Geworben wird für die Oper mit der Ankündigung:“Bereit für ein groteskes Spektakel? Grell, blutig und voller britischem Humor: In Harrison Birtwistles »Punch and Judy« gerät ein Puppenspiel außer Kontrolle. Die Puppe Punch liebt, mordet, singt und stolpert lustvoll durch ein anarchisches Ritual, in dem jede Handlung ebenso absurd wie belanglos erscheint“. Sicher ist, Harrison Birtwistles Oper ist eine derbe und groteske Familientragödie, die für Freunde des typisch schwarzen britischen Humor geeignet ist. Dazu eine Kritik des Kulturbotschafters des UniWehrsEL.
Liebe Lesende des UniWehrsEL,

Benjamin Britten kennen wir bereits aus dem „Interdisziplinären Gespräch „Das Meer und das Hören„. Die Geschichte von einem Außenseiter namens „Peter Grimes“ und seinem gesellschaftlich verursachten Ende, ist faszinierend vieldeutig und eng verbunden mit der von Benjamin Britten. Der britische 1913 in Lowestoff, Suffolk geborene und 1976 in Aldeburgh, Suffolk gestorbene Edward Benjamin Britten war ein britischer Komponist, Dirigent und Pianist. Britten erlebte sowohl Akzeptanz als auch „inquisatorischen“ Zugriff gegen seine Homosexualität. Nun greift Britten mit Punch and Judy Figuren auf, die dem traditionellen englischen Puppenspiel entstammen. Der Titelheld Punch ist ein englischer Kasperl, der seine Wurzeln im italienischen Handpuppentheater hat.
Die Oper Punch and Judy lässt sich besonders gut im Kontext des Seminars „Puppen als Seelenverwandte“ verstehen, weil Marionetten nicht nur als Spielzeug, sondern als Spiegelbilder innerer menschlicher Konflikte verstanden werden können.

Gerade im Kontext der Beiträge zu Marionetten (geschrieben von Heiner Schwens), ist es mir ein besonderes Anliegen, die Oper Judy und Punch dem Leser näherzubringen.
Punch and Judy startet auf dramatische Weise: Punch wiegt sein Baby in den Schlaf. Danach bringt Punch das Baby und seine Frau Judy um. Denn Punch ist der Schönheit von Pretty Polly verfallen. Er singt ihr ein Liebeslied und wird trotzdem abgewiesen. Punch nutzt seine Wut über die Zurückweisung für weitere Mordtaten: Der Anwalt, der das Recht vertreten soll, fällt dem Mörder Punch zum Opfer. Ebenso der Arzt, der Punch helfen will. Punch will kein Recht. Er will Anarchie.
Schließlich tötet Punch den Puppenspieler und überlistet seinen Henker, der sich anstelle von Punch selbst hinrichtet. Jede Tat von Punch wirkt erschreckend real, aber auch seltsam absurd. Eine Wahrsagerin prophezeit ihm eine Zukunft mit Polly als seiner Braut. Er liebt Polly abgöttisch, dennoch weist sie ihn zurück; hält Punch den Spiegel vor und bleibt dennoch als einzige Person von Punchs Mordserie verschont.
Zum Schluss kehrt Punch ins Theater zurück, als hätte die Mordserie nie stattgefunden. Alles entpuppt sich als Bühnenspiel. Die Puppe Punch hat ein Eigenleben geführt und kehrt ins Theater zurück. Punch kehrt am Ende freiwillig ins Puppenspiel zurück – sein selbstgewähltes Gefängnis. Denn das Puppenspiel verleiht Punch eine Bedeutung.
Das Libretto zu Punch and Judy lieferte Pruslin. Für die Story sollte die klassische englische Puppenfigur Punch als Grundlage verwendet werden. Die Erzählung behandelt jedoch die Themen Gewalt, Tod und Wiederholung. Das Libretto ist komprimiert, poetisch und rätselhaft. Der Komponist und sein Librettist legen in Punch and Judy die Prämisse zugrunde, dass die Welt der Puppen und Marionetten realer sein kann als die tatsächliche Welt.

Der Clou der Aufführung ist, dass die „Puppen“ von echten Menschen aus Fleisch und Blut dargestellt werden. Der kinoaffine Zuschauer denkt dabei sofort an das Horror‑Subgenre der Splatter Movies (dazu auch unser Beitrag um „Urban legends„). Das Bühnenbild zeigt einen heruntergekommenen Jahrmarkt; an einer schäbigen Bude hängt ein Schild, das die nächste Vorstellung des Puppentheaters ankündigt.
Man muss diesen Humor schon schätzen, denn es

ist schon krass, wenn Punch sein Baby mit einem schrägen Wiegenlied zum Schlafen zu bringen versucht und es dabei in einen Fleischwolf packt. Das Baby wird zu Würsten verarbeitet, die Punch seiner Frau Judy serviert. Judy wird mit einem Messer ermordet, der Arzt mit seiner Spritze, der Rechtsanwalt mit seiner eigenen Schreibfeder.
Danke für den Beitrag und Image by Wolfgang Eckert from Pixabay
