Nicht erst mit der Eröffnung des Humboldt-Forums in Berlin ist eine Diskussion um deutsche Kolonialmacht, Raubkunst und Genozid entbrannt. Der Film Der vermessene Mensch von Lars Kraume thematisiert die deutschen Kolonialverbrechen in Namibia zwischen 1904 und 1908. Die Bedeutung dieses Films für das Humboldt Forum war einer Pressemitteilung von März 2023 zu entnehmen: „… als aktueller Ausstellungsort des Ethnologischen Museums und seines Kooperationsprojekts zu den Sammlungen aus Namibia ist die Erinnerung an diesen Genozid und seine Aufarbeitung ein wichtiges Anliegen“. Zum Film „Der vermessene Mensch“ hat uns ein Leserbrief erreicht, den wir gerne veröffentlichen möchten und für Ihre Kommentare dazu im Voraus Danke sagen.
Liebe UniWehrsEL-Leser,
vor kurzem bin ich durch ein Filmangebot von Arte auf einen, aus der Sicht eines geschichtlich interessierten Menschen, hochaktuellen Film mit dem Titel „Der vermessene Mensch“, gedreht in 2022, aufmerksam geworden. Der Spielfilm wurde als ein deutscher Beitrag auf der Berlinale 2023 gezeigt.
Die Berlinale ist ein renommiertes internationales Filmfestspiel. Teil des „Cast“ des Films war auch die Schauspielerin Corinna Kirchhof. Diese dürfte regelmäßigen Besuchern des „Schauspiel Frankfurt“ ein Begriff sein. Damit ist ein Bezug zu Frankfurt hergestellt. War sie doch viele Jahre von 2015 bis 2017 festes Ensemblemitglied am Schauspiel Frankfurt und ab 2018 immer wieder in Gastrollen zu erleben. Zur Zeit ist sie Mitglied des Berliner Ensembles.
Im Film „Der vermessene Mensch“ spielt sie die Rolle der Mutter der Titelfigur. Der Film thematisiert die deutschen Kolonialverbrechen im heutigen Namibia.
Am 02. 11. wurde der Sigmund-Freud-Preis 2024 an den Ethnologen Karl Heinz Kohl verliehen, der sich in seiner wissenschaftlichen Prosa mit der Rekonstruktion des Verhältnisses der Europäer zu den indigenen Kulturen, von der Frühen Neuzeit bis in die Moderne, beschäftigt. Dies zeigt wie hochaktuell der Film „Der vermessene Mensch“ noch immer ist. Inhaltlich spielt im Film ebenfalls ein Ethnologe die Titelrolle.
Die Story wird aus Sicht des jungen Doktoranden Alexander Hoffmann erzählt. Dieser begegnet der namibischen Kultur zum ersten Mal auf einer sogenannten „Völkerschau“. Völkerschau ist ein Sammelbegriff für die kommerzielle Zurschaustellung von sogenannten „Wilden“ oder als exotisch bezeichneten Menschen in Zoos, Vergnügungsparks oder anderen kolonialen Ausstellungen. Diese Arten der Völkerschau gab es z.B. von 1878 bis 1931 auch im Frankfurter Zoo. Sie waren sehr populär und werden in der heutigen Zeit kritisch beleuchtet, weil sie rassistische Vorurteile in den Köpfen der Besucher förderten.
Alexander Hoffmann soll auf einer solchen Völkerschau in Berlin die Köpfe, der von Kaiser Wilhelm II. persönlich eingeladenen „Herero Delegation“ vermessen. Er kommt mit einer Frau namens „Kezia“ ins Gespräch. Dies weckt sein Interesse, mehr über die Kultur der Herero erfahren zu wollen.
Entgegen dem Rat seiner Mutter – diese sorgt sich um seine wissenschaftliche Karriere – bereist Alexander Namibia und wird Teil des Soldatentrosses, welches gegen die Herero eine Strafexpedition organisiert. Dabei wird er auch Zeuge von Gräueltaten an der namibischen Bevölkerung. Er wird Teil der Konflikte zwischen den Stämmen Nama und Herero und der wechselvollen Beziehung der Deutschen zu diesen Stämmen. Er begibt sich auch auf die Suche nach der Frau, welche er auf der Völkerschau traf. Dies geschieht inoffiziell.
Sein offizieller Auftrag bleibt wissenschaftlicher Natur. Alexander soll die wichtigsten Artefakte der Herero, wie etwa Schädel für die deutsche Museumslandschaft, sichern. Die Person Alexander Hoffmann ist eine fiktive Figur. Eingearbeitet in den Film sind historische Fakten, die bebildert werden. Die Story ist aus der Sicht eines weißen Forschers erzählt, der an seinen Grundsätzen durch die Kriegserklärung zweifelt.
Die Story wird nicht aus der Perspektive der unterdrückten Herero erzählt. Dies wird z.B. in der Kritik der Taz bemängelt. Alexander bleibt ein Beobachter und kehrt nach Berlin zurück. Auf seiner Reise trifft er auch seinen Doktorvater und ist darüber befremdet, dass dieser sein sicheres Hotel nicht verlässt und den Krieg als Tourist wahrzunehmen scheint.
Der Film „Der vermessene Mensch“ erscheint als gute Möglichkeit, sich mit der deutschen Kolonialzeit zu beschäftigen. In der Kritik zum Film heißt es, er liefere einen wichtigen Impuls: „… , der eine Erweiterung der deutschen Erinnerungskultur herbeiführt und in jedem Falle aufstört. Insbesondere durch die Rahmung eines Wissenschaftlers, der sich nach und nach dem System andient, für die Karriere seine eigenen Überzeugungen und seine empirische Evidenz verrät und stattdessen eine rassenideologische Lehre vertritt, die eindeutig als falsch nachgewiesen wird, wird deutlich, wie Rassismus entstehen konnte und wieso er sich bis heute so stark festsetzt.“
Über einen Kommentar dazu würde ich mich sehr freuen!
Danke für das Namibia Bild von paul24 auf Pixabay