Studienobjekt „Wednesday“ mit puppenhaftem Auftreten und Lady Gaga mit Totentanz
Im popkulturellen Zeitalter sozialer Medien ist Wednesday Addams in der Rolle von Jenna Ortega zur neuen Ikone geworden. Sie hat ein Goth‑Revival ausgelöst. Goth (kurz für Gothic) ist mehr als nurSubkultur und Ästhetik, ist Fortsetzung der Post‑Punk‑Szene der 1980er Jahre. Den neuen Hype haben Wednesday Addams (Jenna Ortega) und vor allem Lady Gagas „The Dead Dance“ Video ausgelöst. Gleich mehrere Leserbriefe erreichten das UniWehrsEL unter der Fragestellung: Warum eignet sich Wednesday (eine Figur aus der berühmten Addams Family) als Studienobjekt für „Seelenverwandte — Puppen und andere anthropomorphe Wesen“?
Liebe Leser und Leserinnen des Seminar-Talk des UniWehrsEL,
Wednesday und ihr puppenhaftes Auftreten faszinieren. Warum dies so ist? Ich wage einen Erklärungsversuch, weil ich „Wednesday“, eine Figur aus der berühmten Addams Family, für ein ideales Studienobjekt im Kontext von „Seelenverwandte — Puppen und andere anthropomorphe Wesen“? halte.
Im popkulturellen Zeitalter sozialer Medien ist Wednesday Addams verkörpert von Jenna Ortega zur neuen Ikone geworden. Sie hat ein Goth‑Revival ausgelöst: das Bild von ihr auf der Tanzfläche — jenes stumme, präzise choreografierte Video, das auf YouTube Millionen erreicht hat — wurde zum Meme, zur Mode‑Referenz eines jugendlichen Andersseins. Im August 2025 startete die zweite Staffel der Serie, und die Figur steht seither noch stärker im Fokus von Hype, Fan‑Deutungen und akademischer Betrachtung.
Wednesday ist ein interessantes Studienobjekt für ein Seminar, in dem es um Puppen und Menschen geht, weil ihre puppenhafte Oberfläche, die anthropomorphe Präsenz ihres Haustiers und ihr Zusammenspiel mit anderen „lebendig‑unlebendigen“ Figuren wie Vampiren, Werwölfen, Sirenen ein reiches Feld für die Analyse der Figur Wednesday bilden. Sie ist unverwechselbar.
Als Fan der Netflixserie schreibe ich diesen Leserbrief über das faszinierende Phänomen Wednesday Addams — und ich konzentriere mich ausschließlich auf die Puppe als Metapher und Figur. Wednesday tritt in der Netflix‑Serie von 2022 erstmals als Teenager auf; in den früheren Inkarnationen — der Fernsehserie von 1964 und den Filmen 1991 und 1993 — war sie ein düsteres Kind und kam damit der Puppe als gesellschaftliches Abbild bzw. Role-Modell noch viel näher.
Welche inneren Mechanismen oder ungelösten Verletzungen könnten hinter Wednesdays puppenhafter Gleichgültigkeit stecken?
Diese Entwicklung ist bemerkenswert: die Puppe als kulturelles Objekt steht für perfekte Außenhaut und leere Innenräume, und Wednesday trägt diese Symbolik wie eine zweite Haut. Ihr blasser, porzellanartiger Teint, die präzise geflochtenen Zöpfe, die starre Mimik und die kalkulierte Langsamkeit der Bewegungen sind nicht bloß ästhetische Entscheidungen, sie sind psychologische Signale. Eine Puppe ist gemacht, um gesehen und kontrolliert zu werden; sie reagiert nicht mit echter Wärme, sondern mit einer simulierten, vorhersehbaren Haltung. Wednesday inszeniert genau diese Künstlichkeit: unverblümte, schmerzhafte Ehrlichkeit und sarkastischer Wortgebrauch funktionieren wie die Nähte einer Puppe, die ihre Form zusammenhalten.
Das Puppenmotiv erzeugt Distanz: Zuschauer projizieren innere Regungen in die Leerstelle, die ihre Mimik offenlässt. Indem die Regie sie emotional reduziert — bewusst emotionslos, beinahe abgeschottet — wird sie zur Projektionsfläche. Diese Unnahbarkeit schützt und macht zugleich gefährlich; sie wirkt einschüchternd, weil sie schwer zu lesen ist.
Hinter der Haltung „Mir egal, wenn mich jemand nicht mag“ liegt die Logik der Puppe: Gleichgültigkeit als programmierte Haltung, die Kontrolle über soziale Interaktion dadurch gewinnt, dass sie sich jeder Verwundbarkeit entzieht. Doch Puppen sind nie völlig leblos; ihre scheinbare Unverletzbarkeit provoziert Fragen nach verborgenen Mechaniken: was hält die Figur zusammen, welche Fäden ziehen im Hintergrund, und wo verbirgt sich das empfindsame Innenleben, wenn überhaupt eines vorhanden ist?
Wie verändert sich unser Bild von Wednesday, wenn wir sie als „Mensch‑Puppe“ in einer Schule voller Außenseiter sehen?
Im Kontrast zu früheren Darstellungen, in denen Wednesday als Kind der Addams‑Familie näher an der Spielzeugpuppen‑Ästhetik war, zeigt die Teenager‑Version eine subtile Verschiebung: sie ist keine reine Puppe mehr, sondern eine kontrollierte Mensch‑Puppe, die in einer Welt lebt, in der andere Andersartige ihre Spiegel sind. Sie geht in der Netflixserie auf ein spezielles Internat mit Vampiren, Wer-Wölfen und Sirenen.
Die Puppenhaftigkeit bleibt zentrale Metapher: sie erklärt die bewusste Distanz, die spitze Beobachtungsgabe, die sarkastische Sprachbeherrschung und die präzise, fast mechanische Körpersprache. Gleichzeitig entsteht durch diesen psychologischen Kunstgriff ein Paradoxon — eine Figur, die so sehr nach Außenseiterin aussieht, dass sie innerhalb einer Gemeinschaft von Außenseitern erneut isoliert bleibt.
Auch das Verhältnis zu Besitzern und Begleitern wird puppenpsychologisch interessant: Ein spezielles Haustier, ein loyaler Spielkamerad oder eine autonome Kreatur funktionieren wie Accessoires oder wie Eigenlebewesen, die der Puppe Gesellschaft leisten, ohne ihre Autonomie völlig aufzulösen. Solche Beziehungen zeigen, ob Bindungsfähigkeit im Kern vorhanden ist oder nur als Bühnenbild existiert. Die Puppe fordert von uns, dem Publikum, eine Art intellektuelle Zuwendung: wir mögen keine weichen Gefühle sehen, aber wir suchen im Blick, in kleinen Gesten, nach dem Hauch von Leben, der verrät, dass hinter der Porzellanschicht ein verletzlicher Kern liegen könnte.
Warum zieht den Zuschauer die Addams‑Familie weiterhin in den Bann?
Warum fasziniert uns die Addams‑Familie und speziell ihre Puppenfigur so sehr? Puppen verkörpern Aristokratie der Gefühlsverweigerung — eine Unverletzbarkeit gegenüber dem Zeitgeist, die gleichzeitig rebellisch und distanziert wirkt. In einer Kultur, die intime Offenheit fordert, bietet die Puppenästhetik eine Umkehr: souveräne Kontrolle, ästhetische Distanz und die Möglichkeit, Projektionen auf eine klare, formbare Oberfläche zu tätigen. Gothic‑Codes, Dracula‑Optik, Schleier und makabre Eleganz verstärken diesen Effekt; sie schaffen eine aristokratische Aura, die Zuschauer anzieht, weil sie als Gegenentwurf zur normalen Welt anbietet.
Als Zuschauer sehe ich in Wednesday mehr als nur eine makabre Teenagerfigur: sie ist ein Versuch, die Puppe wieder in die Mitte der kulturellen Imagination zu rücken — nicht als harmloses Kinderspielzeug, sondern als komplexes Symbol für Künstlichkeit, Schutzmechanismus und Identitätsperformance. Charles Addams, der Schöpfer der Addams Family, hat die Familie ursprünglich als satirisches Spiegelbild gesellschaftlicher Normen gezeichnet; die Puppenmetapher, die sich über die Jahrzehnte in verschiedenen Medien wandelt, erweitert diese Satire in eine psychologische Dimension: die Puppe ist nicht nur Objekt des Humors, sie ist Träger von Befremdung, Macht und einer seltsamen, widerständigen Eleganz.
Und welche Rolle spielt nun Lady Gaga mit ihrer Gruselperformance „The Dead Dance“? Lady Gagas „The Dead Dance“ ist Teil des Soundtracks zu der zweiten Horrorserienstaffel von „Wednesday“ und erscheint außerdem auf der Neuausgabe ihres aktuellen Albums MAYHEM.
In einer Kultserie darf sie natürlich nicht fehlen. Neben Jenna Ortega als Wednesday Addams glänzt die Lady in dieser übernatürlichen Mystery-Serie. Für seine nach «Squid Game» erfolgreichste Serie überhaupt, fährt Netflix in Staffel zwei schwere Geschütze auf und scheut weder Kosten noch Mühen. Wenn die Lady Gaga – nomen est omen – bei «Wednesday» auftritt, dann erinnert die düstere Choreografie von Parris Goebel und das Setting stark an die Ästhetik des dazugehörigen Musikvideos, welches von Tim Burton (auch dazu unser Beitrag zu „Corpse Bride„) inszeniert wurde.
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