Unser Beitrag zu Höhlen, Grotten und Blindheit im Kontext von Platons Höhlengleichnis hat zum Weiterdenken angeregt. Recherchen gelten dem „künstlerischen Widerhall“, den die philosophische Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit der menschlichen Erkenntnis und der Unterscheidung zwischen Schein und Sein hervorruft. Platons Gleichnis aus seiner Politeia interpretiert die Höhle als Welt der sinnlichen Wahrnehmung, die für eine fälschliche Realität gehalten wird. art-in-de intepretiert das eindringliche Gleichnis, indem Schatten als Symbole für trügerische Abbilder der wahren Formen oder Ideen als eigentliche Realität stehen, der Ausstieg aus der Höhle und die Begegnung mit dem Sonnenlicht den mühsamen Weg zur Erkenntnis symbolisieren und zur Erfassung der wahren Formen, insbesondere der Idee des Guten führen. Dieses Gleichnis habe Künstler über die Jahrhunderte hinweg inspiriert, so im Film „The Matrix“. Dazu ein Leserbrief, mit Dank!
Liebe Seminar-Talk Leser des UniWehrsEL,
1999 kam der Sience-Fiction-Film „Matrix“ heraus, ein Werk der Wachowskis (damals als Wachowski-Brüder bekannt), die das Drehbuch geschrieben und auch Regie geführt haben. Auch die beiden Fortsetzungen „Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“ von 2003 stammen aus der Feder der beiden Wachowski-Geschwister. Die Brüder haben sich dabei auch philosophischen Fragen gewidmet.
In der dystopischen Welt von „The Matrix“ lebt Thomas Anderson, gespielt von Keanu Reeves, ein Doppelleben. Tagsüber arbeitet er als unauffälliger Angestellter in einer Software-Firma, doch nachts verwandelt er sich in den Hacker Neo und durchstreift den Cyberspace auf der Suche nach der Wahrheit. Eines Nachts stößt er auf den geheimnisvollen Begriff „Matrix“ und den Namen „Morpheus“. Als er einer geheimen Botschaft auf seinem Computer folgt, trifft er die furchtlose Hackerin Trinity (Carrie-Anne Moss), die ihm offenbart, dass er in großer Gefahr schwebt und dass Morpheus ihm die Antworten geben kann, die er sucht.
Am nächsten Morgen erhält Neo einen Anruf von Morpheus (Laurence Fishburne), der ihm zur Flucht verhelfen will, da Agenten hinter ihm her sind. Doch bevor Neo entkommen kann, wird er verhaftet. Agent Smith, ein unbarmherziger Verfolger, will von ihm erfahren, wie er Morpheus finden kann. In einem dramatischen Moment wacht Neo plötzlich in seinem Bett auf und glaubt, alles sei nur ein Traum gewesen. Doch Morpheus kontaktiert ihn erneut und führt ihn schließlich in eine andere, schockierende Realität.
Als Neo und Morpheus sich endlich treffen, wird Neo mit der erschreckenden Wahrheit konfrontiert: Im 21. Jahrhundert haben die Menschen Maschinen mit künstlicher Intelligenz erschaffen, die schließlich die Kontrolle über die Menschheit übernommen haben. Um die Maschinen zu stoppen, blockierten die Menschen den Zugang zur Solarenergie, doch die Maschinen fanden einen perfiden Weg, die Menschen zu versklaven und nutzen ihre Körper zur Energiegewinnung. Die Menschen liegen bewusstlos in Tanks und leben in der Matrix, einer komplexen, computersimulierten Welt, die sie von der Realität ablenkt.
Einige wenige Menschen konnten der Simulation entfliehen und kämpfen nun darum, auch den Rest der Menschheit zu befreien. Ein Orakel prophezeit, dass ein Auserwählter das System zerstören wird, und Morpheus ist überzeugt, dass Neo dieser Auserwählte ist. Diese spannende und packende Handlung führt den Zuschauer zu den tiefgründigen philosophischen Fragen, die sowohl in „The Matrix“ als auch in Platons Höhlengleichnis behandelt werden.
Das Höhlengleichnis von Platon als Allegorie
Die bereits im Beitrag im UniWehrsEL, zu „Höhlen als die inneren Symbolwelten des Menschen“ erwähnte Metaphorik, verstehe ich als eine tiefgründige Allegorie, die die menschliche Wahrnehmung und das Streben nach Wahrheit thematisiert. In der philosophischen Erzählung von Platon leben Menschen in einer dunklen Höhle, gefesselt an Ketten, die sie daran hindern, sich umzusehen. Ihr gesamtes Wissen und ihre Realität beschränken sich auf die Schatten, die an die Wand der Höhle geworfen werden. Diese Schatten sind alles, was sie kennen, und sie glauben, dass dies die gesamte Welt ist. Doch eines Tages wird ein Gefangener von seinen Fesseln befreit. Er wagt den schmerzhaften Blick in die Sonne (was uns an das Buch des Psychoanalytikers Irvin D. Yalom: In die Sonne schauen. Wie man die Angst vor dem Tod überwindet, erinnert). Das grelle Licht der Sonne blendet, offenbart aber auch die Sicht auf eine andere Realität. Diese Erkenntnis ist schmerzhaft, aber notwendig, um zu verstehen, dass die Höhle, im Sinne von unserem Unbewussten, nicht die ‚wahre Welt‘ ist.
Wie real aber ist unsere Welt? Mit dieser Frage hat sich mdr Wissen beschäftigt und den Philosoph Thomas Metzinger dazu befragt. Der erklärt, was wir um uns herum wahrnehmen, sei definitiv nicht so, wie wir uns das denken und vorstellen: „Wenn man die allerneuesten Theorien anschaut, dann ist das, was wir jetzt erleben, die Farben, die Formen, die Gerüche, die Bauchgefühle, eine kontrollierte Halluzination.“

In ähnlicher Weise entfaltet sich die Handlung von „The Matrix“. Die Menschen leben in einer künstlichen Realität, die sie von der wirklichen Welt ablenkt. Neo, der aus der trügerischen Welt der Matrix herausgezogen wird, muss sich der schockierenden Wahrheit stellen: Die Welt, die er kannte, ist nichts weiter als eine Illusion, eine Projektion, die von Maschinen geschaffen wurde, um die Menschheit zu kontrollieren. Die Parallelen zwischen Platons Höhlengleichnis und „The Matrix“ sind unübersehbar. Beide Geschichten thematisieren die Idee, dass die Menschen in einer gefälschten Realität leben, die sie von der wahren Welt ablenkt. In Platons Höhle sind die Menschen an Ketten gefesselt, während die Menschen in der Matrix in Kokons gefangen sind. In beiden Fällen ist die Befreiung von entscheidender Bedeutung, um die wahre Realität zu erkennen. Der schmerzhafte Blick in die Sonne, den Platons Gefangener erlebt, spiegelt sich in Neos schockierender Entdeckung wider, als er die kalte, mechanische Welt außerhalb der Matrix sieht.
Darüber hinaus zeigt „The Matrix“, dass die Menschen nicht nur passive Zuschauer ihrer Realität sind, sondern dass sie aktiv gegen die Illusion kämpfen müssen, um die Wahrheit zu erkennen. Neo muss lernen, die Regeln der Matrix zu brechen und seine eigenen Fähigkeiten zu entdecken, um die Kontrolle über sein Schicksal zurückzugewinnen. Diese Reise zur Selbstentdeckung und zur Erkenntnis der wahren Welt ist ein zentral.
Die Handlung des Films, in der die Menschheit in einer von Maschinen kontrollierten, simulierten Realität gefangen ist, spiegelt die gegenwärtigen Diskussionen über künstliche Intelligenz (KI) in Deutschland wider.
In der Welt von „The Matrix“ leben die Menschen in einer Illusion, während ihre Körper in Tanks gefangen sind und von Maschinen als Energiequelle genutzt werden. Diese dystopische Vision hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da die Entwicklung von KI und deren Integration in unser tägliches Leben rasant voranschreitet. Zu mindestens versuchen Entwickler von KI-Systemen wie Microsoft, Meta, X, Alphabeth dem Anwender diese Vorstellung zu vermitteln. Viele Vorstellungen über KI-Sprachsysteme beruhen jedoch auf Marketing. Die KI-Sprachsysteme sind nicht wirklich intelligent. Sie basieren auf Wahrscheinlichkeitsrechnung und Wortkombinationen. Bisher sind KI-Systeme dem menschlichen Verstand keinesfalls überlegen. Die Vorstellung, dass KI eines Tages die Kontrolle über die Menschheit übernehmen könnte, ist eine upopische Wunschvorstellung großer Tech-Konzerne. Sie verdeckt die Frage nach dem Aufwand und den Kosten um solche Systeme dauerhaft zu betreiben. Müssen Atomkraftwerke wieder an Netz gehen, damit genügend Rechenleistung für die dauerhafte Nutzung von KI-Systemen zur Verfügung stehen? Diskutiert die Gesellschaft dieses Thema?

Die Tech-Unternehmen greifen bei ihrem Bewerben von KI-Systemen gerne auf Filme wie Matrix zurück, weil diese im Gedächtnis der Popkultur verankert sind. Filme wie Matrix werden in der wissenschaftlichen Diskussion immer wieder aufgegriffen. Das menschliche Gehirn ist aber so ein Wunder, dass es bisher jedem KI-System haushoch überlegen ist. Die aktuelle Debatten über KI erinnern mich an die Diskussionen in 2001, ob das Internet zu einer Wissensgesellschaft führen wird. Werden die Menschen durch das Internet schlauer und sozial besser miteinander vernetzt sein? Diese Prognose aus 2001 entpuppt sich als falsch.
Wissen erwerben heißt heute vielfach anschauen, zum Beispiel von skurillen Katzenvideos, die auf auf Youtube gepostet werden, natürlich mit dem Hinweis, dieses Phänomen werde nun wissenschaftlich empirisch untersucht. Das Internet wurde sobald man damit Geld verdienen konnte kommerzialisiert und monetarisiert, oft unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit. Wissen wurde nicht kostenlos an die Anwender weitergegeben. Warum soll dies bei KI-Systemen anders laufen? Ähnlich wie die Agenten in „The Matrix“, die als unbarmherzige Hüter einer kontrollierten Realität agieren, gibt es Bedenken, dass KI-Systeme, die ohne menschliche Aufsicht operieren, unvorhersehbare und möglicherweise schädliche Entscheidungen treffen könnten. Diese Ängste werden durch die Vorstellung genährt, dass KI eines Tages so mächtig werden könnte, dass sie die menschliche Kontrolle übersteigt.
Die Konzentration auf die ethischen Implikationen und die potenziellen Gefahren, die mit der Entwicklung autonomer Systeme verbunden sind, verdeckt die Diskussion über die kommerzielle Nutzung der KI-Systeme und der Frage, wer kann KI-Systeme überhaupt nutzen. Welche technischen, finanziellen Voraussetzungen muss der Anwender mitbringen? Vielleicht befinden sich die Anwender von KI, ähnlich wie Neo und die Gefangenen in Platons Höhle, in einer Situation, in der nur die richtigen Fragen – wie die nach der sozialen Teilhabe aller Menschen – sie zur wahren Erkenntnis führen können.
Es grüßt ganz herzlich eine UniWehrsEL Leserin, die um Ihren Kommentar bittet!
Herzlichen Dank für Bilder, wie das von Sandy Flowers auf Pixabay