Du betrachtest gerade „Laika und Margarita“ – Ein Schauspiel über Mensch und Tier am Staatstheater Darmstadt

Warum haben Menschen eine so enge Verbindung zu Hunden? Ist es die bedingungslose Liebe, die Loyalität oder die Fähigkeit, uns in unseren dunkelsten Momenten Trost zu spenden? Diese Fragen werden in dem Stück „Laika und Margarita“ am Staatstheater Darmstadt auf eindrucksvolle Weise behandelt. Regisseur und Autor Christian Franke bringt uns eine Geschichte, die nicht nur die legendäre Hündin Laika in den Mittelpunkt stellt, sondern auch die tiefen philosophischen Fragen des Lebens, die in Michail Bulgakows Meisterwerk „Der Meister und Margarita“ verankert sind.

Lieber Leser des UniWehrsEL,

der ab 1928 entstandene Epochenroman „Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow handelt von dem Aufeinandertreffen eines begabten Künstlers mit tyrannischer Macht. Erst 1966 konnte er in zwei Teilen der Zeitschrift Moskwa erscheinen, wobei 13 Prozent des Textes zensiert wurden.

„Meister und Margarita“ und ihr Autor sind in Russland Kult (es gibt auch ein Bulgakow-Museum). Die Verehrung des Werks trägt beinahe religiöse Züge. Der Teufel persönlich erscheint mit mehreren spaßig-diabolischen Assistenten im stalinistischen Moskau der 1930er-Jahre und mischt die Metropole gründlich auf: Er schädigt, blamiert, foppt und ängstigt die Menschen, die sich durch seine Tricks selbst als gierige Verräter entlarven. Verschont werden nur Margarita und ihr Geliebter, der Meister, Autor eines Pontius-Pilatus-Romans. Bulgakows Werk ist so komisch, aber auch ergreifend und manchmal finster – ein besonders lesenswertes Sprachkunstwerk. Regisseur und Autor Christian Franke lässt auf der Bühne die Romanfigur Margarita und die berühmte erste Hündin Laika, den ukrainischen Raketenkonstrukteur Koroljow und den Spross einer Zirkusdynastie aufeinanderprallen.

Laika, die Hündin, die 1957 als erstes Lebewesen ins All geschossen wurde, ist nicht nur ein Symbol für den Fortschritt der Wissenschaft, sondern auch für das tragische Schicksal der Tiere, die für menschliche Ambitionen geopfert werden. Ihr Tod, noch bevor sie eine Erdumrundung vollenden konnte, wirft einen Schatten auf die Errungenschaften der Raumfahrt.

Diese traurige Realität wird im Schauspiel Darmstadt durch die Wahl der Puppe, die Laika darstellt, eindrucksvoll verdeutlicht. Die Puppenspielerin Bianka Drozdik verleiht der Klappmaul-Konstruktion Leben, und die Zuschauer erleben, wie die Puppe mit dem Kopf wackelt, mit dem Schwanz wedelt und durch die Lüfte springt. Diese Darstellung ist nicht nur eine technische Meisterleistung, sondern auch eine bewusste Erzählentscheidung, die das Tier als Projektionsfläche für unsere eigenen Emotionen und Gedanken nutzt.

Anders als in der traurigen Realität, in der Laika zwangsläufig sterben muss, wird Margarita, die Hexe – gespielt von Alexksandra Kienitz – aus Bulgakows Roman, zur Retterin von Laika. Sie reist durch Zeit und Raum, um das Schicksal der Hündin zu ändern. Warum möchte sie Laika retten? In einer Welt, in der das Leben oft als funktional und austauschbar betrachtet wird, symbolisiert das Streben nach Rettung die Hoffnung auf Mitgefühl und Menschlichkeit. Es stellt sich die Frage, ob die Menschen bereit sind, für die, welche sie bedingungslos lieben, einzustehen.

Das Stück regt nicht nur zum Nachdenken über die Beziehung zwischen Mensch und Tier an, sondern auch über die philosophischen Fragen des Lebens, die im „Meister und Margarita“ behandelt werden. Der Roman ist ein Kultwerk, das die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischt und den Zuschauer dazu einlädt, über die Natur des Guten und Bösen, die Freiheit des Willens und die Suche nach Sinn des Lebens nachzudenken. Es ist empfehlenswert, aber nicht unbedingt nötig den Roman vorher gelesen zu haben. Denn die Gedanken sind so universell, dass sie auch so beim Zuschauer haften bleiben. Es ist auch nicht erforderlich, jeden Gedanken der im Stück fällt, zu analysieren. Es geht mehr darum, auf eine Gedankenreise zu gehen.

Die Gespräche zwischen dem sowjetischen Wissenschaftler Korolojow, gespielt von Jörg Zirnstein, und dem Zirkusmann Durow, gespielt von Stefan Schuster, auf der Raumfahrtrampe in Baikonur spiegeln diese oben genannten Themen wider. Sie diskutieren über Raketen, Träume und das, was war – und das, was hätte sein können. Diese Dialoge laden das Publikum ein, über die eigenen Träume und die Möglichkeiten des Lebens nachzudenken: Sergej Koroljow ist der geniale Kopf hinter dem Raketen- und Raumschiffbau in der Sowjetunion. Dmitrij Durow war zunächst ein Zirkusartist.

Beide Personen könnten kaum unterschiedlicher sein. Koroljow, der unter dem Regime Stalins sogar in den Gulag musste, hat sich trotzdem nie von seinem Traum der Raumfahrt abbringen lassen. Mit seinem unermüdlichen Einsatz hat er die sowjetische Raumfahrtgeschichte geprägt. Durow, der im Zirkus mit seinen Tieren für Aufsehen sorgte, ist ein ganz anderer Typ. Er hat eine kreative Sichtweise. Sein Umgang mit Tieren zeigt, dass man auch mit ungewöhnlichen Methoden Großes erreichen kann.

In der Pause wird durch eine Zeitungsverkäuferin eine Zeitung kostenlos verteilt, in der die Zuschauer noch mehr erfahren sollen, zum Beispiel warum haben Menscheneigentlich Angst vor Hexen?

In einem bewegenden Moment des Stücks tritt Smilla, eine echte Hündin, gegen Ende auf die Bühne. Dieser Moment verwandelt die Puppe in ein echtes Tier mit seinen Gefühlen. Die echte Laika hatte leider nicht das Glück, gerettet zu werden. „Sie hatte bestimmt Angst … aber ich glaube, diese Angst kannte sie bereits aus ihrem ersten Leben auf den Straßen Moskaus. Wie alle Hündinnen und Hunde des sowjetischen Weltraumprogramms war sie eine Streunerin“, erzählt der Regisseur Christian Franke über Laikas Reise ins All.

 „Laika und Margarita – Eine kosmische Korrekturmaßna- wuff wuff!“ lädt den Zuschauer ein, über die gesellschaftliche Verantwortung gegenüber den Tieren und Wissenschaft nachzudenken. Es erinnert den Zuschauer daran, dass hinter jeder wissenschaftlichen Errungenschaft auch eine Geschichte von Verlust und Opferbereitschaft steht.

Mit besten Grüßen vom Kulturbotschafter des UniWehrsEL

Übrigens: Die vielschichtige Satire von Michail Bulgakow „Der Meister und Margarita“ gilt als bester literarischer Kommentar zur Stalin-Ära. Regisseur Michail Lockshin hat sie neu verfilmt: mit fantastischer Sowjet-Architektur, exzellenten Schauspielern, darunter August Diehl als Teufel, und etlichen Parallelen zur Ära Putin.

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  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:7. Juni 2025
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