Darmstädter Cenerentola: Ein Märchen im knallbunten Freyer-Kosmos
Die Cenerentola, das Aschenputtel oder die Cinderella hat einen festen Platz im UniWehrsEL erobert. Mal im Kontext von Frauenbildern, denn in der Cenerentola geht es nicht nur um Märchen. Schon 1990 hatte Colette Dowling unter dem Stichwort Cinderella-Komplex beschrieben, wie die Frau sich richtig verhält, um vom Prinz abgeholt zu werden. Um getanzte Ost-West-Illussionen geht es der im grauen Ost-Berlin lebenden Cindy in „Cinderella 89“. Ganz aktuell ist Rossinis Aschenputtel (La Cenerentola) im April bis Mai 2025 hautnah in Darmstadt zu erleben. Die Bühne wird zur Spielwiese der Fantasie, die den Zuschauer auf eine Reise zwischen hoffnungsloser Romantik und surrealem Spektakel entführt – ein perfekter Mix den unser Kritiker des UniWehrsEL, I. Burn, hautnah am Premierentag am 15. März 2025 erlebte und gemeinsam mit einem restlos begeisterten Premierenpublikum frenetisch abfeierte.
Liebe Blogleser des UniWehrsEL,
Wie gelingt es, innere Sehnsucht nach einer heilen Märchenwelt und den schillernden Humor von Achim Freyer in Einklang zu bringen? Ganz einfach: mit seiner Darmstädter Cenerentola. In dieser Inszenierung verschmilzt der knallbunte Kosmos des legendären Regisseurs mit einer ordentlichen Prise Ironie zu einem Opernabend, der das Publikum nicht nur bezaubert, sondern auch zum Schmunzeln bringt.
Nun hat es den fleißigen Regisseur Achim Freyer auch ans Staatstheater Darmstadt verschlagen. Der 1934 in Berlin geborene Freyer ist ein Allrounder; ist Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner und bildender Künstler. Die Malerei und Grafik hat er in Berlin studiert, war Meisterschüler von Bertolt Brecht, übersiedelte 1972 nach West-Berlin und begann als Regisseur. Weit über die Grenzen Europas hinaus führten ihn seine Inszenierungen nach Amerika und Südkorea, immer von Preisen und Auszeichnungen überschüttet. Ein zweifacher documenta-Teilnehmer, ordentlicher Professor an der Universität der Künste in Berlin von 1976 bis 2002 gründete er 1988 das Freyer Ensemble, eröffnete 2013 in seiner Berliner Villa das Kunsthaus der Achim Freyer Stiftung und begeistert in der Spielzeit 2018/19 durch die Inszenierung Der goldene Topf nach E. T. A. Hofmann am Schauspiel Stuttgart.
Mit 90 Jahren putzmunter zeigte sich Achim Freyer beim Einführungsvortrag zur Premiere von Cenerentola. Die Aufführung, eine Übernahme von der Volksoper Wien aus dem Jahr 1996, ist das Entzückendste, was seit langer Zeit am Staatstheater Darmstadt zu sehen war. In bunten Rokokokostümen und mit dem Charme der Commedia dell’Arte (die italienische Komödie begegnete uns auch bei unserem Beitrag zu Pierrot) und bleibt diese Inszenierung trotz ihres stolzen Alters von fast 30 Jahren sehenswert. Freyers zauberhafter Kosmos lässt uns träumen, mit einer hoffnungslos romantischen Sehnsucht nach einer märchenhaften Idylle. Das irrwitzige Tempo bei der Figurenführung treibt uns durch eine Märchenwelt, die doch so viel über menschliche Schwächen offenbart.
Apropos „Commedia dell’Arte“. Das erinnert doch sofort an Marc Chagalls gleichnamiges Werk, das im Februar 25 als Leihgabe ins Städel Museum gezogen ist und dessen kommödiantische Stimmung sich nun an prominenter Stelle im Eingangsbereich des Städel Museums präsentiert. Auch während der Phase des Neubaus der Städtischen Bühnen bleibt es damit der Öffentlichkeit zugänglich.
Eine Geschichte mit Wendungen
Rossinis Cenerentola unterscheidet sich ironischerweise deutlich vom bekannten französischen Märchen. Hier gibt es keine magische Kürbis-Kutsche oder gläsernen Schuh, sondern eine Geschichte voller Verwechslungen und Überraschungen. Angelika, die gutherzige Hauptfigur, dient ihrem eitlen Vater Don Magnifico und ihren überheblichen Schwestern Clorinda und Tisbe. Der Prinz, ein treuherziger, aber etwas naiver junger Mann, tauscht mit seinem Kammerdiener Dandini die Rollen. Dandini, eine Parodie eines hochmütigen Prinzen, gibt sich großspurig, während der echte Prinz als Diener auftritt, um die wahren Charaktere der Menschen zu enthüllen. Dandini und der Prinz – was für ein göttliches Duo! Beide tragen das gleiche noble Gewand, aber während einer von ihnen tatsächlich blaublütig ist, verleiht der andere dem Begriff „Standesdünkel“ eine völlig neue Dimension.
Der Prinz, ein treuherziger, leicht naiver junger Mann, nähert sich der Gesellschaft mit der rührenden Ernsthaftigkeit eines Kindes, das zum ersten Mal höfische Spiele ausprobiert. Dandini hingegen? Der Kammerdiener nimmt seine Rolle als falscher Prinz so ernst, dass man meinen könnte, er habe im Schlafkämmerchen heimlich Theaterwissenschaften studiert. Mit aufgesetzter Arroganz stolziert er durch die Szenerie, der Inbegriff eines hochnäsigen Prinzen. Während der Prinz noch versucht, durch bodenständige Gespräche das wahre Wesen der Menschen zu ergründen, lebt Dandini seinen Traum von Adel voll aus: pompöse Worte, überzogene Gesten und ein Benehmen, das einem alten Bühnenklischee entsprungen scheint. Man fragt sich fast, wer hier eigentlich die größere Lebensfreude hat – der echte Prinz, der mit seinem moralischen Anliegen kämpft, oder Dandini, der die ganze Sache als großartige Bühnenshow betrachtet.
Das wahre Highlight? Der Moment, in dem der echte Prinz zaghaft versucht, wieder die Kontrolle zu übernehmen, während Dandini immer noch tief in seiner Rolle verhaftet ist – so sehr, dass man fast glaubt, er würde auch nach der Enttarnung mit der königlichen Krone abhauen.
Alidoro, der Lehrer des Prinzen, testet die Herzen der Frauen als verkleideter Bettler – eine Hürde, die Clorinda und Tisbe mit ihrem schlechten Benehmen und mangelnder Empathie nicht bestehen. Am Ende ist es Angelikas gutes Herz, das den Prinzen für sich gewinnt – ohne Zauberei, aber mit einer moralischen Botschaft: Wahrhaftigkeit triumphiert.
Mit freundlichen Grüßen und der großen Hoffnung auf einen Kommentar von Ihrer Seite Ihr I. Burn vom Team UniWehrsEL
Danke für Impressionen und das Bild der Aschenputtel-Accessoires von Bianca Van Dijk auf Pixabay
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