Du betrachtest gerade Carl Spitzweg: „Spaziergang am Rande des Kornfelds. Verbotener Weg“ (1849/46)

Carl Spitzweg kennen unsere UniWehrsEL-Leser schon seit unserem Beitrag „Sehnsucht näher betrachtet. Dass der Künstler gerneGesellschaftskritik in ironischer Form übt, erkennt man spätestens in dem bekannten Werk „Der Sonntagsspaziergang„. Das Gemälde „Der verbotene Weg“ zeigt einen Jesuitenpater, der sich vor einem Schild mit der Aufschrift „Verboten“ befindet. Auf verbotenen Pfaden wandelt wohl auch ein von Spitzweg gemaltes Paar. Die Szenerie hat Spitzweg mit ‚Spaziergang am Rande des Kornfeldes. Verbotener Weg‘ betitelt. Dazu ein charmanter Leserbrief, mit Dank!

Liebe Leser des Blog UniWehrsEL,

In der charmanten Karikatur „Spaziergang am Rande des Kornfelds.Verbotener Weg“ von Carl Spitzweg wird ein faszinierendes und zugleich aufschlussreiches Szenario dargestellt. Ein Mann, elegant gekleidet mit einem Zylinder auf dem Kopf, blickt nervös um sich. An seinem Arm hängt eine junge Frau, die mit kerzengerader Haltung und einem stolzen Blick auftritt. Diese beiden Figuren scheinen in einem Moment der heimlichen Aufregung gefangen zu sein, als ob sie sich auf einen verbotenen Weg begeben wollen.

Die Szenerie ist von einer spannungsgeladenen Atmosphäre durchzogen. Der Begriff „verbotener Weg“ lässt Raum für zahlreiche Interpretationen. Ist der Mann vielleicht verheiratet und hat sich in die junge Frau verliebt, um seine Ehefrau, die nicht im Bild zu sehen ist, zu betrügen? Diese Möglichkeit wirft Fragen auf über die Moral und die Tugend der bürgerlichen Gesellschaft, die Spitzweg in seinen Werken oft kritisch hinterfragt..

Die beiden Protagonisten scheinen in einem Moment der Rebellion gegen gesellschaftliche Normen gefangen zu sein. Ihre Blicke sind voller Nervosität und Aufregung, während sie sich in der ländlichen Idylle bewegen. Der Mann wirkt angespannt, als ob er die Gefahr spürt, entdeckt zu werden. Die junge Frau hingegen strahlt eine gewisse Unschuld und gleichzeitig eine kühne Entschlossenheit aus. Ihre Haltung deutet darauf hin, dass sie sich der möglichen Konsequenzen ihres Handelns bewusst ist, aber dennoch bereit ist, das Risiko einzugehen.

Die Frage, warum Menschen sich auf verbotene Wege begeben, ist vielschichtig. Oft sind es die verbotenen Früchte, die am verlockendsten erscheinen. Der Reiz des Verbotenen, die Möglichkeit, sich von den Fesseln der gesellschaftlichen Erwartungen zu befreien, zieht viele an. Vielleicht suchen die beiden nach einem kurzen Moment der Freiheit, einem Ausbruch aus dem grauen Alltag, der sie umgibt. Jürgen Drews’ berühmter Schlager „Ein Bett im Kornfeld ist immer frei“ schwingt in dieser Szene mit und verstärkt die Vorstellung von Sehnsucht und ungestilltem Verlangen. Auch die Sehnsucht scheint es zu sein, die auf dem Bild „Der Witwer“ von Spitzweg, einen auf einer Bank sitzenden Mann dazu antreibt, zwei Frauen hinterher zu blicken. Dieses Bild kann man im Städel Museum betrachten.

Zurück zu unserem Paar, das in Versuchung ist, auf Abwegen zu wandeln. Der Mann, elegant gekleidet, könnte sich in feinen Kleidern präsentieren, um die junge Frau zu beeindrucken. Vielleicht ist es sein Versuch, ihr zu zeigen, dass er ein Mann von Stil und Anstand ist, der bereit ist, für sie zu kämpfen. Der Spaziergang könnte eine Gelegenheit sein, ihr etwas zu gestehen, vielleicht seine Gefühle oder seine inneren Konflikte. Doch in den feinen Kleidern passen die beiden nicht wirklich in das Kornfeld, was die Absurdität ihrer Situation unterstreicht.

Sind sie vielleicht Leute aus der Stadt, die in der Natur die Ruhe suchen? Der Kontrast zwischen ihrer eleganten Erscheinung und der ländlichen Umgebung verstärkt das Gefühl der Entfremdung. Der Mann lässt seinen Blick schweifen, als ob er nach einem Ausweg aus seiner inneren Zerrissenheit sucht.

Das Kornfeld selbst leuchtet in einem strahlenden Gelb, ein Symbol für Fruchtbarkeit und Leben, aber auch für die verborgenen Wünsche und Sehnsüchte der beiden. Ist das Kornfeld der heimliche Star der Karikatur? Dafür spricht das es so besonders hervorgehoben ist von Carl Spitzweg.

Das Kornfeld, das in der Karikatur von Carl Spitzweg dargestellt wird, ist nicht nur ein landschaftliches Element, sondern trägt auch eine tiefere symbolische Bedeutung, die eng mit der Jahreszeit Sommer verknüpft ist. Der Sommer ist eine Zeit des Wachstums, der Fülle und der Reife, und das Kornfeld verkörpert all diese Aspekte auf eindrucksvolle Weise.

Im Sommer erreicht die Natur ihren Höhepunkt, und die goldenen Ähren des Kornfelds symbolisieren die Fruchtbarkeit sowie die bevorstehende Erntezeit. Vielleicht möchte aber der elegante Herr im Anzug auch etwas ernten? Die Sympathie der jungen Frau? Diese trägt den Kopf voller Stolz. Will sie etwa gar nicht vom Weg abweichen? Lässt die Frau den Mann zappeln? In der Hitze des Sommers, wenn die Tage lang und die Nächte warm sind, erwachen oft die tiefsten Sehnsüchte in den Menschen. Die Weite des Feldes lädt dazu ein, Träume zu verfolgen und verbotene Wege zu erkunden.

Der Himmel ist blau aber irgendwie langweilig. Erst das nicht in die Landschaft passende Pärchen macht die Komposition für den Betrachter reizvoll. In der Ferne könnte eine weitere Figur im Schatten zu erkennen sein, vielleicht ein Bauer oder ein Passant, der die beiden beobachtet. Diese Präsenz verstärkt die Spannung und das Gefühl, dass ihre heimliche Begegnung nicht unbemerkt bleibt.

Insgesamt zeigt Spitzweg in dieser Karikatur nicht nur einen flüchtigen Moment der Auflehnung, sondern auch die tiefere menschliche Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer. Der „verbotene Weg“ wird zum Symbol für die Sehnsucht nach einem flüchtigen Abenteuer im Kornfeld. Es ist ein eindringliches Bild, das den Betrachter dazu anregt, über die Grenzen des Erlaubten und die Gründe für deren Überschreitung nachzudenken.

Danke an den Schreibenden und an das Städel Museum. Leider unterliegt der „Spaziergang am Rande des Kornfeldes“ dem Urheberrrecht. Dennoch sei die Frage gestattet: Wie deuten Sie als Leser das Bild des Paares und des „verbotenen Weges“?