Du betrachtest gerade <strong>Die Verschwörungsgroteske „Bugonia“ – eine Kritik</strong>

Man stelle sich vor, Ken Jebsen will Angela Merkel entführen, um aus ihr die „Wahrheit“ herauszupressen. Das klingt absurd, entspricht aber in etwa dem Plot des Films „Bugonia“, der in Frankfurt zur Zeit in den Arthouse Kinos läuft. Der Vergleich hinkt natürlich. Im Film Bugonia gibt es einen Verschwörungsideologen – und das ist ja Jebsen nach eigenen Angaben gewiss nicht, – und dessen Opfer Michelle Fuller (Emma Stone), – analog in unserem Gedankenexperiment „die Merkel“. Diese ist nicht nur Konzernchefin, sondern zudem noch eine Außerirdische mit dem Plan, die Erde zu zerstören. Giorgos Lanthimos hat den südkoreanischen Kultfilm „Save the Green Planet!“ ins gegenwärtige Amerika verlagert und neu interpretiert.

Sein Filmtitel „Bugonia“, altgriechisch für „Ochsengeburt“, bezieht sich auf den Glauben der Menschen in der Antike, Bienen würden von selbst aus den Kadavern von Rindern entstehen. „Bugonia“ setzt sich aus den Wörtern „βοῦς“ (Ochse) und „γονή“ (Nachkommenschaft) zusammen, was wörtlich „Ochsengeburt“ oder „aus dem Rind geboren“ bedeutet. Bugonie, die ausführliche und stark idealisierende Schilderung des Bienenstaates in Georgica, diente Vergil als Gleichnis für die Herrschaft seines Dienstherrn Augustus. In Joon-hwans Film „Bugonia“ wird Kommissar Choo von Byeong-gus Hausbienen getötet, zerhackt und dem Hund zum Fraß vorgeworfen. Mythos oder Verschwörungstheorie?

Der Regisseur Yorgos Lanthimos greift die Idee auf und zeigt eine bitterböse Satire über eine Medizin-Unternehmerin, die letztlich Schuld sein soll, wenn die Arbeiterklasse untergeht. Elite und Macht sind in dieser Herrscherin vereint, glaubt zumindest der heruntergekommene Arbeiter Teddy. Seine Theorie lässt sich verstehen, wenn man ihn gleich zu Beginn des Films in Imkermontur gekleidet sieht. Seinem liebenswürdig-naiven Cousin Don (Aidan Delbis), erklärt er seine Weltsicht. Bienen müssen die Pollen für ihre Königin sammeln und sterben, das sei von „denen“ so geplant. Darunter seien Aliens aus der Andromeda-Galaxie zu verstehen, deren unheilbringende, aber in eine menschliche Gestalt gehüllte Außerirdische die Geschäftsführerin eines mächtigen Pharmakonzerns Michelle Fuller sei. Don und Teddy müssten diesen Plan des Untergangs der Erde durchkreuzen und sie aus diesem Grund entführen.  

Hat schon „Poor Things“, in seiner farbgewaltigen Frankenstein-Parodie gesellschaftliche Erwartungen und Schamgefühle zugunsten einer gedachten Freiheit eliminiert, so führt „Bugonia“ Gewaltexzesse und Entmenschlichung ad absurdum. Da ja die entführte Konzernchefin in Wirklichkeit ein Alien ist, kann man ihre geplante Machtübernahme nur durch Erniedrigung und das Zufügen von Schmerzen austreiben. Das ihr unterstellte grenzenlose Machterleben, kehrt Teddy in Projektion um, einem zentralen Abwehrmechanismus, der unbewußten Übertragung von Affekten und Impulsen auf ein Gegenüber. Projektion meint, Anteile des eigenen Selbst werden in einer mit Affekten und Wünschen einhergehenden Interaktion dem Interaktionspartner unterstellt – in der festen Überzeugung, dieser sei so, wie man ihn wahrnehme.

Michelle Fuller (Emma Stone) zeigt sich auch nach ihrer Entführung, dem Kahlschneiden, damit ‚das Mutterschiff‘ sie nicht orten kann, und dem Festbinden im Untergrund des einsamen Hauses, als den beiden Männern überlegen. Kammerspielartig entwickelt sich die Geschichte um Macht und Ohnmacht.

 „Bugonia“ beruht auf dem südkoreanischen Film „Save the Green Planet!“ (2003). Seine Grundidee die der Drehbuchautor Will Tracy („The Menu“) in eine Gegenwart überträgt, dreht sich um immer weiter wachsende Konzernmacht, um vagabundierende Angst vor Aliens, ähnlich Elon Musk und andere Silicon-Valley-Gestalten, deren Hybris bisweilen so erscheint, als kämen sie von einem anderen Stern. Diese Idee klingt einleuchtend, tritt aber im Kontext des „physischen Spektakels“, des Folterns und Malträtierens, wie es die taz formuliert, leider in den Hintergrund.

Während in „Poor Things“ die absurde Komik, die großartige darstellerische Leistung der Schauspieler amüsiert, nicht zuletzt weil der Kameramann Robby Ryan mit beeindruckenden Bildern jonglierte, verkommt in „Bugonia“, trotz beeindruckender Leistung der Hauptdarsteller, die Brutalität zum Selbstzweck. Die Psychologie eines Menschen wie Teddy, der seine Mutter an die medizinischen Versuche verliert und darum nichts Menschliches in Konzernchefs erkennen kann, die Gutgläubigkeit eines gesellschaftlichen Verlierers wie Don, der verzweifelt, weil er nicht versteht, wem er noch vertrauen kann, wäre ein gutes Mittel gewesen, darzustellen, warum Menschen den Glauben an geheime Mächte in ihren Lebensmittelpunkt stellen.

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:11. November 2025
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