Die Sehnsucht nach dem Reisen ist ein Gefühl, das viele Menschen miteinander verbinden. Es ist die Vorstellung von fernen Orten, unbeschwerten Tagen und der Freiheit, neue Abenteuer zu erleben. Wenn ich an meine eigenen Reiseerinnerungen denke, kommen mir Bilder von strahlendem Sonnenschein, fröhlichen Menschen und dem Klang von exotischer Musik in den Sinn. Diese Sehnsucht wird auf wunderbare Weise im „Weißen Rössl“ am Staatstheater Darmstadt lebendig. Unter der Regie von Philipp Moschitz entführt den Zuschauer die Inszenierung in eine spritzige Operettenwelt, die mit einer leichten Ironie in den Dialogen spielt. Hier wird „die ganze Welt himmelblau“, und sympathische Figuren wie der Oberkellner Leopold und der charmante Piccolo, gespielt von Jendrik Sigwart, der Teilnehmer am ESC 2021, prägen das Geschehen. Doch was macht diese Inszenierung so besonders? Ist es die Liebe zur Kaiserin Sissi, die bunten Kostüme oder die spektakulären Tanzeinlagen?
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Die Szene, in der die Gäste am Wolfgangsee ankommen, ist ein wahres Fest für die Sinne. Die Vorfreude auf einen entspannten Urlaub wird jedoch jäh unterbrochen, als plötzlich der Regen einsetzt. Doch anstatt hastig nach Unterständen zu suchen, zücken die Gäste wie aus dem Nichts Regenschirme, und die Szenerie erinnert an die berühmte Szene aus „Singing in the Rain“. Mit einem fröhlichen Lächeln und einem schwungvollen Schritt tanzen sie im Regen, während die Regenschirme sich rhythmisch öffnen und schließen. Diese lebendige Darstellung bringt die Leichtigkeit und Lebensfreude des Stücks perfekt zur Geltung und verwandelt den Regen in ein fröhliches Spektakel.

Die verehrte Kaiserin und die bunten Kostüme
In dieser Welt der Nostalgie wird die Verehrung für die Kaiserin Sissi großgeschrieben. Sissi hat einen großen Auftritt in einer übergroßen Kutsche und droht später auf Heuballen. Sie kritisiert ihre Minister fürs Quatschen und untätig sein. Eine Anspielung an die heutige Zeit in der Politik als statisch an den Menschen vorbei regiert empfunden wird.
Das wandelbare Bühnenbild
Das Bühnenbild, das geschickt zwischen einer Scheune, einem Kuhstall und dem Vorplatz zum Empfang des Kaisers wechselt, trägt zur besonderen Atmosphäre des Stücks bei. Besonders eindrucksvoll ist die Szene im Kuhstall, in der Dr. Siedler die Tochter von Gisecke, Ottilie, entführt. Statt einer Gruppe Kühe erwarten die Zuschauer jedoch Showgirls in Kuhkostümen, die mit ihrem Auftritt für große Lacher sorgen und die skurrile Situation perfekt unterstreichen.
Sigismund und sein Tag im Schwimmbad
Eine der schillerndsten Figuren ist der schöne Sigismund (Stefan Schuster), dessen Glatze und charmante Art ihn zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit machen. Sein Tag im Schwimmbad, umgeben von Dekofischen und Kunstwasser aus Vorhängen, ist ein Highlight der Inszenierung. Am Ende des Tages gesteht er Klärchen auf einer Leiter seine Liebe – ein Moment voller Romantik und Leichtigkeit, der das Publikum zum Schmunzeln bringt.
Der Konflikt zwischen Leopold und Dr. Siedler
Der Oberkellner Leopold und sein vermeintlicher Feind Dr. Siedler (Julian Culemann) liefern sich einen amüsanten Schlagabtausch um die energiegeladene Josepha, die von Louise von Spies großartig verkörpert wird. Josepha ist voller Tatendrang und bringt frischen Wind in die Handlung. Die Rivalität zwischen Leopold und Dr. Siedler ist geprägt von einem charmanten Wettstreit, der die Zuschauer in seinen Bann zieht. Der cholerische Unternehmer Wilhelm Gisecke, überzeugend verkörpert von Jörg Zirnstein, sorgt mit seinem ständigen Aufregen über jede Kleinigkeit für zusätzliche Lacher. Sein Rechtsstreit mit Siegismunds Vater über die Hemdhose, die vorne gegen hinten geknöpft wird, ist ein weiteres Beispiel für die skurrilen Konflikte, die das Stück prägen.
Der Gelehrte Hinzelmann und das Reisefieber
Der Gelehrte Hinzelmann (Hubert Schlemmer), der nur alle zwei bis drei Jahre in den Urlaub fahren kann, ist eine Figur, die viele im Publikum ansprechen wird. Mit seiner Tochter Klärchen reist er am liebsten und ist vom Reisefieber gepackt. Seine Beschreibung des Reisefiebers ist anrührend. Sein eisernes Sparen für die nächste Reise ist ein Zeichen für die Sehnsucht nach neuen Abenteuern und Erlebnissen, die das Leben bereichern. Damit stellt er den Gegenpol zum Unternehmer Wilhelm Gisecke dar, der nur reist um sich dabei aufzuregen. Warum sollte jemand Geld ausgeben um dann zwei Wochen schlechter zu wohnen als Zuhause? fragt Gisecke provokant in die Runde.
Fazit

Das „Weiße Rössl“ am Staatstheater Darmstadt ist mehr als nur eine unterhaltsame Revuekomödie. Es ist eine Hommage an die Sehnsucht nach der Vergangenheit, die Freude am Reisen und die kleinen Freuden des Lebens. Mit seinen sympathischen Figuren, bunten Kostümen und der leichten Ironie in den Dialogen gelingt es der Inszenierung von Philipp Moschnitz, das Publikum in eine Welt zu entführen, in der die Sorgen des Alltags für einen Moment vergessen werden können. Die Frage nach der Sehnsucht nach dem Reisen bleibt dabei stets auf der Theaterbühne präsent – ein Gefühl, das alle Menschen verbindet.