Du betrachtest gerade Lesung von Dieter Borchmeyer über Thomas Mann im Literaturhaus Darmstadt

Warum ist Thomas Mann so faszinierend und begeistert Leser rund um den Globus? Was ist seine Aktualität und seine politische Haltung? Wäre Thomas Mann ein guter Bundespräsident, da er ein großer Redner war? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Dieter Borchmeyer in seiner Lesung am 13. Mai 2025 im Literaturhaus Darmstadt, in der er das Werk des Nobelpreisträgers Thomas Mann beleuchtete. Zum Thomas Mann Jahr 2025 hat Borchmeyer nun ein 1.500 Seiten starkes Buch über das Werk von Thomas Mann verfasst. Es ist das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Autor.

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Dieter Borchmeyer, geboren 1941, ist Professor emeritus an der Universität Heidelberg, war Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und lehrt im Rahmen der Stiftungsdozentur Heidelberger Vorträge zur Kulturtheorie weiterhin an der Universität Heidelberg. In einem anregenden Gespräch mit dem Moderator und Literaturkritiker Martin Maria Schwarz präsentierte Borchmeyer seine umfassende Monographie „Thomas Mann: Werk und Zeit“, die als erste ihrer Art beworben wird. Der Verlag bewirbt das Buch mit der Behauptung auf dem Umschlag, es sei die erste umfassende Werkmonographie, was zwar eine charmante Übertreibung darstellt, jedoch die Bedeutung von Borchmeyers Arbeit unterstreicht. Dieser ist ein großer Thomas Mann-Kenner.

Dieter Borchmeyer ist ein sehr charmanter Gesprächspartner, der vor Begeisterung für Thomas Manns Werk sprüht. Den Klappentext mit der Behauptung des Verlags die als erste ihrer Art zu sein,  nahm der Moderator Schwarz als ein willkommenen Einstieg ins launische Gespräch mit Borchmeyer an, der mit einer Richard Wagner Tasche zum Literaturhaus Darmstadt gekommen ist. Diese Anspielung darauf, dass er zu Richard Wagners 200. Geburtstag in 2013 eine große Wagner-Biographie herausgegeben hat, verdeutlicht die Verbindung zwischen den beiden Giganten der Kulturgeschichte. Wagner ist in der Musik ebenso ein Gigant wie Thomas Mann in der Literatur.

Das Buch will jedoch keine Thomas Mann Biographie herausbringen, sondern Borchmeyer wirft einen Blick auf die Romane, Erzählungen und Essays. Dabei knüpft er auch an das Gespräch mit Hanjo Kresting über den „Zauberberg“ an. Borchmeyer verweist darauf, dass Thomas Manns „Zauberberg“ bei seinem Erscheinen 1924 ein maßgeblicher Repräsentant der Moderne war. Zu diesem Zeitpunkt waren bedeutende Werke anderer Schriftsteller wie Kafkas „Der Prozess“ und „Das Schloss“, Döblins „Berlin Alexanderplatz“ oder Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ noch nicht erschienen. Dem deutschen Leser waren auch „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Proust und „Ulysses“ von Joyce noch nicht bekannt, da die deutsche Übersetzung erst 1927 erschien. Der „Zauberberg“ hatte also beim Erscheinen 1924 ein Alleinstellungsmerkmal.

Thomas Mann arbeitete rund 16 Jahre lang an „Joseph und seinen Brüdern“. Bei seiner Arbeit drang Mann tief in die jüdische Welt des Alten Testaments ein und bediente sich auch Quellen aus dem Koran. Besonders hervorgehoben im Gespräch hat Borchmeyer seine neu herausgegebene kommentierte Frankfurter Ausgabe von Manns Tetralogie „Joseph und seine Brüder“, die einen persönlichen Schwerpunkt in seinem Vortrag einnimmt. Borchmeyer empfiehlt nicht ganz uneigennützig, sich diese Ausgabe auf eine Reise, zum Beispiel ins exotische Bali, mitzunehmen, um sich von der Sprachgewalt Thomas Manns überzeugen zu lassen.

Borchmeyer schildert die 14 harten Jahre im Exil in Amerika. Nach einer Zwischenstation in der Schweiz siedelte die Familie 1938 in die USA über. Thomas Mann verlor seine deutsche Staatsbürgerschaft und die Manns blieben bis 1952 in den USA. In zahlreichen Tagebucheinträgen lässt sich nachvollziehen, wie schwer sich Thomas Mann in Amerika tat und wie tief seine Ablehnung der Nazis war.

In dem Gespräch hat Borchmeyer aus aktuellem Anlass – der Wahl eines neuen Papstes Leo XIV– einen Text aus seinem Buch über „Der Erwählte“ von Thomas Mann mitgebracht. Dabei schildert Borchmeyer eine Szene aus dem Roman „Der Erwählte“ und stellt sie mit Tagebucheinträgen von Thomas Mann gegenüber, die dieser aufgrund seines Treffens mit Papst Pius X. am 10. Dezember 1929 in Rom verfasste. Dabei war Thomas Mann evangelisch. War Thomas Mann ein religiöser Dichter? Die eigene Religiosität kommt in Thomas Manns Werk nur indirekt in den Blick (weiterführend auch unser Beitrag zum „Vatikan-Drama“).

Dennoch arbeitet der Autor mit religiösen Zeichen, Bildern, Begriffen und Mythen aus der Religion, zum Beispiel in „Buddenbrooks“, wo sich der Autor auf ironisch-distanzierte Art zur bürgerlichen Religion äußert. Der Musikkritiker blitzt bei Borchmeyer an einer Stelle aber dennoch auf als er über Thomas Mann und seine Beschäftigung mit der Oper Palestrina von Hans Pfizner berichtet, diese hat auch Einfluss auf das Buch der Erwählte.

In der Oper „Palestrina“ kommt es zu einem großen Dialog zwischen dem Pabst und dem Komponisten Palestrina. Die Oper thematisiert die Beziehung zwischen Musik und Religion. Der Pabst ist der Vertreter des Glaubens, während Palestrina als Künstler für die Kreativität des Menschen steht. Dieser Dialog spiegelt die Frage wider, inwieweit die Kunst, vertreten durch Palestrina, in der Lage ist, die spirituellen Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen und gleichzeitig die Traditionen der Kirche zu bewahren.

Wenn Sie sich für die faszinierende Welt von Thomas Mann interessieren oder einfach nur auf der Suche nach einer tiefgehenden literarischen Auseinandersetzung sind, dann ist Dieter Borchmeyers „Thomas Mann: Werk und Zeit“ genau das richtige Buch für Sie! Borchmeyer, ein leidenschaftlicher Kenner und Bewunderer Manns, nimmt Sie mit auf eine spannende Reise durch das Werk des Nobelpreisträgers.

Um einen Kommentar bittet Sie der Kulturbotschafter des UniWehrsEL, dem wir wieder einmal ganz herzlich für seinen interessanten Beitrag danken wollen!

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  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:25. Mai 2025
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