„Visual Storytelling“ hieß das Schlagwort, mit dem wir uns in der letzten Woche im Seminar Storytelling auseinandersetzten. Nicht nur professionelle Fotojournalisten wollen mit ihren Aufnahmen Geschichten erzählen, sondern auch den bedeutenden Malern gelingt dies auf beeindruckende Art und Weise. Mitte des 19. Jahrhunderts öffnete sich Japan dem Westen mit ersten Handelsbeziehungen. Nichts wusste man vorher von diesem asiatischen Land und seiner Kultur und doch entdeckte man schnell faszinierende Gegensätze und bedeutende Gemeinsamkeiten.
Es ist eine ganz besondere Kunst, auch im Alltäglichen, im Altern oder im Zerbrochenen das Besondere zu entdecken. Dahinter steht die japanische Philosophie „wabi sabi“, die davon ausgeht, dass nichts vollkommen und nichts für immer ist, denn nichts steht still…
Im Einklang mit der Natur leben zu wollen ist zentral im Zen-Buddhismus, dessen höchstes Ziel das Erleben des Augenblicks ist. So geht es auch im wabi sabi darum, die Kräfte der Natur in ihrer Schönheit anzuerkennen. „wabi sabi“, so beschreibt es der japanische Philosoph Suzuki Nobuo, „ist Weisheit in der Imperfektion“. Diese zeigt sich in einer seiner Geschichten, in der ein Mönch beim Kehren des Herbstlaubs darauf achtet, im Garten des Zen-Klosters ein Blatt auf dem Boden liegen zu lassen. Es gehe im japanischen Ideal wie er beschreibt, weder um Einheitlichkeit und Symmetrie, sondern um die Natürlichkeit. Das gilt auch für die Fotographie und die Malerei. Die Darstellung einfacher Landschaften, einzelner Bäume oder karger Felsen lassen der Phantasie des Betrachters Raum.
Die japanische Kunst war und ist in Europa beliebt. Was weniger bekannt ist, den Japanern ging es umgekehrt genauso. Vor gut 25 Jahren kauften japanische Museen und global agierende Unternehmen geradezu rauschhaft und offenbar ohne Budget-Limit wertvolle Kunst, darunter viel Impressionistisches, aus Europa. Bekannt ist der Industrielle Kōjirō Matsukata, (1865-1950), der ein Freund von Claude Monet war. Er investierte in den 1920er-Jahren einen Großteil seines Vermögens in europäische Kunst des Impressionismus und legte damit den Grundstein des späteren „Nationalmuseums für Westliche Kunst“ in Tokio.
Umgekehrt präsentierte die Bundeskunsthalle 2015 einen Ausschnitt aus den bedeutendsten Sammlungen der frühen Moderne aus Japan. Im Zentrum standen sowohl dem europäischen Publikum bisher verborgene Meisterwerke der französischen Impressionisten und Postimpressionisten, unter anderem von Monet, Manet, Cézanne, Gauguin, Bonnard, Pissarro, Renoir, Sisley und van Gogh, als auch Werke japanischer Maler vor 1920, die die moderne, westlich inspirierte japanische Kunst begründeten.
Bleibt die Frage: Was ist es, was die gegenseitige Faszination begründet? Mit Sicherheit die, vor allem durch den Stil des Impressionismus großartig gespiegelte Naturverbundenheit. Darüber hinaus auch das Spiel mit Licht und Farbe, die ganz besondere Art der künstlerischen Erfassung der Jahreszeiten, die im Impressionismus so neu und überwältigend dargestellt wurde. Der Impressionismus verbindet sich so, mit der Welt- und Lebensanschauung des japanischen wabi sabi, die im Einklang mit der Natur ihre Gemeinsamkeit findet.