You are currently viewing Händels Semele oder Befindlichkeiten eines Liebespaares

Guten Morgen,

am 07.05. habe ich mir im Stream der Oper Zürich Händels Semele in einer Inszenierung des kanadischen Regisseurs Robert Carsen aus 2007 angesehen. In der Titelrolle Cecilia Bartoli. Die Aufführung ist noch bis Sonntag bei der Oper Zürich abrufbar. Semele ist ein Oratorium von Händel. Hinter einem Oratorium vermutet der Zuhörer einen religiösen Text oder Geschichte. Damit liegt er aber total falsch.

Semele ist keine Figur aus der Bibel, sondern eine Person aus der griechischen Mythologie. Daher hätte sie viel besser zu einer Oper gepasst als zu einem Oratorium. Manche Kritiker vermuten deshalb auch dass Händel Semele eigentlich für die Opernbühne statt für eine Kirche konzipiert hat aber weil die Produktion zu teuer war und er sie dennoch herausbringen wollte dann eben als Oratorium herausbrachte.

Wer ist Semele? Semele ist eine der vielen Eroberungen vom griechischen Göttervater Zeus, der aber in der Oper Semele den römischen Namen Jupiter trägt wie auch alle Figuren. Denn die Literaturvorlage von Semele stammt aus den Metamorphosen von Ovid und der ist ein römischer Schriftsteller. Also tragen die Götterfiguren die römischen Namen. Somit wäre das auch eindeutig geklärt.

Im ersten Akt soll die naive Semele einen jungen Prinzen heiraten. Semele ist jedoch schon mit dem Göttervater Jupiter zusammen und betet zu ihm er möge diese Ehe verhindern. Daraufhin verweigert Jupiter der Hochzeit seinen Segen. Darum kann die Hochzeit nicht stattfinden. Doch damit nicht genug, lässt Jupiter Semele auch noch schnell von der eigenen Hochzeit entführen und ein Bote verkündet der verdutzten Hochzeitsgesellschaft, dass Semele von nun an “unendliche Freuden” im Himmel verspüren werde.

Der Regisseur Robert Carsen hat mit der griechischen Mythologie nichts am Hut. Sie kommt in seiner Inszenierung nicht vor. Carsen verlegt die Handlung an den britischen Königshof. So sieht der Zuschauer einen roten Teppich auf dem Semele einer großen Tür entgegenschreitet.

Jupiters Ehefrau Juno sitzt in ihrer ersten Szene auf dem Thron und lässt sich von ihrer Vertrauten Iris über den neusten Hofklatsch informieren. Der steht praktischer Weise Schwarz auf Weiß in der Zeitung. Kein Wunder also, dass die Königin ihre Sachen packt und ihrem Gatten mit Geliebten hinterher reist.

Derweil liegt Semele im blauen Himmelbett und empfängt Liebkosungen von Jupiter und anschließend allerlei Geschenke wie schöne Kleider, Schmuck und viele Huldigungen und bewundernde Blicke der Diener. Bei Carson strebt Semele nicht wie ursprünglich die Unsterblichkeit bzw. Göttlichkeit an, sondern wirft ein Auge auf den englischen Thron.

Parallel besucht die Königin den Gott des Schlafes im Original um den Drachen der Semele vor Junos Zorn bewachen soll einzuschläfern. Bei Carson ertappt die Königin ihren Diener in Unterhose mit einer Dame und gibt somit das Versteck von Semele preis.

Nun kostümiert sich die Königin als Dienerin und hält ihr einen Spiegel mit Königskrone hin. In der Mythologie verliebt sich Semele dank Zauberspiegel in sich selbst. Bei Carsen weckt die Königin bei ihrer Rivalin den Wunsch ebenfalls Königin zu werden. So wird Semele zwar nicht von Jupiters Licht zermahlen. Jedoch muss Semele den Hof in die Verbannung verlassen. Sie kehrt auch nicht als Phönix aus der Asche zurück, sondern Jupiter entdeckt schon während der nächsten Audienz eine neue potentielle Geliebte. So kann der Kampf zwischen König und Königin munter weitergehen.

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:15. Mai 2021
  • Lesedauer:4 min Lesezeit