Blick auf Edward Bergers Vatikan-Drama Leserbrief: Wahrheit, Lüge, Konklave?
Nach dem Tod von Papst Franziskus stellt sich für viele die drängende Frage: Was geschieht wirklich im Vatikan, wenn ein Papst stirbt? Edward Bergers Film „Konklave“ hat in diesem Kontext an Aktualität gewonnen und zieht seit seinem Start im Herbst eine Million Zuschauer in die deutschen Kinos und sorgt für steigende Abrufzahlen im März 2025 bei Amazon Prime. Aus gegebenem Anlass der Wahl des neuen Papst Leo XIV, scheint mir ein Blick auf den Film Konklave interessant zu sein.
Liebe Seminar-Talk Leser,
Die Buchvorlage stammt von Robert Harris. Robert Harris ist ein britischer Schriftsteller und Journalist, geboren am 7. März 1957 in Nottingham. Er ist bekannt für seine historischen Thriller und politischen Romane, darunter Bestseller wie „Vaterland“, „Der Ghostwriter“ und „Konklave“. Harris‘ Werke zeichnen sich durch sorgfältige Recherche und fesselnde Erzählweise aus, oft mit komplexen Charakteren und spannenden politischen Intrigen. Neben seiner Schriftstellertätigkeit war er auch als Journalist tätig und arbeitete unter anderem für die „Sunday Times“. Harris gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Großbritanniens. Der Film „Konklave“ erhielt im Januar 2025 insgesamt acht Nominierungen und gewann im März 2025 den Preis für das beste adaptierte Drehbuch, das von Peter Straughan verfasst wurde.
Doch wie viel von dem, was wir auf der Leinwand sehen, entspricht der Realität? Was ist Fiktion, und was sind die tatsächlichen Abläufe im Vatikan? Ist die Darstellung der Papstwahl als spannungsgeladener Machtkampf ein geschickter Schachzug der Filmemacher oder eine gefährliche Verzerrung der Wahrheit?
Im Zentrum der intriganten Machtspiele steht der progressive und charismatische Kardinal Bellini (Stanley Tucci), dessen liberale Ansichten das Potenzial haben, die verkrusteten Verhältnisse im Vatikan zu verbessern. Warum erfreut er sich jedoch so geringer Beliebtheit? Ist es die lähmende Angst vor Veränderung, die die anderen Kardinäle zurückhält? Dem gegenüber steht der erzkonservative, rückwärtsgewandte und dogmatische Tedezio (Sergio Castellito), der nach Lawrence „die Kirche 30 Jahre in die Vergangenheit versetzen würde“. Was sagt dies über die angespannten Beziehungen zwischen progressiven und konservativen Kräften innerhalb der Kirche aus?
Zusätzlich gibt es den, bei seinen anderen Kardinälen beliebten und charmanten, Aydemir (Lucien Msamati), über den der meiste Klatsch und Tratsch ausgetauscht wird, und den zum ersten Mal anwesenden, schüchternen Außenseiter Benitez (Carlos Diehz), der mehr als stummer Zeuge in diesem intriganten Geschehen auftritt. Welche Rolle spielt der unsichere Benitez in diesem komplexen Machtspiel? Ist er ein Spiegelbild der Zuschauer, die die Machtspiele mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen beobachten?
Lawrence selbst steht ebenfalls zur Wahl und könnte in seinem pragmatischen, aber innerlich zerrissenen Wesen eine gute Wahl sein. Doch er zweifelt an sich selbst und seiner tiefen Glaubensüberzeugung. Wie beeinflusst dieser innere Konflikt seine Entscheidungen inmitten der Machtspiele?
Am Ende ist es der zögerliche Benitez, der nach mehreren Abstimmungen mutig zugibt, Lawrence seine Stimme geben zu wollen. Auf dessen Festhalten, er wolle diese Stimme nicht geschenkt bekommen, verweist Benitez auf seinen festen Glauben, das Richtige zu tun. Was bedeutet dieser Akt des Glaubens in einem Umfeld, das von Macht und Intrigen geprägt ist?
Während draußen in den pulsierenden Straßen von Rom Bomben explodieren und eine skrupellose Terrororganisation die Stadt heimsucht, werden diese erschütternden Ereignisse in Bergers meisterhafter Regie mehr zu einer beunruhigenden Randbemerkung. Wie beeinflusst dies die Wahrnehmung der Zuschauer über die drängenden Prioritäten der Kardinäle? Verleiht der Film den inneren Konflikten und intriganten Machtspielen der Kardinäle eine übergeordnete Bedeutung, während die bedrohlichen äußeren Gefahren in den Schatten gedrängt werden?
Inmitten des Chaos und der Zerstörung, die die Stadt erschüttern, scheinen die ehrgeizigen Kardinäle in ihren opulenten Hallen gefangen zu sein, während sie sich in hitzigen Debatten und strategischen Manövern verlieren. Die drängenden Fragen des Glaubens und der Macht gewinnen an Intensität, während die Welt außerhalb ihrer Mauern in Flammen aufgeht.
Der Film inszeniert die Wahl eines neuen Papstes als einen packenden Kampf um die Macht im Vatikan, der ohne Waffen auskommt und sich auf scharfe Worte und subtile Manipulationen beschränkt. Die ehrwürdigen Kardinäle versammeln sich in der majestätischen Sixtinischen Kapelle, um ein neues Oberhaupt der katholischen Kirche zu wählen. Doch während die Wahlvorbereitungen im Film mit beeindruckender Präzision dargestellt werden, gibt es auch erhebliche Abweichungen von der Realität, die die Zuschauer zum Nachdenken anregen. So wird der Fischerring des verstorbenen Papstes zwar korrekt zerstört, jedoch nicht sofort, sondern erst später in der feierlichen Anwesenheit der Kardinäle. Auch die Aufbahrung des Papstes im Schlafanzug, wie im Film dramatisch gezeigt, ist schlichtweg falsch und widerspricht den strengen kirchlichen Vorschriften.
Ein weiteres fesselndes Element des Films ist die fiktive Figur des Kardinals Lawrence, der trotz strenger Regeln und der drakonischen Konsequenzen, die mit einem Kontakt zur Außenwelt verbunden sind, mutig gegen die Normen verstößt. In der Realität ist dies strengstens verboten, und Regelbrecher würden mit der drastischen Strafe der Exkommunikation bestraft. Hier stellt sich die brennende Frage: Wie viel kreative Freiheit haben Filmemacher oder der Autor Harris, wenn sie historische und religiöse Ereignisse darstellen? Ist es legitim, die Realität so zu verzerren, um Spannung und Dramatik zu erzeugen, oder führt dies zu einer gefährlichen Verfälschung der Wahrheit?
Die Darstellung der Papstwahl als politischer Prozess, in dem sich intrigante Fraktionen bilden und fragile Allianzen geschmiedet werden, ist zwar faszinierend, wirft jedoch ebenfalls kritische Fragen auf. Wie realistisch ist es, dass ein bislang unbekannter Kardinal plötzlich auf der Bildfläche erscheint und an der Wahl teilnimmt? Kirchenrechtler Georg Bier weist darauf hin, dass ein solcher Fall in der Realität kaum denkbar ist, da der Papst in der Regel die Namen der geheim ernannten Kardinäle bekannt gibt.
Trotz dieser Abweichungen gelingt es „Konklave“, eindrucksvolle Bilder zu schaffen, die sowohl die monumentale Opulenz der katholischen Kirche als auch die oft profanen und unheiligen Seiten des Klerus eindringlich zeigen. Die Kombination aus ergreifenden Szenen und modernen Elementen, wie E-Zigaretten und Smartphones, bricht die ehrfurchtgebietende Atmosphäre und offenbart, dass die Realität oft weniger würdevoll ist, als sie scheint.
In Anbetracht der aktuellen Ereignisse im Vatikan und der steigenden Nachfrage nach dem Film stellt sich die drängende Frage: Wie beeinflusst der Film den gesellschaftlichen Blick auf die Papstwahl? Kann der Zuschauer die Darstellungen im Film als kritischen Kommentar zur katholischen Kirche verstehen oder sind sie lediglich ein unterhaltsames Spektakel?
Ich lade die Leser ein, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung zu bilden. „Konklave“ ist nicht nur ein Film über die Wahl eines neuen Papstes, sondern auch ein Spiegelbild unserer eigenen Erwartungen und Vorstellungen von Macht, Glauben.
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