Henryk Wieniawski, der Zauberer der Geige – Veranstaltung Akademie für Tonkunst Darmstadt
Am 24. Juni 2025 versammelten sich Musikliebhaber und Kulturinteressierte in der Akademie für Tonkunst Darmstadt, um einem besonderen Ereignis beizuwohnen: einer Hommage an einen legendären Geigenvirtuosen. Bei der Frage, an wen man bei einem berühmten Geiger zuerst denkt, kommen vielen Namen in den Sinn: Yehudin Menuhin, Daniel Hope, David Garrett, den Teufelsgeiger Paganini oder vielleicht sogar Chopin, dessen Werke oft mit der Geige in Verbindung gebracht werden. Doch an diesem Abend stand der polnische Komponist und Geiger Henryk Wieniawski im Mittelpunkt, ein Künstler, der in Polen sehr bekannt ist – vor allem durch den internationalen Violinen-Wettbewerb, der seinen Namen trägt. Dieser findet seit 1952 alle fünf Jahre in Poznan statt. In Deutschland hingegen ist er oft nur Insidern oder Musikschülern ein Begriff. Dabei ist sein Einfluss auf die Geigenmusik bis heute spürbar.
Liebe Leser des Blog UniWehrsEL,
Die Veranstaltung, die in Kooperation mit dem Deutschen Polen-Institut stattfand, bot eine fesselnde Mischung aus Lesung, Gespräch und musikalischen Darbietungen. Peter Oliver Loew, Direktor des Instituts, las aus der neuen Biografie über Wieniawski des polnischen Autors Mateusz Borkowski vor, die er selbst aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzt und herausgegeben hat. Die Zuhörer wurden in die faszinierende Lebensgeschichte eines Mannes entführt, der als einer der größten Geigenvirtuosen des 19. Jahrhunderts gilt.
Wieniawski, geboren am 10. Juli 1835 in Lublin, Polen, war ein Wunderkind, das bereits im Alter von acht Jahren am Pariser Konservatorium aufgenommen wurde. Wie viele Wunderkinder der Musikgeschichte, darunter auch Mozart, hatte Wieniawski eine außergewöhnliche Begabung, die ihn schon in jungen Jahren zu einem Popstar seiner Zeit machte und zum potentiellen Nachfolger von Paganini, der 1840 gestorben war. Mit elf Jahren hatte er sein Abschlussdiplom in der Tasche und wurde mit der Goldmedaille als bester Absolvent ausgezeichnet. Seine ersten Konzerte wurden mit begeisterten Ovationen gefeiert, und die Fürsten, vor denen er spielte, überhäuften ihn mit Auszeichnungen: Der König von Schweden verlieh ihm den Wasa-Orden. Der preußische König ehrte ihn mit der Goldmedaille für Kunst und Wissenschaft, was seine Bedeutung in der Musikwelt unterstrich. Zudem wurde er vom russischen Zaren mit dem Orden der Heiligen Anna ausgezeichnet, einer weiteren prestigeträchtigen Ehrung. Auch der König der Niederlande zeichnete ihn mit dem Orden der Eichenrinde aus, was seine internationale Anerkennung als herausragender Musiker bekräftigte. Doch trotz seines Ruhms blieb er oft in finanziellen Schwierigkeiten, was seine Lebensgeschichte umso tragischer machte.
Der Einfluss von Glücksspiel auf die musikalische Kunst
Ein dunkler Schatten lag über Wieniawskis Leben: seine Neigung zur Spielsucht. Diese Leidenschaft führte ihn oft in riskante Situationen, in denen er nicht nur Geld, sondern auch wertvolle Besitztümer verlor. Berichten zufolge soll er einmal beim Pokern gegen den belgischen Geiger Henri Vieuxtemps verloren haben und sich verpflichtet haben, ein Musikstück für ihn zu komponieren. Diese Spielsucht war nicht nur eine Quelle finanzieller Probleme, sondern auch ein ständiger Kampf, der seine Gesundheit und sein künstlerisches Schaffen beeinträchtigte.
Besonders das Spielkasino in Wiesbaden, das zu dieser Zeit als eines der elegantesten und bekanntesten Casinos Europas galt, wurde zu einem Vorbild für viele Spieler seiner Zeit. Wieniawski teilte seine Spielleidenschaft mit anderen prominenten Persönlichkeiten, darunter der Schriftsteller Fjodor Dostojewski, der selbst ein bekannter Spieler war und dessen Erfahrungen mit dem Glücksspiel in seinem Roman „Der Spieler“ verarbeitet wurden. Heute gibt es im Wiesbadener Casino sogar einen Saal, der nach Dostojewski benannt ist, was die Verbindung zwischen Kunst und Glücksspiel unterstreicht.
Wieniawski war nicht allein in seiner Leidenschaft für das Spiel. Auch andere berühmte Zeitgenossen wie der Komponist Franz Liszt und der Schriftsteller Heinrich Heine waren für ihre Neigung zum Glücksspiel bekannt. Diese gemeinsamen Erfahrungen schufen eine besondere Verbindung zwischen den Künstlern und dem Glücksspiel, das oft als Flucht vor den Herausforderungen des Lebens diente.
Wieniawski und die Zukunft der Musik – ein inspirierendes Erbe?
Ein Höhepunkt des Abends war die musikalische Darbietung von Wieniawskis Werken, die die Zuhörer in ihren Bann zog. Die Kombination aus technischer Brillanz und emotionalem Ausdruck, die Wieniawski auszeichnete, wurde von den Akademisten der Akademie für Tonkunst unter der Leitung des Musiklehrers Rüdiger Lotter eindrucksvoll vermittelt. Besonders berührend war die Aufführung seiner „Legende“, die er einst für die Tochter eines englischen Brautvaters komponierte, um dessen Herz zu gewinnen. Diese Werke werden heute von Musikschülern im Alter zwischen neun und achtzehn Jahren gelernt und zeugen von Wieniawskis bleibendem Einfluss auf die Geigenausbildung.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch Wieniawskis bedeutende Kompositionen wie die „Polonaise de concert D-Dur op. 4“ und das „Violinkonzert Nr. 2 op. 22 d-Moll“ aufgeführt. Diese Werke wurden mit der „Sonate für Violoncello und Klavier“ von Frédéric Chopin sowie Paganinis „Caprice Nr. 14“ verglichen. In den anschließenden Gesprächen wurde die Frage aufgeworfen, ob Wieniawski als Role Model für die Zukunft der Musik dienen kann. Die Diskussion beleuchtete, dass heutige Musiker oft mehr als Interpreten denn als Komponisten wahrgenommen werden. Ihr Repertoire ist größer und vielfältiger als das der früheren Generationen, was die Herausforderungen und Möglichkeiten der modernen Musikwelt widerspiegelt. Die Zuhörer waren sich einig, dass Wieniawski, mit seiner Kombination aus technischer Virtuosität und emotionaler Tiefe, ein inspirierendes Vorbild für angehende Musiker bleibt.
Wieniawskis tragisches Ende: Ein Leben zwischen Ruhm und Erschöpfung
Die ständige Belastung durch seine Spielsucht und die damit verbundenen finanziellen Sorgen führten zu einer dramatischen Wendung in Wieniawskis Leben. Trotz seiner Erfolge und der vielen Konzerte, die er gab, war er oft in Geldnot. In Amerika gab er in nur acht Monaten 215 Konzerte, doch die hohen Spielschulden ließen ihm keine Ruhe. Als in New York die ersten Symptome einer Herzerkrankung auftraten, rieten ihm die Ärzte zur Ruhe. Doch die drückenden Schulden zwangen ihn, weiter aufzutreten.
Sein letztes Konzert in Moskau absolvierte der 45-Jährige nur im Sitzen, da seine Gesundheit stark angeschlagen war. Nach diesem Auftritt brach er zusammen und wurde von Nadeschda von Meck, der Gönnerin Tschaikowskys, aufgenommen. In ihrem Haus verstarb er nur wenige Tage später, völlig mittellos und gezeichnet von den Strapazen seines Lebens. Wer Lust auf mehr Wieniawski bekommen hat kann, das Buch „Zauberer der Geige“ von Mateusz Borkowski für 19,80 beim Deutschen Poleninstitut erwerben.
Mit besten Grüßen vom Kulturbotschafter des UniWehrsEL
Wir verwenden Cookies, um unsere Website und unseren Service zu optimieren.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.