Tiere spiegeln menschliche Seelenzustände, dies wird im Mittwochseminar an der U3L unser Thema beim Seminar „Anima(l)“ sein. Inzwischen haben sich viele UniWehrsEL Leser ihre Gedanken zu dieser Thematik gemacht. Im Seminar-Talk finden sich zahlreiche Beiträge, die die Beziehung von Mensch und Tier unter verschiedenen Gesichtspunkten aufgreifen.
14:00 Uhr früher Nachmittag in einer mediterranen, mittelalterlichen Kleinstadt. Du bist auf Urlaub hier. Klar kein Einheimischer würde um diese Zeit einen Spaziergang durch den Ort machen. Sie halten Siesta hinter halb oder ganz geschlossenen Läden. Eine gespenstische Stille liegt über der kleinen Piazza mit dem Brunnen, der aus drei Röhren traurig tröpfelnde Rinnsale von sich gibt. Außer dem Zirpen der Grillen ist kein Laut zu hören. Über dem Platz weht ein Duft von Lavendel, Rosmarin und Thymian. Fast bist Du betäubt von dem Geruchscocktail, der Dich einhüllt. Was hast Du Dir nur dabei gedacht, um diese Zeit durch den Ort zu streifen? Du weißt ganz genau, was es ist: Dir war langweilig gewesen in dem kleinen Zimmer der Pension in der Via Stazione in der Nähe des Bahnhofs. Und Langeweile ist etwas mit dem Du nicht umgehen kannst. Eine Freundin von Dir hat behauptet, der Grund dafür sei, dass Du in der Langeweile mit Deinem wahren Ich konfrontiert seist und Du sie deshalb nicht ertragen kannst. So ein Quatsch, immer musste sie alles psychologisieren.
Aber jetzt hier auf dem heißen, stillen Marktplatz erfasst Dich ein tiefes Gefühl der Einsamkeit. Nichts mehr ersehnst Du als die Gesellschaft von Menschen. Du setzt Dich auf einen der verwaisten Stühle vor der Bar Piccola und fast kommen Dir die Tränen. Du hast das Gefühl, der einzig lebende Mensch an diesem Ort zu sein. Fast so als wäre die Apokalypse Wahrheit geworden.
Plötzlich bewegte sich etwas am anderen Ende der Piazza. Du blinzelst in die Sonne, um besser erkennen zu können, was es ist, das langsam auf Dich zu kommt. Dann siehst Du es: Ein Hund, hässlich wie die Nacht, ein struppiges gelbbraunes Fell, verdreckt, womöglich verlaust und er hinkt auf dem hinteren, rechten Bein. Er duckte sich unterwürfig und senkt den Blick aus seinen gelben entzündeten Augen. Er ist kein schöner Anblick und vielleicht auch gefährlich, aber er ist Dein einziger Kamerad, hier in diesem Moment, gekommen, um Deine Einsamkeit zu mildern.
Vorsichtig streckst du die Hand aus. Erschreckt weicht er zurück, um gleich darauf wieder sich Dir anzunähern, getrieben von der Hoffnung auf Zuwendung oder doch nur etwas zu fressen, schnuppert er an Deiner Hand und lässt sich von Dir hinter den Ohren graulen. Die Angst, Du könntest Dich mit irgendetwas bei ihm anstecken, drängst Du zurück. Du lässt etwas Wasser aus Deiner Flasche, die Du vernünftigerweise mitgenommen hast, in Deine Hand fließen und gibst ihm zu trinken. Gierig schleckt er es auf und leckt anschließend Deine Hand. Auf dem Rückweg in Deine Pension folgt er Dir mit einem gewissen Abstand. Sobald Du Dich zu ihm umdrehst, bleibt er stehen und schaut Dich mit bittendem Blick an.
Bei der Pension angekommen, ist er immer noch hinter Dir. Du sprichst ihn an: »Ich kann Dich nicht mitnehmen. Ich weiß nicht, ob Hunde hier erlaubt sind, schon gar nicht so ein räudiger Köter, wie Du es bist«. Als hätte er Dich verstanden, legt er sich vor der gläsernen Eingangstür nieder. Als Du durch die Tür schlüpfst, kannst Du verhindern, dass er Dir folgt, aber als Du sie hinter Dir schließt, fängt er an zu winseln. Da Du die anderen Gäste nicht auf ihn aufmerksam werden lassen willst, öffnest Du die Tür wieder und sagst leise: » Na gut, komm rein Rover, so nenne ich Dich. Rover, das heißt Vagabund.« Er ist mit seinem Namen einverstanden und mit dankbaren Blick folgt er Dir auf dein Zimmer.
Der Rest Deines Urlaubs ist geprägt von der Angst der Entdeckung und der Geheimhaltung der Anwesenheit von Rover. Als er geduscht ist, sieht er eigentlich ganz manierlich aus, mit seinem honigfarbenen weichen Fell. Frühmorgens und spätabends gehst Du mit ihm in die nahegelegenen Olivenhaine, immer in der Angst, entdeckt zu werden. Begleitet von den Gesängen der Zikaden, dem Summen zahlreicher Bienen und Wespen, und dem Geruch reifer süßlich vergoren riechender Feigen, die von einem Baum heruntergefallen sind, streifst Du durch den Hain, schlägst einen anderen Weg ein, wenn Du jemand zu begegnen drohst.
Gottseidank hat Rover offensichtlich verstanden, dass er sich zu seinem Besten, in der Pension ruhig verhalten muss. Außer einem leisen Wuff hin und wieder, erhebt er nicht seine Stimme. Lediglich, wenn Du ihn vor dem kleinen Supermarkt am Rande des Städtchens draußen anleinst, fängt er an zu heulen.
Du bist froh, dass Du wegen Deiner Flugangst, die lange Fahrt mit dem Zug gemacht hattest, deshalb musst Du für die Rückreise lediglich ein zusätzliches Hundeticket kaufen. Denn den Kamerad der einsamsten Stunde Deines Lebens zurückzulassen, wäre Dir nie in den Sinn gekommen.
Seitdem teilst Du Dein Leben mit Rover. Er ist dankbar für Deine Zuwendung und Du könntest ein Buch schreiben mit dem Titel: „Vom Ende der Einsamkeit1)“, wenn es das nicht schon gäbe.
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