in der dritten Reihe Platz genommen, ihrem Abonnentenplatz, und verfolgt das Stück: „Wie die Regisseurin und Autorin Susanne Frieling diese Problematik aufgreift, das fasziniert mich“, denkt Elfriede, „und genau das scheint auch mein Problem zu sein. Denn diese Bühnenfassung des Stücks Wir haben es nicht so gut gemacht könnte auch auf mein Leben passen. Maja Kuhl und Sebastian Kuschmann, die Bachmann und Frisch hier im Schauspiel Frankfurt verkörpern, zeigen genau die vielschichtige Reise durch die Höhen und Tiefen dieser literarischen Beziehung, die ich mir eigentlich auch immer wieder stelle.

Was suchen wir Menschen eigentlich in Beziehungen? Wie bewahrt man sich in einer Beziehung, wenn man für die Außenwelt eine Rolle spielt? Wie verarbeitet man Schicksalsschläge, berufliche Trennungen oder Eifersucht?“

Während das Bühnenstück Einblicke in das Leben der Literaten gibt, ein intensives Gespräch zwischen Bachmann und Frisch inszeniert, das so nie in der Realität stattgefunden hat, trauert Elfriede ihrer gerade gescheiterten Beziehung zu dem Regisseur und Tenor Strahlemann nach. Sie grübelt darüber nach, dass im Stück die Dialoge auf Briefen basieren, die ursprünglich von Distanz und der Spannung zwischen Nähe und Entfernung geprägt sind. „Er hatte sich nach seiner Verletzung in der Paulskirche doch so gut erholt,“ denkt sie, „und die kleine Lehre, warum zweigleisig Fahren nie gut sein kann, hat ihm gut getan.“ (Strahlemann war in der Paulskirche schwer verletzt worden, vermutlich aus Eifersucht Teil VI)

„Nahtlos übertragbar auf meine missglückte Rolle, die ich in seinem Leben spielen sollte!“ seufzt sie. „Diese Briefe spiegeln die Kräfte wider, die die Beziehung bestimmten – Anziehung und Abstoßung, Liebeserklärungen und scharfe Vorwürfe. Sie sind Zeugnisse der menschlichen Zerrissenheit, der Suche nach Liebe und der Angst vor Verletzung.“

In ihr mitgebrachtes Notizbuch schauend verfolgt sie ihre Hintergrundrecherchen: Der Text basiert auf den 2022 veröffentlichten Briefwechseln der beiden öffentlichen Personen – über 1.000 Seiten, die Frieling zu einem Theaterdialog umarbeitete.

Sie selbst empfindet das eben Gehörte sehr lebensnah: „Statt wie eine lose Sammlung von Briefen klingt das Stück wie ein lebendiges Gespräch zweier Menschen in einem Raum. Klasse, dieses zentrale Bühnenbild, dargestellt wie eine symbolische Wohnung: das gemeinsame „Nest“ der Beziehung. Genau wie bei uns steht diese Wohnung kurz vor der Auflösung, angefüllt mit Erinnerungen, die die beiden nun aufteilen müssen. Was für ein grausamer Prozess, schmerzhaft wie die Trennung selbst.“

Zurückblickend reflektiert Elfriede: „Strahlemann liebt Frisch und hat sich genau wie er als der literarische Freigeist gesehen. Während aber Frisch bekannt für Werke wie Andorra und Biedermann und die Brandstifter war, hat er nur großartige Worte und schlechte Inszenierungen aufzubieten! Ganz zu schweigen von seiner erbärmlichen Singerei! Mich wollte er in eine Rolle der Bachmann zwingen. Weder bin ich die feministische Ikone, noch die begehrte Figur der Gruppe 47! Die ging als als bekannteste westdeutsche Vereinigung von einflussreichen, auch politisch engagierten Autoren in die Literaturgeschichte ein. Wenn ich dabei gewesen wäre, dann hätte mein Erfolg auf ihn „abgestrahlt“ – was für ein witziges Wortspiel (lacht)!“

Das Theaterstück öffnet ihr die Augen, zeigt ihr zwei Menschen, die nicht nur mit ihren Egos ringen, sondern auch mit ihren öffentlichen Selbstbildern. „Wie hätte ich ihr bei allem Engagement, das ich meiner eigenen Person entgegenbringe, ihr je das Wasser reichen können? Ingeborg Bachmann war nicht nur eine begnadete Schriftstellerin, sondern auch eine Sehnsuchtsfigur, die weit über die literarische Welt hinaus inspirierte. Ihre Werke – darunter Malina und Das dreißigste Jahr – sind geprägt von existenziellen Themen, klar auch um Selbstfindung, darum geht es doch immer bei Strahlemann! Allerdings verbindet uns ein trauriges Geheimnis. Die Bachmann litt, genau wie ich, unter schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, insbesondere an einer schmerzhaften Krankheit, die sie körperlich und psychisch belastete.“

„Meine Güte,“ schreckt aus ihren Gedanken auf. „Habe ich das richtig verstanden? Wird im Stück hier subtil durch die Musik von La Traviata angedeutet, dass es Parallelen zwischen Bachmann und der Opernfigur Violetta gab und die Zerbrechlichkeit der Schriftstellerin betont wird? Wenn ich nun wie sie genauso zerbrechlich wäre? Ein Zufall, dass der Mordanschlag auf Strahlemann in der Paulskirche war, die an diesem Abend Schauplatz einer Opernszene aus Verdis La Traviata sein sollte?“.

Und weiter lässt Claudia Elfriede ihre Gedanken schweifen: „Das knüpft nun nicht nur weiter gedacht an die ‚Opernmorde‘ an. Die Leiche im Kommunikarionsmuseum war als Maria Callas verkleidet, inspiriert von Angelina Jolies Rolle im Film Maria von 2024. Die Tote war in einem Kostüm, das an den Film Maria erinnert, … Moment mal, es gibt da auch noch eine ganz besondere Beziehung zwischen Bachmann und der Callas!“

Gerade in diesem Zusammenhang hat Elfriede kürzlich recherchiert und herausgefunden, die Bachmann hätte die Callas zum ersten Mal im Januar 1956 an der Mailänder Scala in einer ‚Generalprobe’ von La Traviata gehört. An ihren Verleger Piper habe sie geschrieben, dass diese von Lucchino Visconti inszenierte Traviata bei weitem das Schönste war, was sie je auf einer Opernbühne gesehen habe. „Die Maria Callas spielte, als hätte sie einige Teufel und Engel in sich, eine richtige große Komödiantin.“

„Damit hat sie“, denkt Elfriede nach „mit der Rede von „Teufeln” und „Engeln” gerade dem Themenbereich der Stimme besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Denn Callas würde zu einem Beispiel für ein Konzept von Oper, in dem die Stimme „als eine Figur des Nachhalls im doppelten Sinne erscheine: als vokalische Spur des Göttlichen und Teuflischen im Gesang und als Nachhall kultischer und religiöser Momente in der Kunst”.

Und Plötzlich taucht da noch ein ganz anderer Gedanke auf: „Wenn die Callas wegen ihrer Stimme so gliebt und angefeindet wurde, und in Pasolinis Spielfilm „Maria“ ihre einzige Sprechrolle hatte, und die Tote im Kommunikationsmuseum wie die Callas gekleidet war, dann könnte der Verlust der STIMME ein bedeutender Hinweis sein, den der Mörder, der ja gerne Rätsel aufgibt, hinterlassen hat …“

(zu dieser Erkenntnis kam der Opernkenner Ivo Burn auch im Teil XII im Dialog mit KK Ritter: „Pasolini hat den altgriechischen Mythos von Euripides genommen und ihn zu einer freien Bearbeitung gemacht. Statt einer Opern‑Performance nutzt er Callas’ Stimme als reine Sprechrolle – das ist ein bewusster Verzicht auf das, was sie berühmt gemacht hat.“ Ivo Burn: „Die Leiche, die wir gefunden haben, ist als Callas verkleidet. Wenn wir den Film als Referenz nehmen, suchen wir nicht nach einer gesungenen Note, sondern nach einer Stimme, nach einem Wort, das der Mörder hinterlassen hat.“

Noch ist Claudia Elfriede aber nicht klar, ober der ‚Himmel-Hölle-Topos‘ und die metaphorische Bedeutung des Verlustes der Stimme vielleicht bei der Aufklärung der „Opernmorde“ in irgendeiner Weise nützlich sein könnten. „Himmel und Hölle, denkt sie weiter, „das passt genau, wenn ich an diesen Ehrgeizling Strahlemann zurück denke, von dem ich mir eingebildet habe, ihn zu kennen und zu lieben.“

Herzlichen Dank für die Bilder auf Pixabay!

  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:15. November 2025
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