Du betrachtest gerade Tipp: Ausstellung „Kybernetik – Vernetzte Systeme“ am Kunstforum der DZ Bank

Am 27. Juni 2025 hatte der Kulturbotschafter des UniWehrsEL die Gelegenheit, die Ausstellung „Kybernetik“ zu besuchen. Diese faszinierende Ausstellung beleuchtet die spannende Schnittstelle zwischen Kunst, Technologie und Wissenschaft. Die Besucher werden eingeladen, die komplexen Zusammenhänge und Wechselwirkungen in vernetzten Systemen zu erkunden. Dabei sind alle Kunstwerke, die die Stiftung sammelt und zeigt, mit dem Gedanken der Fotografie verknüpft. Die aktuelle Ausstellung, die noch bis zum 18. Oktober 2025 zu sehen ist, präsentiert eine beeindruckende Mischung aus interaktiven Installationen, digitalen Medien und klassischen Kunstformen. Die Ausstellung ist das Gegenstück zur Ausstellung im Kunstforum Darmstadt: Paula Doepfner „I heard the sound of a thunder, it roared out a warnin

Liebe Leser des UniWehrsEL,

Künstler arbeiten oft mit Experten aus anderen Bereichen zusammen, was zu neuen Techniken und Erkenntnissen führt. Seit der Höhlenmalerei konfrontieren Künstler den Betrachter mit Aspekten aus ihrer unmittelbaren Umgebung. In der heutigen Zeit stellt die Kunst Fragen zum Umgang mit Computern und dem Megathema der Künstlichen Intelligenz. In diesem Kontext zeigt die Ausstellung „Kybernetik – Vernetzte Systeme“ im Kunstforum der DZ Bank, wie der Wissenschaftler E.W. Udo Küppers in einem Essay für die Ausstellung den Wettbewerb zwischen evolutionärer (menschlicher) Intelligenz und künstlicher maschineller Intelligenz hervorhebt.

Der Begriff „Kybernetik“ leitet sich vom griechischen Wort „kybernetes“ ab, was „Steuermann“ bedeutet. Dies ist besonders passend, da die Kybernetik sich mit der Steuerung und Regelung von Systemen beschäftigt, sei es in der Natur, in der Technik oder in sozialen Strukturen. Die Ausstellung thematisiert, wie diese Prinzipien in verschiedenen Disziplinen Anwendung finden und welche Auswirkungen sie auf unsere moderne Welt haben.

Die Kybernetik ist jedoch keine Einzelwissenschaft wie Mathematik oder Physik. Sie ist eine kommunikative Metawissenschaft, die Fortschritte in anderen Bereichen, wie der Sozialwissenschaft, fördern kann. Der Mathematiker und Philosoph Norbert Wiener begründete diese Fachrichtung in den 1940er bis 1960er Jahren und legte damit auch die Grundlage für die Künstliche Intelligenz, indem er die Prinzipien der Informationsverarbeitung und Regelungstechnik auf komplexe Systeme anwandte.

In den 1950ern waren zwei Wissenschaftler dafür verantwortlich, den Begriff „künstliche Intelligenz“ zu prägen: der britische Logiker, Mathematiker und Informatiker Alan Turing (1912-1954) und der US-amerikanische Logiker und Informatiker John McCarthy (1927-2011). McCarthy erfand den Begriff „Artificial Intelligence“, zu Deutsch „künstliche Intelligenz“. Im Jahr 1950 entwickelte Turing den Turing-Test, der die Denkfähigkeit eines Computers testen sollte. Dabei stellte ein Experte abwechselnd einem Computer und einem Menschen Fragen. Erkennt der Experte keinen Unterschied zwischen den Antworten, könnte dem Computer eine gewisse „Intelligenz“ zugesprochen werden. Alan Turing fand auch im Automatenmotiv im UniWehrsEL Erwähnung.

Aus Sicht des Wissenschaftlers E.W. Udo Küppers („Die humanoide Herausforderung„) ist der Begriff „künstliche Intelligenz“ eine Fehlinterpretation. Aus der Perspektive der Evolution zeigen ausschließlich Organismen intelligentes Verhalten. Deshalb sind Nicht-Organismen wie Maschinen, Computer, Roboter oder humanoide Wesen nicht intelligent. Maschinen sind leblose Gegenstände, die sich weder selbst replizieren noch selbst reflektieren oder selbstständig und vorausschauend Leistungen erbringen können. Folglich erreichen sie keine menschlichen Spitzenleistungen wie etwa die von Newton, Darwin oder Einstein. Menschen verhalten sich zudem irrational, und oft kommen herausragende Ergebnisse durch Zufall zustande.

Die Ausstellung gliedert sich in vier Schwerpunkte:

1.       Wahrnehmung und Sprache: Hier wird untersucht, wie Menschen Informationen wahrnehmen und verarbeiten und wie diese Prozesse durch Technologie beeinflusst werden. Jede Sprache ist ein Kommunikationskonstrukt, das aus jahrtausendalten Entwicklungen hervorgegangen ist und sich ständig verändert und weiterentwickelt. Jeder Mensch entwickelt seine eigene persönliche Sprache, die weit über das reine Wort hinausgeht.

2.       Die Beziehung Mensch und Computer – Kommunikation mit Maschinen: Dieser Abschnitt thematisiert die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen sowie die Herausforderungen, die sich aus dieser Beziehung ergeben.

3.       Selbstorganisierte Systeme in Natur und Umwelt: In diesem Teil der Ausstellung wird gezeigt, wie natürliche Systeme sich selbst organisieren und welche Parallelen zu künstlichen Systemen gezogen werden können.

4.       Soziale Systeme – sich selbst durch sich selbst sehen: Dieser Schwerpunkt beleuchtet, wie soziale Systeme funktionieren und wie Individuen innerhalb dieser Systeme agieren und interagieren.

Besonders hervorzuheben ist die Arbeit von Christiane Feser, die ein Netzwerk geschaffen hat, das aus Knotenpunkten und Verbindungen eine Landkarte von Eindrücken vermittelt. Sie gestaltete auch das Cover der Ausstellung.

Im Kapitel „Wahrnehmung und Sprache“ begegnet man einer faszinierenden frühen Arbeit von Jochen Gerz. Während seiner Zeit als Dozent in Berkeley ließ er seine Studenten existenzielle Fragen formulieren, die er dann auf ein Foto des antiken Orakels von Delphi drucken ließ. Auf diesem Bild stehen Fragen wie: „Wer war der erste Rassist?“, „Warum sterben Kinder?“ und sogar „Was soll ich Rachel zum Geburtstag schenken?“ – eine spannende Mischung aus tiefgründigen und alltäglichen Überlegungen!

Ein weiteres Highlight stammt von der Städelabsolventin Adrian Williams, die Fotos von ihren Reisen präsentiert. Doch hier kommt der Clou: Diese Bilder sind von Texten umrahmt, die mit den Reisen überhaupt nichts zu tun haben. Diese unerwartete Kombination eröffnet ganz neue Bedeutungsebenen und regt zum Nachdenken an.

Ein weiteres bemerkenswertes Werk stammt vom Künstlerduo Anne und Patrick Poirier, die für die Serie „Black Ash“ in den Jahren 1996/1997 eine Lilie als Bildmotiv gewählt haben. Mit Hilfe von Blütenstaub haben sie einzelne Wörter wie „Exile“, „Ruins“ und „Sex“ auf die Blüte tätowiert. Diese Lilie steht sowohl für Vergänglichkeit als auch für Jungfräulichkeit.

Die Kunstwerke in der Ausstellung gehen jedoch noch weiter und befassen sich auch mit Themen wie menschlichen Genen, den Funktionen des Auges und der Frage, wie viele Farben ein Computer tatsächlich berechnen kann – das sind beeindruckende etwa 16.700.000! Es ist faszinierend zu sehen, wie Kunst und Wissenschaft hier aufeinandertreffen und neue Perspektiven eröffnen.

Im letzten Raum, im Kapitel „Sich selbst durch sich selbst sehen“, wird es besonders anschaulich. Die Kunstwerke hier reflektieren große Unternehmen – wie die Ausstellungsmacherin DZ Bank selbst – als soziale Systeme, in denen Menschen, Technik und Architektur miteinander interagieren. Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist die Arbeit von John Baldessari (auch Ausstellung im Städel 2015/16), der zwei große Fotoarbeiten gegenüberstellt. Auf der einen Seite sehen wir die Welt des Unternehmens durch einen Blick auf einen Konferenztisch: Hände in Jakettärmeln, weiße Hemden und Kugelschreiber auf einer glänzenden Oberfläche. Es vermittelt sofort das Gefühl von Geschäftigkeit und Professionalität.

Auf der anderen Seite des Raumes hingegen stehen eine Reihe von wertvollen Tischlampen in Wohnräumen. Diese Bilder stammen beide aus alten Schwarz-Weiß-Hollywood-Produktionen und verdeutlichen auf eindrucksvolle Weise die Verbindung zwischen der geschäftlichen und der privaten Welt der handelnden Akteure. Es ist faszinierend zu sehen, wie diese beiden Welten miteinander verwoben sind.

Zusätzlich gibt es eine Serie von Robert Barry, einem der Initiatoren der amerikanischen Konzeptkunst. Er hat eine Gruppe von Bankmitarbeitern fotografiert, ihre Porträts jedoch mit Tusche übermalt, sodass sie fast unsichtbar werden. Diese Bilder kombiniert er mit Worten wie „persönlich“ und „Wandel“. Diese Kombination regt zum Nachdenken an und lässt uns die Identität und die Veränderungen der Menschen in einem Unternehmenskontext hinterfragen. Es ist eine spannende Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir uns selbst in diesen sozialen Systemen sehen und wahrgenommen werden.

Persönliche Einschätzung zur Ausstellung

Die Ausstellung „Kybernetik – Vernetzte Systeme“ ist zweifellos sehr anspruchsvoll. Ich fand es herausfordernd, die Konzepte der Kybernetik, wie sie im ausliegenden Begleitheft formuliert sind, in den Kunstwerken selbst zu erkennen. Diese Werke sind in ihrer Ästhetik, ihren Bedeutungsebenen und ihrer Geschichte äußerst komplex und ohne eine angemessene Vermittlung kaum zu erfassen. Es bedarf einer tiefergehenden Auseinandersetzung, um die vielschichtigen Ideen und Zusammenhänge, die die Ausstellung präsentiert, wirklich zu verstehen und zu schätzen.

Herzlichen Dank sagt das UniWehrsEL an unseren Kulturbotschafter und an die Impressionen von Pixabay!