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Einer, der im Kontext der Romantik und Melancholie nicht fehlen darf, ist E. T. A. Hoffmann.  Sein Name ist auch verbunden mit dem „Automatenmotiv“. In Werken „Der Sandmann“ oder „Die Automate“, „Nussknacker und Mausekönig“ kommt das Motiv vor.

Die Germanistin Lisa Dasse hat im E.T.A. Portal einen spannenden Beitrag darüber geschrieben.

Dahinter verbirgt sich einerseits die Faszination für Automaten und künstliche Intelligenz im Allgemeinen, die sich heute in Filmen wie „Ich bin Dein Mensch“ zeigt, andererseits auch eine tiefere Psychologie, die bis in die die Mythologie und das Mittelalter zurückführt und Sinn und Unsinn des menschlichen Lebens hinterfragt.

Braucht man denn Menschen unbedingt, wenn doch Maschinen ihre Aufgaben übernehmen können? Und sind diese „menschlichen Roboter“ nicht überhaupt die besseren Menschen?  

E. T. A. Hoffmann, so kann ich bei Dasse nachlesen, verarbeitet dieses Motiv in seinen Werken, „um den Menschen einen Spiegel vorzuhalten und versteckte Kritik an der Gesellschaft zu äußern. Er möchte dazu aufrufen, ihre Beziehungen zu der Natur, sich selbst und anderen Menschen und vor allem zu den Maschinen zu hinterfragen.“

Zwischen Abneigung und Faszination schwankend, informierte sich E. T. A. Hoffmann bei Automatenbauern seiner Zeit, begeisterte sich an Johann Friedrich Kaufmann’s (1785 bis 1866) gebauten Instrumenten wie dem “Belloneon” oder dem “Harmonichord“, einem mechanischen Trompeter. In seinem Werk nutzt Hoffmann sie, um den Menschen einen Spiegel vorzuhalten und versteckte Kritik an der Gesellschaft zu üben.

Das Harmonichord, von Johann Friedrich Kaufmannwurde in Dresden erbaut, in den 1830er Jahren und findet sich im Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig.

„Die Maschine wird bereits jetzt auch in Hoffmanns Werk zur Metapher des Unimaginativen, Beschränkten, Berechenbaren, zum Spott- und Zerrbild aller vermessener Träume des Menschen als vermeintlich göttlicher Schöpfer. Der Puppe kommt darüber hinaus. Wiederum der bisher aufgezeigten Linie entsprechend, das Attribut des Leblosen, Starren, Trügerischen und Teuflischen zu.“ (Sauer, Lieselotte: Marionetten. Maschinen. Automaten. S. 203.)

Was eigentlich künstliche Intelligenz bedeutet, darüber herrscht keine Einigkeit. Ist es doch schon schwer genug zu definieren, was Intelligenz überhaupt bedeutet. Führt sie doch auf die Frage zurück, was den Menschen denn eigentlich vom Tier unterscheidet. Altruismus, Selbstreflexion, die Fähigkeit, den ‚Overkill’ auszulösen?

Dies sei eine menschliche Eigenschaft, die regelmäßig im Zentrum der Diskussion stehe, wenn es um die Frage Intelligenz oder nicht gehe, so der Schweizer Psychologe Wolfgang Tschacher, den wir im UniWehrsEL Im Beitrag zu „Menschen und Robotern“ schon einmal zitierten.

Tschacher beschreibt in „Embodiment“ den Optimismus der Mitte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts, in Bezug auf künstliche Intelligenz herrschte. Futurologen überboten sich, entwarfen Zukunftsszenarien wie die Entschlüsselung des Geistes, also der Intelligenz. Die Massenkultur entwickelte Zukunftsromane, die neue Dimensionen des Zusammenlebens eröffneten.   

Dasse ergänzt, Alan Turing habe bereits 1950 einen Test vorgeschlagen, bei dem ein Mensch und eine Maschine einen Dialog mit einer Prüfperson führen sollten. „Wenn diese Person nach dem Dialog nicht sagen kann, wer Mensch und wer Maschine sei, dann ist nach Turing diese Maschine intelligent.“ Künstliche Intelligenz ist somit in der Lage, zu interagieren. Automaten tätigen dagegen nur festgelegte Abläufe selbstständig, was den entscheidenden Unterschied der beiden Begrifflichkeiten ausmacht.

Zurück zum Zeitalter der Romantik, in dem E.T.A. Hoffmann agierte. Genau wie in der Moderne des ausgehenden 20. Jahrhunderts, gab es Maschinen, die einfach gesellschaftliches Aufsehen erregten wie der‘ berühmteste Schachautomat‘, der gleichzeitig betrügerisch war. Ein schachspielender Türke von Wolfgang von Kempelen 1769 gebaut,  erweckte den Eindruck des eigenständigen Schachspielens und meistens sogar des Gewinnens. Im Inneren der Maschine befand sich ein Mensch, der diese bediente, keine geniale Erfindung steckte dahinter. 

Und wieder zurück zum neuen Jahrtausend. 2007 schrieb Peter Dittmar in „Die Welt“ zur Ausstellung im ZKM in Karlsruhe „Als ein tückischer Türke die Welt schachmatt setzte“ über die neue Generation der Schachcomputer. Der Schachcomputer “Deep Fritz” besiegte den Weltmeister Wladimir Kramnik letzthin in der Bonner Bundeskunsthalle, 4:2. “Deep Fritz”, so Dittmar, „dachte nicht, sondern gewann nur, weil er einem Programm folgte, mit dem ihn zuvor eine Herde Spezialisten gefüttert hat. Letztlich sie sind, multipliziert, nichts anderes als der Mann, der versteckt in Kempelens “Türken” dem Spieler pari bot.“

Der “Schach spielende Türke” regte nicht nur durch die Ausstellung 2007 zu neuer Nachdenklichkeit an, sondern auch durch ein Gleichnis bei Walter Benjamin.  Er bittet sarkastisch den “Türken” in den Zeugenstand „wider die materialistische Theoriemaschine”: “In Wahrheit saß (in dem Automaten) ein buckliger Zwerg darin, der ein Meister im Schachspiel war und die Hand der Puppe mit Schnüren lenkte. Zu dieser Apparatur kann man sich ein Gegenstück in der Philosophie vorstellen. Gewinnen soll immer die Puppe, die man ‘historischer Materialismus’ nennt. Sie kann es ohne weiteres mit jedem aufnehmen, wenn sie die Theologie in ihren Dienst nimmt, die heute bekanntlich klein und hässlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen.”

Walter Benjamin findet sich auch im Mittelpunkt eines Referats zu „Melancholie und dem Engel der Geschichte“ von Herrn Trebitz, im Rahmen des Seminars der Melancholie.
Gehalten wird es am 19. Januar 2023 in meinem Zoomraum an der U3L.
Näheres teile ich Ihnen gerne über den Kontakt mit.


Herr Trebitz war es auch, der mich zu den Ausführungen zum Schachcomputer Beitrag angeregt hat. Herzlichen Dank dafür, lieber Herr Trebitz!

Danke auch an Gordon Johnson für sein Bild des Androiden auf Pixabay.