You are currently viewing Trillern der Nachtigall und ewige Selbstzweifel

Angeregt zu meiner Selbstreflexion hat mich einerseits der wunderschöne Gesang der Nachtigall im Beitrag unseres Webmasters Wer die Nachtigall stört, dann das Nachdenken über Shakespeares Romeo im gleichen Beitrag und seiner Aussage zu Philomele, der als Bestrafung in eine Nachtigall verzauberten Frau, einer Gestalt der antiken Mythologie (Ovid, Metamorphosen). Ganz besonders auch Hanna Millings Erzählung „Von Lerche, Pfau und Nachtigall“ (S. 292, 293) zu der sie Schlüsselwörter (in meiner Interpretation schwarz markiert) gibt und die in Kurzform lautet:

Der Adler hörte einst, dass die Nachtigall sehr gerühmt wurde, und er wollte Gewissheit haben, ob alles auf Wahrheit beruhe. Darum schickte er den Pfau und die Lerche aus: sie sollten das Federkleid der Nachtigall betrachten und ihren Gesang belauschen. Als sie wiederkamen, sprach der Pfau: „Der Anblick ihres erbärmlichen Kittels hat mich so verdrossen, dass ich ihren Gesang gar nicht gehört habe.“ Die Lerche sprach: „Ihr Gesang hat mich so entzückt, dass ich vergaß, auf ihr Federkleid zu achten.“

Der ewige Zweifel, oder warum kann ich nicht einfach losträllern? Man kann alles von verschiedenen Sichtweisen aus betrachten. Da wäre einmal die Ebene des Vergleichs: warum ist der oder die Andere erfolgreicher als ich, obwohl ich mich doch so anstrenge, ihm oder ihr aber anscheinend gelingt es mühelos. Ich unterstelle mich mehr anzustrengen, also steht mir auch mehr Erfolg zu.

Was sind denn meine Bewertungsmaßstäbe, an denen ich Erfolg überhaupt festmache? Erfolg muss sich einstellen, wenn ich hart arbeite oder wie das amerikanische Motto lautet: „Hard work leads to success!“ Quasi ein Schlüssel zum Erfolg. Der ist im Deutschen nur dem hart arbeitenden beschieden, denn „Erfolg hat auf die Dauer nur der Tüchtige!“

Da ist nun die Frage erlaubt: Was wäre dann eigentlich Erfolg?  In der Definition geht es um das Erreichen eines Zieles, das ich vorher definiert habe. Oder wäre Erfolg dann, wenn ich das erreiche, was nach allgemeiner Bewertung erstrebenswert ist? Mir scheint, ich bin schon erfolglos, wenn ich genau definieren will, was eigentlich Erfolg ist.

Es kommt auf die Perspektive an. Also versuche ich es einmal mit dem Wechsel derselben, also ein anderer Standort oder Standpunkt oder der Blick in eine andere Richtung, frei nach Einstein: „Probleme kann man nicht mit derselben Denkweise lösen, in der sie entstanden sind.“

Versuchen wir es anders. Warum ist Erfolg für mich ein so entscheidender Wert? Irgendwie scheint das mit einer Lebensvision verbunden zu sein, also ein äußeres Zeichen dafür, etwas Vorzeigbares geleistet zu haben. Schaut her, was ich kann, darum bin ich? Aber ist Leistung nicht relativ, also eine Aussage, die wir in einem bestimmten Kontext treffen, die für uns gilt, für andere vielleicht aber nicht?

Also, ob ich erfolgreich bin liegt, wie man so schön sagt, „im Auge des Betrachters“, kommt also nicht nur auf meinen Standpunkt an, sondern auch auf das „Feedback“, das ich von anderen bekomme … eigentlich ist das ganz positiv …

Mir als ewiger Zweifler:in wird auch hier ein „aber“ einfallen. Ich habe Erfolg, weil ich gut bin und mich sehr bemühe! Aber trage ich da nicht Scheuklappen, weil ich nicht sehen will, dass der oder die Andere eben doch besser ist (irgendwie bei viel weniger Mühe).