Du betrachtest gerade Society, Sucht und Sehnen

Spannend sind psychologisch motivierte Erzählungen, so wie „Pique Dame“. Alexander Puschkin schrieb die Erzählung 1834, eine Spieler-Novelle, die auch Fjodor Dostojewski begeisterte, weil hier Realität und Phantasie sehr nahe beieinander stehen. Schon zu Anfang liest man, „Pique Dame bedeutet heimliches Übelwollen“. In den fünf Kapiteln geht es um das Kartenspiel, um Liebe und Verrat. Tschaikowskys Bruder Modest arbeitete den Text zu einem Opernlibretto um (ursprünglich für einen anderen Komponisten). In frühen Jahren hatte Tschaikowski seinem Bruder davon abgeraten, Schriftsteller zu werden, er fürchtete seinem Bruder fehle das Talent. Mit der Zeit akzeptierte er dessen Fähigkeiten und vertonte sogar mit Jolanthe noch eine weitere Vorlage Modests. Peter Tschaikowski vertonte auch “Pique Dame” Geschichte und brachte sie 1890 im Marinskii-Theater in St. Petersburg zur Aufführung. Unser Kulturbotschafter hat sie für uns angesehen.

Guten Morgen,

am 27.01. zeigte die Staatsoper Wien im Stream die Wiederaufnahme von Pique Dame von Tschaikowski. Kennst du die Oper? Die Oper ist aus meiner Sicht das Gegenstück zu Eugen Onegin. Im Zentrum der Oper steht die Figur Herrmann. Dieser ist wie Eugen Onegin eine Figur, die außerhalb der Gesellschaft steht und die sich dessen auch bewusst ist. Eugen Onegin bringt sich mit einem Duell ins Abseits, während Herrmann von Anfang an nicht gesellschaftlich anerkannt ist. Eugen Onegin hingegen kokettiert mit seiner Unangepasstheit. Herrmann will seine Anerkennung in die Gesellschaft mit Geld erzwingen. Dieses soll ihm das Glücksspiel verschaffen, nicht etwa harte Arbeit.

Herrmann ist eine zerrissene Figur. Auf der einen Seite ist er in Lisa verliebt. Anderseits ist er davon besessen, nicht standesgemäß für Lisa zu sein. Dieses mangelnde Selbstvertrauen führt ihn in den Abgrund. So wird er von Graf Tomski auf die fixe Idee gebracht, er bräuchte nur eine Formel um beim Kartenspiel zu gewinnen. Dann wäre er standesgemäß für Lisa. Diese Formel will er der Tante von Lisa entlocken.

Diese war ebenfalls spielsüchtig, und hat den Spitznamen „Pique Dame“ in der Gesellschaft, wegen ihrer großen Spielsucht. Wenig überraschend verfällt Herrmann am Ende der Sucht während Lisa sich selbst tötet, weil sie nicht mit Herrmann leben kann und nicht an einen anderen reichen Mann verschachert werden will.

Die Inszenierung von Vera Nemirova – sie schuf für die Oper Frankfurt den Ring des Nibelungen – spielt in einem Hinterhof. Es zeigt ein Kinderheim und Armut im ersten Akt. Als Gegensatz kommt dann der zweite Akt daher. Gezeigt wird eine reiche Oberschicht aus der Gegenwart. Der Hinterhof wird so zum Cat Walk. Zunächst sieht der Zuschauer Models auf einer Treppe posieren. Später tauchen „Lustknaben“, Huren und Transvestiten auf der Treppe auf und tanzen erotisch. Dies ist dann der „Schäferdialog“ – ein Intermezzo – des Stücks. Die feine Gesellschaft sitzt in Abendkleidern daneben und begafft die Abendunterhaltung.

Herrmann schleicht sich anschließend zu Lisas Tante und will sie mit einer Waffe zum Reden zwingen. Die Szene ist etwas albern. Die Tante bekommt daraufhin einen Herzinfarkt. Lisa hält Herrmann trotzdem für den Mörder der Tante. Es kommt bei der Beerdigung der Tante zur Auseinandersetzung zwischen den Beiden. Die Tante liegt aufgebahrt in einem Sarg und entsteigt diesem wie Dracula, als sie mit Herrmann allein ist. Dieser Moment ist schaurig-schön. Dabei verrät sie ihm das Kartengeheimnis. Im letzten Bild ist Herrmann dann in einer Spielhalle mit blinkenden Automaten. Dass er sein Spiel verlieren wird, ist im Vorfeld klar, denn der Konkurrent von Herrmann um die Liebe von Lisa hat das Spiel bereits manipuliert.Im Schlussbild wird die tote Lisa direkt vor Herrmann auf den Spieltisch gelegt. Er bemerkt ihren Tod trotzdem nicht. Er denkt nur darüber nach, wie er seine Spielverluste wieder zurückgewinnen kann. Somit ist Herrmann endgültig der Sucht verfallen.

Musikalisch sind die Hauptrollen mit russischen Sängern prominent besetzt worden. Die Musik ist wunderschön.

Das fand auch das Staatstheater Wiesbaden, das die Oper in den Spielplan aufgenommen hat.

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:11. Februar 2022
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