Beim Thema Stadtforschung geht es auch um die Präsentation von Bildern. Im Seminar „Überlebenskunst – das Projektlabor“ wird dazu auch darüber nachgedacht, welches Bild wir uns von der Stadt Frankfurt vor und nach unserer Forschung gemacht haben.
In einer Ausstellung der Schrader-Stiftung Darmstadt und dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt im Jahr 2009 mit dem Titel „Stadt – Bild – Konstruktion. Bilder gesellschaftlichen Wandels 5“ gibt es dazu Anknüpfungspunkte. Stadtbilder sind demnach prägend sowohl in Hinsicht der Identität der Bewohner als auch in Hinsicht der Besucher, „somit für alle diejenigen, für die eine Stadt und ihre Erscheinung unverwechselbar sind oder sein sollen. Unter den heutigen ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen ist die Konkurrenz unter den Städten ein wesentlicher Faktor für deren Selbstverständnis und Selbstdarstellung geworden“, steht in der Ausstellungsbeschreibung.
In der Ausstellung wurden danach unter anderem historische Grundlagen und aktuelle Ausformungen des Stadtbildes verdeutlicht, wie etwa Blätter zur Stadttopographie des 19. Jahrhunderts oder Bilder zur Neufindung der Stadtidentität und damit zum Thema „Stadtimage“.
Im Beitrag „Erinnern und Vergessen: Bilder einer Stadt“ vermittelt der Kunsthistoriker und Architekt für Städtebau Gerhard Vinken, was „Stadtansichten“ vermitteln sollen. Diese sogenannten „Stadtveduten“ (italienisch veduta ‚Ansicht‘, ‚Aussicht‘), die in der bildenden Kunst der Malerei oder Grafik von Künstlern erstellt worden sind, zeigten Stadtbilder oder Stadtansichten, die sich nicht auf Dokumentation beschränkten, sondern stilisieren und idealisieren.
Berühmte Stadtansichten, so Vinken, findet man bei Mätthäus Merian d. Ä. und seiner „Topographia Germaniae“. Das zwischen 1642-1654 in 16 Bänden erschienene Werk des Kupferstechers und Verlegers, zeigt über 2000 Ansichten des Heiligen Römischen Reiches. Nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) erklärte dieser seine Stadtansichten als für den Wiederaufbau geeignet. Sie präsentierten danach den idealen Baustand eines goldenen Zeitalters, der in Wirklichkeit nicht mehr bestanden hätte.
Vinken führt weiter aus, Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Anbindung an die Eisenbahn führten zur Schleifung der Wallanlagen und der Stadtmauern. Der innere Stadtbau veränderte sich durch die Erfordernisse des Verkehrs. Was dies für den Menschen bedeute, ließe sich zum Beispiel an Baudelaire „Der Schwan“ zeigen. Dieser Titel aus „Die Blumen des Bösen“ (1901) des französischen Schriftstellers und Lyrikers bringe die Erfahrungen der „Haussmannisierung“ von Paris auf den Punkt, indem er den Wandel der Form einer Stadt mit dem Herzschlag eines Menschen vergleicht: „…ach die Form einer Stadt wandelt sich schneller als das Herz eines Sterblichen“. Baron Haussmann hatte in seiner Amtszeit als Präfekt von Paris (1863-1869) im Auftrag von Napoleon III die Restrukturierung der Französischen Hauptstadt durchgeführt.
Die immer schneller wachsende Stadt hat somit ein neues Zeitmaß gefunden. Anstelle von Architektur der Antike, als ein Sinnbild für Dauer und Beständigkeit, treten nun Bilder der Geschwindigkeit in den Fokus. Weitere Beispiele findet Vinken bei Dickens „Hard Times“ (1880) und Chaplins „Modern Times“ (1936). Charles Dickens erzählt in „Hard Times“ über seine Kindheit als Hilfsarbeiter und seinen Aufstieg bis hin zum Anwaltsgehilfen und Parlamentsstenographen. Charlie, der Tramp, ist im Film „Modern Times“ Opfer des Arbeitstempos am Fließband. Damit verbunden ist das Auf und Ab der Maschinen, bis hin zu Arbeiterströmen auf dem Weg zur Schicht. Entfremdung, Entwurzelung und daraus resultierende Nostalgie sind die Erfahrungen, die der Mensch nun macht.
Stadtansichten, so interpretiert Vinken, wollten diese bedrohte Einheit wenigstens im Bild wahren. Die alte Stadt zeige ein „idealtypisches Bild“, ein Gegenbild zur neuen „falschen“ Stadt, die im Licht von emotionsgeladenen Sehnsuchtsbildern präsentiert würde.
Das konnten wir selbst am Beispiel unserer Frankfurter Stadtforschung nachvollziehen. Dort findet man im Innenstadtbereich „bildhaft montierte Ensembles“ wie rund um den Frankfurter Römer, im Sinne Vinkens „synthetische Traditionsinseln, die inmitten radikal neu gestalteter Städte Identität sichern sollten“.