Interdisziplinäres Gespräch zum Thema „Das Meer und das Hören“ am Mittwoch, den 15. 12. 21, Beginn 14:15 – Ende 16:30 per Zoom
Bereits im letzten Semester haben Frau Dr. Angelika Stieß-Westermann und Frau Dr. Elke Wehrs eine zu ihren jeweiligen Semesterangeboten passende, interdisziplinäre Veranstaltung angeboten. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung stand „Das Böse und Der Ehrgeiz am Beispiel des infamen Souveräns Richard III“.
Auf vielfachen Wunsch möchten wir diese Veranstaltungsreihe der interdisziplinären Gespräche auch in diesem Semester fortführen. Diesmal werden „Das Meer und Das Hören“ am Beispiel des Fischers Peter Grimes“ übergreifend im Fokus stehen.
Wir haben festgestellt, dass es zwischen den Themengebieten des Hörens und dem des Meeres viele Überschneidungen gibt. Das Meer mit Ebbe und Flut, mit Sturm und Ruhe, kann metaphorisch als Analogie des menschlichen Daseins betrachtet und seine Geräusche entsprechend vertont werden. Meeres- oder Wellenrauschen gehören zu den beliebtesten Geräuschen des Menschen, regen zum Träumen und Erzählen an.
Lesen Sie dazu bitte unseren Ankündigungstext
Das Meer und das Hören – eine Analogie
Das Meer und das Element Wasser stellen seit jeher Impulsgeber für Kulturschaffende in jeder Richtung dar. Als Spiegel der unergründlichen Seele spielt diese Metapher auch in der Psychologie eine große Rolle. Die Wahrnehmung von Meeresgeräuschen stellt einen reichen Fundus an tiefgreifenden Auswirkungen auf unsere körperliche und seelische Gesundheit dar.
In dieser Veranstaltung wollen wir dieses Thema aus kulturanthropologischer und sinnespsychologischer Perspektive anhand einer der berühmtesten Vertonungen von Meeresstimmungen von B. Britten in der der Oper „Peter Grimes vertiefen. Mit Hörbeispielen und Anregungen zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Thema möchten wir Ihnen die besprochenen Inhalte näherbringen und erfahrbar machen.
Auf Ihre Teilnahme freuen sich
Dr. Angelika Stieß-Westermann
Dr. Elke Wehrs
Diese Veranstaltung ist nicht an die Teilnahme im Seminar gebunden. Bei Interesse nehmen Sie bitte über das Kontaktformular mit mir Verbindung auf!
Meer und Mehrwert durch „Peter Grimes“
Die Geschichte von einem Außenseiter namens „Peter Grimes“ und seinem gesellschaftlich verursachten Ende, ist faszinierend vieldeutig und eng verbunden mit der von Benjamin Britten. Der britische 1913 in Lowestoff, Suffolk geborene und 1976 in Aldeburgh, Suffolk gestorbene Edward Benjamin Britten war ein britischer Komponist, Dirigent und Pianist. Britten erlebte sowohl Akzeptanz als auch „inquisatorischen“ Zugriff gegen seine Homosexualität. Verschlüsselt bringt er es auf die Bühne und landet damit einen großen Wurf. Gerichtet an Peter Pears, seinem Lebenspartner, wird es zu einem der erfolgreichsten Musikwerke des 20. Jahrhunderts – die Oper „Peter Grimes“.
Von Regisseur Christopher Loy 2015 als „prononciertes Schwulendrama“ (Walter Weidringer, diepresse.com) gedeutet – aufgrund des Bühnenbildes: Peter Grimes Bett steht an der Kippe, ragt beängstigend weit in den Orchestergraben hinaus – entsteht metaphorisch das Bild einer vom ständigen Absturz gefährdeten Existenz am Rande der Gesellschaft.
Der Musikpublizist Frieder Reininghaus hat diese Inszenierung Loys ebenfalls kommentiert. Unter dem Titel „Meer und Mehrwert – Christof Loy präsentiert Brittens „Peter Grimes“ im Theater an der Wien“ zieht er Parallelen zu dem Küstenstädtchen Aldeburgh in Suffolk. Dem Besucher böte sich dort auch 2015 noch trotz Deichbaumaßnahmen eine zur Hälfte von der Nordsee weggespülte Ortschaft. Aldeburgh habe eine kräftige Touristifizierung erfahren, nicht zuletzt durch das von Benjamin Britten und Peter Pears 1948 ins Leben gerufene Musik-Festival.
Was an Resten der Zeiten des harten Fischerlebens noch zu sehen sei, wäre Landarmut, kleinstädtische Enge und ruinierte Boote. Fernab höherer Bildungseinrichtungen, mit reichlich Getränkekonsum und Klatsch und Tratsch beginnt hier die Existenz des Fischers „Peter Grimes“. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts von George Crabbe dem britischen „Dichter der einfachen Leute vom Lande“ erschaffen, sehnte sich der missmutige Einzelgänger Peter Grimes nach einem besseren Leben.
Der Kurzinhalt: Der Fischer Peter Grimes steht vor Gericht, da sein Lehrjunge ums Leben gekommen ist. Der Vorfall wird als Unfall bewertet, die Dorfgemeinde verurteilt Peter Grimes aber trotzdem als Mörder. Nur die Lehrerin Ellen Orford hält zu ihm. Ein neuer Lehrjunge kommt in Peter Grimes Obhut. Ellen kümmert sich um ihn und entdeckt an ihm Spuren der Misshandlung durch Peter Grimes. Als sie ihn zur Rede stellt, gibt er die Misshandlung zu und holt den Jungen ab, um mit ihm in See zu stechen. Beim Klettern von einer steilen Klippe stürzt der Junge und stirbt. Die Bewohner suchen nach Grimes, von dem seit zwei Tagen jede Spur fehlt und wollen ihn bestrafen. Grimes folgt Kapitän Balstrodes Aufforderung und fährt mit seinem Boot aufs Meer um sich umzubringen.
Britten war von George Crabbes Erzählung über den Fischer Peter Grimes fasziniert. Als Nonkonformist konnte sich Britten, genau wie sein Lebenspartner der britische Opernsänger Sir Peter Neville Luard Pears, gut in die Rolle des Außenseiters und in die Lebenswelt der Menschen vom Schlage Peter Grimes versetzen. Die Landschaft, die ihn geprägt hat, ohne Strom, der rauen Natur und den Gezeiten ausgesetzt, ohne Hoffnung im täglichen Allerlei der mühseligen Arbeit. Die Welt der Kleinbürger von „Borough“ (Bezirk, Gemeinde), in der Oper ein kleines Fischerstädtchen an der Ostküste Englands in der “Peter Grimes“ 1830 die Hauptrolle spielt, war gesellschaftliche Realität.
Kleinbürgerliche Ablehnung erfuhren auch noch 1945 nach der Uraufführung in „Sadler’s Wells Theater in London“ Britten und Pears. Ihre Oper wurde im schwulenfeindlichen Londoner Kulturbetrieb eher zwiespältig aufgenommen. Die Ablehnung führte zum Rückzug nach Aldeburgh.
Aldeburgh war auch 2019 erste Adresse unter den Musikfestivals. Britten starb dort 1976. Von der deutschen Avantgarde und der damit verbundenen Publizistik mit Verachtung gestraft, galt er später auf der Insel als Jahrhundertfigur (beckmesser.info 2019). In Aldeburgh scheint Brittens Strahlkraft ungebrochen.