„Das Schlaue Füchslein“ – ein Spiegel menschlicher Seelenzustände?
Auf dem Spielplan der Deutschen Oper in Berlin stand es, das heiter-melancholische Werk um eine schlaue Füchsin. Der „Tschechischer Sommernachtstraum“, der Figuren der Tier- und der Menschenwelt zu einer Allegorie über den Kreislauf von Leben und Tod verknüpft, wurde breits in unserem Seminar „Flanieren durch den Märchenwald durch Herrn Trebitz thematisiert. Die Oper „Das Schlaue Füchslein“ von Leoš Janáček fand nun auch ein anderer Leser des UniWehrsEL nicht nur musikalisch äußerst spannend, sondern setzte das tiefgründige Stück in den Kontext des kommenden Seminarthemas „Anima(l)“ – Tiere als Spiegelbilder menschlicher Seelenzustände.
Liebe Leser des UniWehrsEL,
Betrachten wir zunächst den Werdegang des schlauen Füchsleins von der Zeitung auf die Opernbühne. Die Entstehung von Janáčeks Oper ist eng mit der populären Fortsetzungsgeschichte „Liška Bystrouška“ verbunden, die 1920 in der Brünner Tageszeitung Lidové noviny veröffentlicht wurde. Diese wöchentlich erscheinende Zeitungsgeschichte, die von Rudolf Těsnohlídek verfasst und von Stanislav Lolek illustriert wurde, fand großen Anklang bei den Zeitungslesern. Janáček, der zu diesem Zeitpunkt mit der Fertigstellung seiner Oper „Katja Kabanová“ beschäftigt war, wurde erst durch das Lachen seiner Haushälterin auf die Füchsin aufmerksam. Ihre Begeisterung weckte sein Interesse, und bald darauf kündigte er an, die Story von der Zeitung auf die Opernbühne zu bringen.
Worum geht es im schlauen Füchslein?
Im ersten Akt des Stücks begegnet der Förster im Wald einer neugierigen Füchsin, die er mit nach Hause nimmt. Die Försterin ist wenig erfreut über das neue Tier, und die Füchsin wird von den Försterkindern gequält, was zu ihrer Kettenstrafe führt. Sie nutzt die Gelegenheit, um Chaos unter den Hühnern zu stiften, bevor sie in den Wald flieht. Im zweiten Akt findet die Füchsin einen neuen Unterschlupf im Bau eines Dachses und provoziert ihn, bis er auszieht.
In einer Dorfkneipe diskutieren der Pfarrer und der Förster über ihre persönlichen Probleme, während der Schulmeister unglücklich verliebt ist. Nachts im Wald treffen der Schulmeister und der Pfarrer aufeinander, während der Förster betrunken nach seiner Füchsin sucht. Im dritten Akt verliebt sich die Füchsin in einen jungen Fuchs, und sie heiraten schnell, während die Eule und andere Tiere ihre Beziehung beobachten. Der Förster, der seinen Bekannten Harašta verdächtigt, zu wildern, präpariert eine Falle, die schließlich zur tödlichen Falle für die Füchsin führt. Der Akt endet mit dem Förster, der nostalgisch über seine eigene Vergangenheit nachdenkt.
Emotionale Parallelen zwischen Mensch und Tier
Die Oper zeigt, dass die Emotionen von Tieren oft die gleichen universellen Themen widerspiegeln, die auch Menschen bewegen. Der Wunsch nach Freiheit, Liebe und Sinn im Leben zieht sich durch die gesamte Handlung. Das Füchslein, als Hauptfigur, verkörpert diese Sehnsüchte auf besonders eindringliche Weise. Das Füchslein ist nicht nur ein schelmisches Tier, sondern auch ein Symbol für Unabhängigkeit und den Drang, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Es wird als lebensbejahend und neugierig dargestellt, was es ihm ermöglicht, die Welt um sich herum zu erkunden und seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Diese Eigenschaften machen das Füchslein zu einer Identifikationsfigur für das Publikum, das in ihm den ungestümen Drang nach Freiheit und Selbstverwirklichung erkennt.
Das Füchslein hat eine lebendige Persönlichkeit, die sich in seinem Verhalten und seinen Interaktionen mit anderen Charakteren zeigt. Es ist schlagfertig und gewitzt, was es ihm ermöglicht, sich in einer Welt voller Gefahren und Herausforderungen zu behaupten. Diese Cleverness wird besonders deutlich in der Szene, in der es versucht, die Hühner zu einer Revolution zu bewegen. Hier zeigt sich nicht nur der Humor des Stücks, sondern auch die Fähigkeit des Füchsleins, die Schwächen und Ängste anderer auszunutzen, um seine eigenen Ziele zu erreichen.
Trotz seiner Cleverness ist das Füchslein nicht frei von inneren Konflikten. Es spiegelt die Zerrissenheit wider, die viele Charaktere in der Oper empfinden. Der Drang nach Freiheit steht oft im Widerspruch zu den Erwartungen und Normen der Gesellschaft, die sowohl für Menschen als auch für Tiere gelten. Diese Spannung wird besonders im letzten Akt der Oper spürbar, als das Füchslein stirbt. Der Tod des Füchsleins ist nicht nur ein Verlust für die Tierwelt, sondern auch ein Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens und die universelle Trauer, die mit dem Verlust von Freiheit und Unabhängigkeit einhergeht.
Der Kreislauf des Lebens
Janáček thematisiert in der Oper den Kreislauf des Lebens, der sowohl Menschen als auch Tiere betrifft. Das Füchslein, das für seine Unabhängigkeit kämpft, wird letztlich Teil dieses Kreislaufs. Der Förster, der am Ende der Oper dem Enkel des Frosches begegnet, symbolisiert die Verbindung zwischen den Generationen und die fortwährende Suche nach einem Platz im Leben. Diese emotionale Tiefe wird durch die Musik und die Interaktionen zwischen den Charakteren verstärkt, die die universellen Themen von Verlust, Liebe und dem Streben nach Freiheit eindrucksvoll zum Ausdruck bringen.
Frankfurter Inszenierung von 2016
Die Inszenierung von Leoš Janáčeks „Das Schlaue Füchslein“ an der Oper Frankfurt brachte 2016 die zeitlosen Themen der Oper in einen kritischen Kontext, der die gegenwärtigen Herausforderungen unserer Umwelt reflektiert. Die finale Textzeile „Im Wald fängt das Leben immer neu an“ erhält in einer Welt, die von Wüstenausdehnung, Regenwaldvernichtung und Luftverschmutzung geprägt ist, eine tiefere, fast tragische Bedeutung. Die Regisseurin Ute Engelhardt und ihr kreatives Team haben sich entschieden, Janáčeks Werk nicht nur als eine Hommage an die Natur zu präsentieren, sondern auch als kritische Auseinandersetzung mit der Umweltkrise.
In 2016 gab es mehrere Entwicklungen im Bereich der Umweltkrise. Die Treibhausgasemissionen stiegen erneut an, wobei CO2 den größten Teil ausmachte. Auch die Umweltverschmutzung und die Abholzung der Wälder trugen zu einem beschleunigten Artensterben bei, das größtenteils menschgemacht ist. Deutschland hatte sich zum Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 40% gegenüber 1990 zu reduzieren. Diese Nachrichtenlage griff die Inszenierung thematisch auf und schaffte so eine emotionale Tiefe, die das Publikum zum Nachdenken anregte.
Die pantheistischen Züge der Oper, (dazu auch BR-Chor) die Mensch und Tier in einem harmonischen Gleichgewicht darstellen, werden in dieser Inszenierung durch visuelle und akustische Elemente verstärkt. Die Bühne wird zu einem lebendigen Abbild der Natur, das gleichzeitig ihre Zerbrechlichkeit und Schönheit zeigt. Die eindringlichen Bilder von Zerstörung und Verlust, die durch die Videoeinspielungen von Christina Becker vermittelt werden, schaffen einen eindringlichen Kontrast zu den fröhlichen und schelmischen Momenten des Füchsleins.
Das Füchslein selbst wird in dieser Inszenierung als vielschichtiger Charakter dargestellt, der nicht nur für Cleverness und Unabhängigkeit steht, sondern auch für die Sehnsucht nach Freiheit und die Angst vor Verlust. Diese Emotionen werden durch die kraftvolle Darbietung der Sänger und die einfühlsame Regie von Engelhardt verstärkt. Das Publikum wird Zeuge der inneren Konflikte des Füchsleins, das zwischen dem Drang, seine Freiheit zu leben, und der Bedrohung durch die menschliche Welt hin- und hergerissen ist.
Mainzer Deutung in 2025
In der Mainzer Inszenierung von Erik Raskopfim Juni 2025 wird der Bühnenhintergrund von Christoph Schubiger durch abstrakte Rakelbilder inspiriert vom Künstler Gerhard Richter gestaltet. Diese Bilder laden das Publikum ein, in diese zauberhafte Welt einzutauchen und eigene Interpretationen zu finden. Die impressionistischen, in grün-gelb gehaltenen Lichterdoms eines Waldstücks schaffen eine Atmosphäre, die sowohl die Schönheit als auch die Zerbrechlichkeit der Natur aufzeigen.
Der Zuschauer fragt sich hier, ob er tatsächlich singende Tiere auf der Bühne erlebt? Im Grunde genommen ähnelt Janáčeks Ansatz dem von Gerhard Richter: Es liegt an der Phantasie des Zuschauers, in seinem Kopf zu entscheiden, ob er die Tiere als menschlich wahrnimmt oder nicht. Natürlich sieht der Zuschauer Menschen in bunten Tierkostümen. Die Imagination Janáčeks ist jedenfalls perfekt, wenn es dem Zuschauer gelingt sich in diese märchenhafte Welt einzudenken. Janáčeks Methode ist die Sprechmelodien in die Instrumente zu übertragen. Das hat er auch auf die tierischen Charaktere ausgeweitet.
Die Sängerinnen und Sänger stellen die Tiere nicht nur dar, sie verkörpern sie durch kunstvoll gestaltete Masken. Lediglich die Gruppe der gackernden, eierlegenden Hühner tritt in der Mainzer Inszenierung als spießiges Damenkränzchen mit Handtäschchen auf. Diese „wilden“ Hühner sind die am weitesten domestizierten und ihrer animalischen Natur entfremdeten Arbeiterinnen einer Legebatterie. Selbst die anarchische Füchsin kann sie nicht befreien; sie kann sie nur töten.
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier wird in dieser Inszenierung besonders intensiv beleuchtet. Der Förster, der das Füchslein jagt, wird nicht nur als Antagonist, sondern auch als Spiegelbild der menschlichen Schwächen und Ängste dargestellt. Die emotionale Verbindung zwischen den Charakteren wird durch die Musik Janáčeks, die sowohl Freude als auch Trauer transportiert, eindrucksvoll untermalt.
nsgesamt zeigt „Das Schlaue Füchslein“, wie eng die Emotionen von Menschen und Tieren miteinander verwoben sind. Das Füchslein ist nicht nur ein cleveres Tier, sondern auch ein Symbol für die menschlichen Sehnsüchte und Konflikte, die in jedem von uns wohnen. Die Oper lädt das Publikum ein, über die eigenen Wünsche und Ängste nachzudenken und die Parallelen zwischen der Tierwelt und der menschlichen Erfahrung zu erkennen.
Herzlichen Dank an den Autor und die Bilder auf Pixabay! Danke auch für das Titelbild Bild von Rebecca Plett auf Pixabay
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