Du betrachtest gerade Insa Fooken: Einstieg Donnerstag Seminar „Von Puppen und Menschen“ – eine Spurensuche

Im Donnerstag-Seminar im Wintersemester 2025/26 wird sich alles um Puppen und Menschen im weiteren Sinne drehen. Grundlegend sind dabei für unser Seminar die Forschungen von Prof. Dr. Insa Fooken. Sie versteht Puppen als Werkzeuge, die Spielräume für Selbst- und Fremdverstehen schaffen, gerade weil diese ‚wie Mensch‘ und doch anders sind und somit zwischen toter Materie und Lebendigwerden durch menschliche Vorstellungskraft changieren. Dabei kommen Thematiken wie  Selbstregulation und Gestaltung von Miteinander, Perspektivenübernahme, Einfühlung, Mitgefühl, gemeinsames Handeln zum Tragen. Für Insa Fooken gewinnen die Mensch-Puppen-Interaktionen als Dialoge in einem „Als-ob-Spiel“ Bedeutung, die therapeutisch betrachtet, blockierte Zugänge zu sich und anderen öffnen können. Ein weiteres Potential der Puppe(n) liegt im Medium Kunst und Literatur,  um sich selbst und andere besser zu verstehen.

Die Diplompsychologin Insa Fooken hat sowohl Erfahrungen im klinisch-psychologischen Bereich, als auch in der Forschung über Alternsprozesse, die sie in der Bonner gerontologischen Längsschnittstudie erwarb. Sie promovierte über „Frauen im Alter“ und lehrte an der Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der Universität Bonn; von 1992-2013 war sie Professorin für Entwicklungspsychologe (der Lebensspanne) an der Universität Siegen und von 2014-2020 Seniorprofessorin an der Frankfurter Goethe Universität. Fooken hat zahlreiche Veröffentlichungen über ihre Forschungen geschrieben.

Im Magazin „The Inquisite Mind“, einem ehrenamtlichen Projekt der Wissenschaftskommunikation, beschreibt Fooken ihre Gedanken zu  „Denkste, Puppe! Zur Rolle von Puppen beim (besseren) Verstehen anderer“ , Grundlage unseres Winterseminars über Puppen und Menschen als Seelenverwandte.

Die Psychologin stellt darin Fragen, was eigentlich eine Puppe sei? Kinderspielzeug? Ersatzobjekt? Doppelgänger? Und beantwortet dies mit: „Ein unbelebtes, menschenähnliches Ding, ein Artefakt, das durch Vorstellungskraft zum Leben erweckt und damit zu einem Werkzeug wird, sich und die soziale Welt zu entdecken“.

Aber welchen wissenschaftlichen Wert habe ein solches Wesen, das zwischen toter Materie und Menschsein changiere, wenn es um ein besseres Verstehen von anderen gehe? Ihre These dazu gründet auf den Aussagen des Psychologen und Neurowissenschaftlers Michael Tomasello (Mensch werden. Eine Theorie der Ontogenese), die lautet, Puppen, als von Menschen geschaffene Werkzeuge förderten geteilte Intentionalität, die als grundlegende menschliche Fähigkeit und Bereitschaft gelte, Vorstellungen und Absichten mit anderen Menschen zu teilen zu wollen und mit ihnen zu kooperieren (Tomasello, 2020).

Zum Stellenwert von Puppen gäbe es viele offene Fragen. So diskutiere man in der empirischen Entwicklungspsychologie zur kognitiven und sozio-emotionalen Entwicklung aktuell darüber, was es für Kinder bedeutet, wenn (Hand-)Puppen als wichtige ‚Akteure‘ im Forschungslabor mitspielen würden. Gehe es um Puppentheater mit eigener Dramaturgie? Ein Einlassen der Kinder mit Puppen und ihrem  ‚Verhalten‘.  Wie gültig sei dies für Situationen mit ‚echten Menschen‘ außerhalb des Labors?  (Revencu & Csibra, 2020).

Revencu und Csibra forschen in „For 19-Month-Olds, What Happens On-Screen Stays On-Screenüber Animationen, externe Darstellungen wie Zeichnungen, Karten und Animationen, die in der Säuglingsforschung häufig verwendet werden, obwohl wenig darüber bekannt sei, wie Kleinkinder sie interpretieren. In dieser ihrer Studie gingen sie der Frage nach, ob 19 Monate alte Kinder das, was sie auf einem Bildschirm sehen, als hier und jetzt geschehend betrachten oder ob sie glauben, dass die Ereignisse auf dem Bildschirm von der unmittelbaren Umgebung entkoppelt sind. 19 Monate alte Kinder lehnen das sognannte „Animation-Realität-Crossover“ ab, akzeptieren aber die Darstellung derselben animierten Umgebung auf mehreren Bildschirmen. Diese Ergebnisse decken sich mit der Annahme, dass 19 Monate alte Kinder Animationen als externe Repräsentationen interpretieren.

Aus diesen und anderen Forschungen geht hervor, dass es beim Thema „Puppen“ nicht nur ums Spielen und ‚so-tun-als-ob‘ geht. Vielmehr entstehe im ‚als-ob‘-Modus ein einzigartiger Spiel- und Beziehungsraum, in dem geübt, gelernt und Verantwortung übernommen würde.  Nicht von ungefähr gelte das frühe Als-ob-Spiel als ‚Wiege‘ von Fiktion, Literatur und (darstellender) Kunst (Rakoczy, 2009).

Hannes Rakocczy beschreibt als was „Theory of mind“ in der Kognitionswissenschaft verstanden wird. Es gehe um die Fähigkeit, anderen und sich selbst mentale Zustände zuzuschreiben (angefangen bei Empfindungen wie etwa Schmerzen bis hin zu hochstufigen Überzeugungen wie ›S glaubt, dass A hofft, dass B wünscht, dass p.‹) und damit Handlungen vorherzusagen und zu erklären. Die theory-of-mind-Fähigkeiten ermöglichen, uns und andere als psychische bzw. geistbegabte Lebewesen wahrzunehmen.

Auch auf Winnicott greift Fooken zurück. Der räumt der Puppe in spielerischen ‚als-ob‘-Räumen auch die Funktion eines Übergangsobjekts (Winnicott, 1973) ein. Auf kreative Weise würde der Übergang bzw. die Verbindung zwischen eigenen inneren Bedürfnissen und der sozialen Außenwelt hergestellt.

Der britische Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald W. Winnicott bezeichnete die besonderen Begleiter der Kinder bereits in den 1950er Jahren als Übergangsobjekte. Dabei nannte er Phänomene wie das Daumenlutschen oder Saugen an Stoffzipfeln, das Zupfen an verschiedenen Körperteilen und ähnliche Verhaltensweisen „Übergangsphänomene“, die der  Affektregulation (Umgang mit negativen Emotionen) und der Abwehr von Ängsten dienten (dazu auch unser Beitrag im UniWehrsEL „Kindern Angst nehmen und Schmerzen lindern“).

Zusammenfassend lässt sich sagen: Unser Seminar wird weit über das reine kindliche Spiel mit Puppen hinausgehen, was für einige von uns (meine Assoziation „Ich will doch nur spielen“, frei nach Annette Louisan) bedeutet wie Fooken es deklariert: „das frühe Als-Ob-Spiel als ‚Wiege‘ von Fiktion, Literatur und (darstellender) Kunst gilt“.

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