Du betrachtest gerade Marionette, Gliederpuppe an Fäden oder eine Person, die von anderen kontrolliert wird?

Fortsetzung des Beitrages von Heiner Schwens

Eine Marionette ist einerseits eine leblose Theaterfigur, die ein Spieler auf einer Bühne so spielt, dass sie dem Zuschauer scheinbar als ein lebendiges selbständig Wesen erscheint. Andererseits nutzt man das Wort auch im übertragenen Sinne. Damit ist dann ein Mensch gemeint, der alles macht, was ein anderer ihm sagt, z. B: Eine Regierung, die den Befehlen fremder Staaten folgt, nennt man daher auch Marionettenregierung.

Gottfried Munkler spricht unter Beachtung dieses Phänomens am 15. Dezember 2021 in „Marionette: Definition, Bedeutung und Ursprung eines Phänomens“ von einem „Januswort“. Ein Januswort ist ein Wort, das zwei Bedeutungen hat. Dabei ist die eine Bedeutung das genaue Gegenteil von der anderen.

Beispiele:

  • Anhalten: Etwas kann entweder eine ganze Weile andauern oder zum Stillstand kommen.
  • Aufheben: Hier will man sich etwas für später aufbewahren oder zum Stillstand kommen.

„Es liegt also an den unterschiedlichen Sichtweisen oder, dass ein Wort falsch verwendet wird und das immer und immer wieder, so dass der ursprüngliche Sinn verloren geht, oder parallel weiter existiert“, so definiert es Munkler, im Kontext der etwas anderen Bedeutung einer Marionette, nämlich der eines Menschen, der unter dem Befehl eines anderen steht.

Darüber habe ich mir meine eigenen Gedanken gemacht und Carl Gustav Jungs Konzepte herangezogen und in den Zusammenhang mit der Marionetten-Metapher gestellt.

Carl Gustav Jungs Konzept der Marionette erscheint mir eng mit seinen Ideen zu Archetypen und dem Schatten verbunden; der Mensch wird zur Marionette, wenn er unbewusst von diesen Archetypen, vor allem von dem Schatten gesteurt wird, was zu Konflikten und Leid führen kann, bis er durch Individuation (das Ich wird Herr im eigenen Haus) die Fäden selbst in die Hand nimmt und sein volles Potential entfaltet. Diese Analogie beschreit den Zustand, indem das „Ich“ nicht die Kontrolle hat, sondern von unbewussten Kräften gezogen wird – eine Form der Entfremdung von seinem wahren Selbst. Der Mensch fühlt sich wie eine Marionette, wenn er sich von inneren Trieben, gesellschaftlichen Erwartungen (Persona)oder ungelösten Komplexen (Schatten) fremdbestimmt fühlt, anstatt selbstbestimmt zu handeln.

Wie eine Marionette auf der Bühne ist der Mensch gefangen in Rollen, die er nicht selbst gewählt hat, was zu inneren Spannungen führt, insbesondere wenn das bewusste Ich (Ego) gegen die Kräfte des Unbewussten kämpft.

Der „Schatten“ als Marionettenspieler:

Der Schatten, das Verdränge und Unerwünscht in uns, kann wie ein Puppenspieler zu Handlungen verleiten, die nicht den bewussten Zielen entsprechen. Um sich dessen bewusst zu werden, ist der erste Schritt die Erkenntnis, dass man eine Marionette ist, das heißt, die unbewussten Muster und Triebe wahrzunehmen.

Durch die Auseinadersetzung mit dem Schatten und anderen Archetypen, wie dem animus/anima (Beispiel auf im Beitrag „Blühen„), lernt das Ich diese Kräfte zu integrieren, statt von ihnen beherrscht zu werden. Das Ziel ist die Selbstwerdung, bei der der Mensch die Fäden seines Lebens in die Hand nimmt und eine authentischePersönlichkeit entwickelt, frei von der Fremdbestimmung durch das Unbewusste.

In Jungs Werk findet man diese Metapher oft in Träumen und Mythen, wo Figuren symbolisch durch übermächtige Kräfte bewegt werden, bis sie die eigene Autonomie erkennen.

CG Jungs (Dt. Philosoph) Konzepte im Zusammenhang mit der Marionetten- Metapher

CG Jung benutzt das Konzept der Marionette, in dem er Personen beschreibt, die sich durch unbewusste Komplexe und unpersönliche, kollektive Kräfte gesteuert fühlen.

In seinen Werken verwendet er allerdings nicht den Begriff „Marionette“, „aber die Vorstellung, dass ein Individuum unbewussten Kräften unterliegt, die sein Verhalten lenken, spiegelt sich in seiner Theorie über die Archetypen, nämlich das kollektive Unbewusste und die gefühlsbetonten Komplexe wider“.

C.G. Jung hat seine Gedanken in seinem „Roten Buch“ festgehalten.

https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/bilder-des-unbewussten-011226.html: .Das Rote Buch mit seinen spektakulären Bildern hat bei vielen Menschen ein großes Interesse an C. G. Jung geweckt – nicht an Jung, dem großen Arzt und Tiefenpsychologen, sondern an Jung, dem Schöpfer eindrucksvoller Bilder und Kalligraphien. Dieser neue, aufwändig gestaltete Bildband bietet einen weiteren umfassenden Eindruck von C. G. Jungs gestalterischer Tätigkeit.

Jungs Konzepte im Zusammenhang mit der Marionetten-Metapher

  1. Archetypen: Archetypen sind universelle, angeborene Urbilder oder Muster von Verhaltensweisen und Charakteren, die tief im kollektiven Unbewussten aller Menschen verankert sind. Sie können sich wie Marionettenfäden im Menschen manifestieren und ihn in seinen Entscheidungen und seinem Verhalten leiten, „oft ohne sein Wissen“.
  • Komplexe: Für ihn sind Komplexe „verinnerlichte, konfliktreiche Erfahrungen im Unbewussten, die mit starken Emotionen einhergehen und den Menschen beeinflussen, und sein Handeln bestimmen, wie die Fäden einer Marionette.
  • Analytische Psychologie: Das Ziel seiner therapeutischen Arbeit bestand darin, dass seinen Patienten die unbewussten Kräfte bewusst werden, die ihr Leben steuern. So sollen sie aus der Marionettenrolle ausbrechen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Wer noch mehr über C. G. Jung im Kontext von Puppen erfahren will, dem sei zu „Der Sandmann“ mit Bezug zu „Schatten“ und „Doppelgänger-Motiv“ empfohlen.

Wie sieht der Zuschauer die Marionette auf der Bühne:

  1. Etwas, was nicht lebendig ist, verhält sich auf der Bühne wie ein lebendiges Wesen mit freiem Willen.
  2. Die Imagination wird um so erklärlicher, je besser die Darbietung ist.
  3. Da die Marionette nicht lebt, hat der Spieler die perfekte Kontrolle über sie.

Fazit: Ein Mensch, der unter der perfekten Kontrolle eines anderen steht, wird als Marionette bezeichnet. Auch, wenn einer nichts mit Marionetten zu tun hat, versteht er diesen Vergleich.

Wie sieht im Vergleich dazu der Marionetten-Spieler „seine“ Marionette?

  1. Für ihn ist die Marionette zunächst ein Instrument, das er fürs Theater verwendet.
  2. Die Marionette erzählt Geschichten, es werden Gefühle und andere Möglichkeiten menschennaher Empfindungen ausgedrückt.
  3. Die Marionette ist für den Spieler ein Wesen, in das er schlüpft, um mehr oder anderes sichtbar zu machen. Er erfüllt sie mit Dasein. Er ist mit ihr aufs Engste verbunden, denn sie ist für ihn ein Lebewesen. Wenn diese Empathie den Zuschauer auch erreicht, dann kommt es zu einer Einheit des Erlebten.  
  4. „Wenn ein Spieler sich nicht auf die Marionette einlässt und er nicht zu der Figur wird, dann wird sein Spiel darunter leiden. Der Spieler stellt sich also auf die Marionette ein, und nicht umgekehrt“.

Herzlichen Dank, lieber Heiner Schwens für diesen interessanten Beitrag, der fortgesetzt wird. Danke auch an Pixabay, besonders Gerd Altmann für die spannenden Impressionen!