Angekündigt als Screwball-Komödie und Historiendrama beleuchtet Peter Jordans rasante Komödie „Marie-Antoinette oder Kuchen für Alle“ „schwarzhumorig und in einem alternativen Historienverlauf die Hintergründe der Französischen Revolution und schießt bitterböse Zeitpfeile in die Gegenwart.“ Ein Leser des UniWehrsEL möchte seine Eindrücke von Peter Jordans und Leonhard Koppelmanns neuer schwarzer Komödie schildern, die ihn vor allem durch eine, wie lebendig erscheinende Puppe – im Zentrum Marie Antoinette – besticht. Er habe dieses Gastspiel vom Theater am Kurfürstendamm im Kurtheater Bad Kissingen gesehen und festgestellt: „Statt der üblichen historischen Figuren steht hier ein puppenhaftes Aussehen, ein künstliches Sprechen und prächtige Kostüme im Vordergrund – ein fast surrealer Kontrast zu den eigentlichen Königen.“
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die Bühne ist eine Fotowand von Versailles, die mit Säulen, Spiegeln und Putten die Illusion einer königlichen Residenz erzeugt. In dieser Versailles-Filterblase leben die Ex‑König‑ und Königin‑Puppen völlig weltfremd, während das hungrige Volk draußen ist. Das Paar hört das Volk durch nur ein geschlossenes Fenster. Die beiden letzten Diener bedienen die Puppenherrscher, doch immer wieder tauchen ehemalige Weggefährten auf, um alte Intrigen zu spinnen – natürlich mit dem altbekannten Stereotyp, dass „die Juden und die Freimaurer“ an der Situation des Herrscherpaars schuld seien.
Ein besonders prägnanter Moment ist der O-Ton von Louis: „Das Volk wird betrogen! Bei uns war immer klar, von wem, und jetzt ist es einfach nur – komplizierter!“ Dieser Satz verdeutlicht, wie die Herrscher wie Puppen, obwohl in Turmperücken, Jabots und auslandenden Kleidern ausstaffiert sind, die Demokratie als nur als abstraktes Konzept wahrnimmt.

Die Halsbandaffäre aus den Musketier-Romanen fungiert als Running Gag, und Philipp Hagen, als letztes Mitglied des königlichen Orchesters, verwebt musikalisch ironisch‑gefärbte Klangstücke von „Schöner blauer Donau“ bis zur französischen Version von „My Way“. Nach der Pause verlieren die Puppe‑Figuren plötzlich ihre Machtinsignien, tragen nur noch Unterwäsche und wirken plötzlich sehr volksnah – ein überraschender Schock, der die Absurdität der gesamten Situation unterstreicht.
In Paris herrscht Revolution, im Palast von Versailles hingegen echte Ratlosigkeit. Während draußen das Volk wütend demonstriert, warten drinnen Marie‑Antoinette und ihr Mann, König Ludwig XVI., seit nunmehr 15 Jahren auf ihre Hinrichtung. Das entspricht nicht der Realität, sondern ist eine Anspielung auf die heutige Zeit bei der das Volk den Eindruck hat, dass das (Deutsch)Land in einer Art Starre verharrt. ( Mehr über Versaille erfahren Sie auch im Beitrag zu Jeanne du Barry im UniWehrsEL)

Die Sache zieht sich, weil bürokratische Hürden, Streit in der neuen Regierung und vor allem massive Machtkämpfe unter den Anführern des Aufstands die eigentliche Vollstreckung immer wieder verzögern. Ludwig XVI. versucht, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: Er hat für sich und seine Frau eine neumodische Guillotine gebaut. Leider hat die Maschine einen Konstruktionsfehler. Beim naiven Ausprobieren des Geräts werden nun versehentlich Leichen produziert, die gar nicht vorgesehen waren.
Diese groteske Erfindung unterstreicht das puppenhafte Bild der Monarchen – sie wirken wie Spielzeug, das von den eigenen Fehlkonstruktionen zerquetscht wird.
Parallel dazu kocht die bereits genannte Halsbandaffäre wieder hoch. Die uralte Intrige, bei der niemand mehr durchschaut, wer wen warum austricksen will, sorgt für etwas Abwechslung für die ansonsten sehr gelangweilten Monarchen. Sie warten auf eigenen Tod oder zumindest auf etwas Action im tristen Alltag im Palast.

Jede Abwechslung ist dem gelangweilten Herrscherpaar, dass auf seine Hinrichtung wartet sehr willkommen. So wird auch plötzlich ein gewisser Napoleon, ein neunjähriger Knabe und kleiner Wicht von der Königin begrüßt, wie alle Gäste verfolgt auch Napoleon seine eigene Agenda. Sein Auftritt wirft ein weiteres Licht auf diese künstliche Welt: Selbst die großen historischen Figuren werden zu Figuren auf einer Bühne, deren Bewegungen und Dialoge von außen gesteuert scheinen.
Das Seminar Puppen als Seelenverwandte liefert den passenden Rahmen, um das Stück als Spiegel unserer Gegenwart zu lesen. Im Zentrum steht die Schauspielerin Anna Thalbach, die als Marie‑Antoinette die Hauptrolle verkörpert. Simon Alexander spielt einen wehleidigen König, der ohne seine vorwitzige Frau leicht in Verzweiflung versinken könnte. Beide Figuren wirken wie lebendige Puppen, deren glänzende Kostüme und kunstvolles Sprechen die Leere hinter der Fassade verbergen.
Die Satire zeigt, dass das Volk heute – wie damals – von seinen Herrschern betrogen werden will, weil die Illusion von Macht und Luxus verführerischer ist als die harte Realität. Der Stillstand der Monarchen, die seit 15 Jahren auf ihre Hinrichtung warten, spiegelt den modernen Stillstand in vielen Gesellschaften wider: politischer Stillstand, wirtschaftliche Stagnation und das Gefühl, in einer endlosen Warteschleife gefangen zu sein. Die Langeweile und Einsamkeit der Reichen, die in ihrer Versaille‑Filterblase verharren, finden ein Echo in der heutigen Elite, die sich in exklusiven Netzwerken verliert, während die Dienerschaft abgehetzt bleibt, um den Glanz aufrechtzuerhalten.
Die Guillotine, die während der Französischen Revolution eingeführt wurde, erscheint im Stück sowohl als ständige Bedrohung als auch als Witz. Sie erinnert daran, dass jede scheinbare Sicherheit jederzeit von einer radikalen Umwälzung erschüttert werden kann – ein Mahnmal dafür, dass Macht immer fragil ist, egal wie kunstvoll die Puppen gekleidet sind.
Insgesamt kritisiert das Stück die Verblendung durch Äußerlichkeiten, die Verdrängung von Verantwortung und die Gefahr, dass sich Gesellschaft in einer komfortablen aber hohlen Welt verlieren. Die Botschaft ist klar: Ohne kritisches Bewusstsein bleibt das Volk gefangen in einer Farce, in der es lieber betrogen wird, als die unbequeme Wahrheit zu akzeptieren.
Herzlichen Dank für diesen amüsanten Beitrag, der gleichzeitig Satire interpretiert. und die wunderbaren Bilder in Pixabay!
