zunächst möchte ich Edith Mandler für ihre zauberhafte Kurzgeschichte danken. Dann beginne ich hier mit der Idee eines(Opern-)Krimis und würde mich sehr darüber freuen, wenn der eine oder die andere Ihrer LeserInnen, die Geschichte aufgreifen und weiterführen würden. Also beginnen wir mit meinen ersten Gedanken dazu:
Eröffnungsszene – Der Tatort
Die Nacht hängt schwer über Frankfurt, als die ersten Streifenwagen mit sirrenden Blaulichtern vor der schmalen Gasse in der Frankfurter Altstadt halten. Eine neonbeleuchtete Bar flackert träge, während ein unaufhörlicher, verzerrter Klang aus einem alten CD-Player durch die kalte Luft dringt – „L’amour est un oiseau rebelle“. Die berühmte Habanera aus Bizets Carmen (die heute ja sogar mit Tattoos geschmückt ist) läuft in Endlosschleife, so laut, dass die Worte fast gespenstisch über die Pflastersteine hallen.
Mit grimmiger Miene öffnet Hauptkommissar Ritter die Tür zum Hinterhof. Das Team stoppt abrupt. Vor ihnen liegt eine junge Frau, leblos auf dem kalten Boden, ihr Körper theatralisch drapiert wie eine Opernfigur – eine moderne Carmen. Ihr Kleid ist dunkelrot, fast wie frisch vergossenes Blut. Der geraffte Rock und die schwarzen Spitzenvolants erinnern stark an eine Zigeunerin, wie sie auf der Bühne dargestellt wird. Ihr langes schwarzes Haar liegt wirr um ihr Gesicht, das Lippen blass, doch mit einem Hauch rotem Lippenstift. Ihre Augen offen, doch ohne Leben.
Aber das ist nicht das einzige Detail, das das Ermittlerteam ins Staunen versetzt. Neben ihr, wie zufällig hingelegt, ein Opernprogramm – eine Aufführung von Tosca an der Oper Frankfurt.
Was bedeutet das Tosca-Plakat? Ist dies der erste Mord einer Serie? Sind die Opfer Nachstellungen berühmter Operntode? Und vor allem – wer inszeniert diese morbide Vorstellung (es gibt ja bestimmte Frauenbilder in jeder Oper)?
Die Polizei ahnt: Dies ist kein gewöhnlicher Fall. Und es ist erst der Anfang.
Die Inszenierung des Todes
Die Luft ist kalt, riecht nach feuchtem Pflasterstein und abgestandenem Zigarettenrauch. Hauptkommissar Ritter tritt mit schweren Schritten in den schmalen Hinterhof. Er hasst solche Orte – halbverlassene Gassen, die nach Ärger schreien. Aber das hier? Das ist mehr als nur ein gewöhnlicher Mord.
Sein Blick bleibt an der Frau hängen. Sie liegt dort, eine makabre Inszenierung. Das Kleid – ein tiefes, scharlachrotes Brokat, wie frisch vergossenes Blut, gerafft an den Seiten, dramatisch betont durch schwarze Spitzen. Zu auffällig, zu gewollt. Ihr langes schwarzes Haar bildet eine dunkle Wolke um ihr lebloses Gesicht, einzelne Locken fallen über die geschlossenen Lider, als hätte jemand sie mit Absicht drapiert.
Und dann die Musik. Diese verdammte Musik. „L’amour est un oiseau rebelle“. Die Habanera aus Carmen schallt in Endlosschleife aus einem alten CD-Player, verzerrt, als würde das Schicksal selbst sarkastisch lachen.
Ritter knirscht mit den Zähnen. Er war noch nie in der Oper. Bizet, Puccini, Verdi – alles Namen, die für ihn keinerlei Bedeutung hatten. Und nun stand er hier, verloren in einem Fall, der auf einem Bühnenstück zu beruhen schien, das ihm fremder nicht sein könnte.
Mit angespannter Miene beugt er sich über das Gerät. Ein billiger, verkratzter CD-Player. Er greift nach der Stopptaste. Drückt sie. Keine Reaktion. Ein zweiter Versuch. Wieder nichts.
Die Musik trotzt ihm. Sie spielt weiter, dreht ihre Runde wie eine unnachgiebige Geisterstimme, die ihn verhöhnt. Seine Finger ballen sich zur Faust. Er reißt den Stecker aus der Wand.
Und doch – das Lied verstummt nicht.
Ein elektrischer Kurzschluss? Eine versteckte Batterie? Die Ermittler hinter ihm tauschen Blicke aus, doch Ritter ist zu wütend, um die Details zu analysieren. Er steht vor einem Rätsel, das sich ihm nicht erschließen will. Alles fühlt sich inszeniert an, wie ein Theaterstück, bei dem er der unbeholfene Zuschauer ist – ohne Text, ohne Bezug, ohne eine Ahnung, wie das verdammte Stück endet.
Ein Mord wie ein Spektakel
Hauptkommissar Ritter steht reglos im Hinterhof, die Hände tief in den Taschen seiner abgewetzten Lederjacke vergraben. Er blinzelt gegen das flackernde Blaulicht, doch es hilft ihm nicht, das Gesehene zu begreifen. Es wirkt wie eine Szene aus einem dieser seltsamen Kunstfilme, die er nie verstanden hat – die er nie verstehen wollte. Schon als junger Mann hatte er sich geschworen: Wenn ein Film nicht mindestens eine Verfolgungsjagd oder eine Explosion bietet, ist er nichts für ihn. Oper? Theater? Inszenierung? All das war ihm fremd.
Und doch – hier war genau das vor ihm ausgebreitet. Ein Mord, dargeboten wie eine makabre Aufführung.
Die Leiche lag da, als hätte sie jemand bewusst für die Kamera drapiert. Rücken leicht gewölbt, ein Arm halb ausgestreckt, die Finger wie eingefroren in einer letzten Bewegung. Ritter schüttelt kaum merklich den Kopf. Er kann sich nicht helfen – das wirkt inszeniert.
Das Wort allein irritiert ihn. Er hat es schon gehört, irgendwo in einem Bericht, wenn es um Opern oder Theater ging. Aber für ihn war eine Tat ein Tat, ein Mord ein Mord. Dass jemand eine Leiche so arrangierte, wie eine Diva in ihrem letzten Moment auf der Bühne – das verstört ihn mehr als alles andere.
Maria Callas die berühmte Operndiva hätte genau so sterben können nur sagt Ritter der Name nichts, denn die Welt der Oper kennt er nicht – mit dramatischem Ausdruck, jeder Muskel exakt arrangiert, jeder Finger scheinbar in einer kunstvollen Bewegung eingefroren. Doch hier gab es kein Publikum, kein Applaus, nur die kalte, graue Straße, die diesen bizarren Abgang rahmte.
Die Frau sieht fast zu perfekt aus. Die Haut ist makellos, die langen, dunklen Locken liegen wie gewollt um ihr Gesicht. Keine Unordnung, kein Chaos, nichts Echtes. Es ist, als hätte jemand eine Puppe hingelegt. Eine dieser makellos gestylten Disney-Prinzessinnen, die mit aufgerissenen Augen und einem sanften Lächeln im Sarg der Märchenwelt ruhen.
Dann wieder dieses Lied. Die Habanera aus Carmen, schallt weiter aus dem abgenutzten CD-Player. Laut, schrill, trotzig. Eine Spottmelodie. Ritter presst die Lippen zusammen. Er hasst diese Art von Musik. Sie lullt ihn nicht ein, sie verwirrt ihn nur. Was soll das hier alles? Was verdammt noch mal soll ihm dieses Spektakel sagen?
Er beugt sich über den CD-Player und drückt mit festem Daumen auf die Stopptaste. Nichts. Er drückt wieder. Nichts.
Sein Atem wird schwerer, sein Ärger wächst. Was soll dieser Unsinn? Er zieht den Stecker aus der Wand.
Und doch – die Musik verstummt nicht.
Ein Kunstfilm. Ein verdammter, unnötig komplizierter Kunstfilm. Ritter seufzt. Er hätte lieber einen einfachen Mordfall. Ein gebrochener Türrahmen, Blutspuren im Teppich, ein Täter mit Motiv. Stattdessen steht er hier in einem absurden Theaterstück, das sich vor seinen Augen entfaltet – und nichts daran macht für ihn Sinn.
Dann fällt sein Blick auf das halb eingerissene Tosca-Plakat mit Oper Frankfurt an der Wand. Noch ein Opernverweis. Noch ein Rätsel.
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