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Oft ist eine Krise der Punkt, an dem man sich dazu entscheidet, etwas in seinem Leben zu verändern. Einen Entschluss zu fassen, ist an eine bestimmte Erwartung geknüpft und hat Konsequenzen. Mit dem Mut sich für eine Veränderung zu entscheiden, ist oft auch eine unbestimmte Angst verbunden, die Angst vor dem Scheitern. Es beginnen die Zweifel, ob diese Veränderung wirklich eine gute Idee ist.

In seinem Buch „Hudson River. Die Kunst schwere Entscheidungen zu treffen“ beschreibt der Unternehmer, Managementtrainer, Berufspilot und Fluglehrer Peter Brandl dieses Erfolg vermeidende Verhalten unter dem Namen „Methatesiophobie“. Der Name komme aus dem Griechischen und bedeute „Umstellung“, also sei damit die Angst vor Veränderungen gemeint. Menschen, so fährt er fort, würden nicht den Erfolg fürchten, sondern die Veränderungen, die ein Erfolg zwangsläufig mit sich bringe. Veränderungen lösten Angst oder Unsicherheit aus und damit auch Hemmungen, den letzten konsequenten Schritt zur Veränderung zu wagen.

Diese Veränderungen bedeuten zum Beispiel, so Brandl, im Berufsleben eine neue Rolle zu übernehmen, der Leistungsdruck wird größer, die Wochenenden weniger verfügbar. Sprachkenntnisse werden gefordert, das Tragen eines Anzugs zur Pflicht. Hinzu könnte das veränderte Sozialleben kommen, wie etwa weniger Zeit für die Familie zu haben, Neider auf den Plan zu rufen, alte Freunde zu verlieren. Sozialangst löst nicht nur Angst vor dem Abstieg, sondern auch Angst vor dem Aufstieg aus. „Erfolgsangst“ bedeutet also Angst vor dem Unbekannten, vor Verantwortung, vor sozialer Ablehnung und oft auch keine Möglichkeit, wieder in sein altes Leben zurückzukehren. Um es mit den Worten von Oskar Wilde zu sagen: „In dieser Welt gibt es nur zwei Tragödien, die eine ist, nicht zu bekommen, was man sich wünscht, und die andere ist, es zu bekommen.“

Also was ist nun die Empfehlung von Brandl: die Selbstreflexion. Also sich seiner Ängste bewusst zu werden, um sie zu überwinden. Da wäre also als erstes die Frage, wovor man sich fürchtet. Nicht irrationale Angst-Gefühle sollten entscheidend sein, sondern das rationale Pro und Contra einer neuen Situation. Was war der Grund für die getroffene Entscheidung? Welche Chancen für eine Weiterentwicklung haben sich nun entwickelt? Bleibe Dein eigener Kapitän, bevor die anderen über dich entscheiden!

Nun bist nicht nur du im Zweifel, ob deine Entscheidung die richtige war, sondern die anderen fragen sich das auch, reflektiert Brandl. Jede Entscheidung könne mit einer Kritik der anderen verbunden sein, das müsse man auch aushalten können. Brandl führt die Schweinegrippe von 2009/10 an. In Erwartung einer damaligen Pandemie wurden 34 Millionen Impfdosen in Deutschlang bestellt, von denen aber nur fünf Millionen verbraucht wurden. Der Rest und das waren immerhin 196 Paletten Impfstoff, wurden in einem Magdeburger Müllheizkraftwerk verbrannt. Das bedeutete für die Bundesländer einen Verlust von 239 Millionen Euro, plus 14000 Euro Verbrennungskosten. Die Zeitungen nannten das „einen der größten Flops in der deutschen Gesundheitsgeschichte“.

Brandl betont, Kritik zu üben sei hier müßig, denn es gäbe bei Entscheidungen kein Richtig oder Falsch.

Wer entscheide, der tue dies immer in der Annahme das Richtige zu tun.

Denn niemals würde ein Mensch eine Entscheidung treffen, wenn er von vorneherein überzeugt sei, das Falsche zu entscheiden.

Das stelle sich immer erst im Nachhinein heraus.

Ist es letztlich nicht besser, überhaupt eine Entscheidung zu treffen, auch wenn sie sich nachträglich als falsch herausstellt?