Du betrachtest gerade XX Schreibwerkstatt „Tatort Frankfurt – Welche Rolle spielt die Magie der Musik?“ Im Schauspiel Frankfurt

Eingefügte Szene K. B.: Episode: Das dunkle Geheimnis der Abhängigkeit

In Teil XIX fanden KK Ritter und I. Burn die Leiche einer Frau, die exakt wie die Schauspielerin aus Das Mädchen Rosemarie aussah. Neben ihr lief die seltsame Musikkombination aus der Oper Rigoletto und dem gerade an der Oper Frankfurt laufenden Musical Pretty Woman. Claudia Elfriede klärte die erstaunten Männer darüber auf, dass sie sein Ritual der Frauenmorde durchschaue. Seine Opfer seien Frauen, denen in der Öffentlichkeit eine Rolle zugeschrieben würde, der Täter oder die Täterin verbände diese mit einem bestimmten Theater-Kunstwerk und lasse dabei die passende Musik laufen. Das sei sein „Signatur‑Mord‑Code“. Abends lädt sie ihre Freundin Paula Pechstein ins Schauspiel Frankfurt zu Arthur Millers „Blick von der Brücke“, um den neuesten Mordfall und die gesellschaftlichen Implikationen zu diskutieren, die dazu führen, dass Männer zu Tätern und Frauen zu Opfern werden.

Szenenbeschreibung

Claudia Elfriede, die Literaturwissenschaftlerin, trifft ihre Freundin Paula Pechstein, die Klatschreporterin, im Foyer des Schauspiel Frankfurt. Aufgeregt berichtet Claudia Elfriede von dem Fund der Leiche im Filmmuseum. Sie beschließen, nachher noch einen Absacker im Operncafe zu nehmen. Das Stück wühlt Beide weiter auf und bringt sie auf den Gedanken, der neueste Mord könnte auch etwas mit Rache zu tun haben.

Nach dem Theaterstück „Blick von der Brücke“ finden sie im Gespräch Verbindungen zwischen Arthur Millers Zweiakter, der  unter den italienischstämmigen Einwanderern New Yorks spielt und Parallelen zu heutigen Migrationsschicksalen aufweist. Beide wissen, dass der unglückliche Regisseur Strahlemann einen multikulturellen Hintergrund hat. Da liegen Parallelen auf der Hand, zumal Claudia Elfriede im Zusammenleben mit ihm erfahren hat, wie sehr die Vergangenheit den heutigen menschen belasten kann. Genau wie im Stück finden die beiden Frauen Ideenstränge, die auf  Schicksal und Verstrickung, Schuld und Abhängigkeit verweisen. Es geht um die düstere Entwicklung des aktuellen Mordfalls im Filmmuseum zu dem, zu sprechen, der das Theater um einen neuen, schockierenden Kriminalfall bereichert.

(zu Franz Strahlemann Teil VII im Holzhausenpark)

Dialoge und Überlegungen

Claudia Elfriede war dabei, als die Leiche, die exakt wie die Schauspielerin aus Das Mädchen Rosemarie aussieht., im Filmmuseum gefunden wurde und hat die seltsame Musikkombination aus Rigoletto und Pretty Woman noch in den Ohren (dazu Teil XIX im Filmmuseum). Sie hat ihrer Freundin Paula davon erzählt.

Paula Pechstein:
„Claudia, die Sache mit der Leiche ist schockierend. Genau wie im eben erlebten Stück Blick von der Brücke gibt so viele Verstrickungen, die im Filmmuseum vielleicht real geworden sind. Denkst du, die Motive hinter dem Mord an der jungen Frau, die aussah wie das Callgirl Nitribitt könnten in den Themen von Macht und Abhängigkeit liegen?“

Claudia Elfriede:
„Auf jeden Fall, Paula. Lasse uns doch bitte einmal Parallelen zu dem gerade gesehenen Schauspiel, dem Protagonisten Eddies und dessen Charakter ziehen. Eddy verkörpert diese patriarchale Kontrolle, die sich hinter Fürsorge tarnt. Seine Besessenheit um Catherine, die er als sein Eigentum betrachtet, könnte letztendlich zu einer solchen Tat führen. Man könnte fast sagen, Eddie ist wie eine Figur aus einer Oper, wo Leidenschaft und Machtverhältnisse tragisch aufeinandertreffen. Genauso könnte der Fall auch bei diesen Frauenmorden in Frankfurt liegen. Der Mörder könnte, genau wie im Stück Eddie, tief in seine patriarchale Rolle verstrickt, sein, sieht sich als Beschützer, doch sein beschützerisches Verhalten ist oft wenig mehr als eine Maske für seine Kontrolle über eine Frau, hier im Stück verkörpert durch Catherine. Diese Dynamik könnte jemanden dazu treiben, gewaltsame Mittel zu verwenden, um seine dominante Stellung zu bewahren.“

Paula Pechstein:
„Das ist ein interessanter Punkt. Wenn wir beispielsweise an den „Medea-Mord“ denken, muss man auch die zerstörerische Kraft der Liebe und Eifersucht berücksichtigen. Könnte der Mörder ein sympathischer, aber verzweifelter Charakter sein, der sich einfach nicht mehr unter Kontrolle hat?“ Und sie flüstert, erschreckt über ihre eigene Kombinationsgabe:

„Ich habe Dir erzählt, wie ich die Leiche in der Sonderausstellung Nachrichten. gefunden habe, die als Maria Callas verkleidet war, inspiriert von Angelina Jolies Rolle im Film Maria von 2024. Die Diva war in einem Kostüm, das an den Film Maria erinnert – ein makabres Echo von Film und Oper.“ (dazu Teil XI Ankunft im Kommunikationsmuseum)

Claudia Elfriede erinnert sich sofort an die Ausführungen der Schriftstellerin Christa Wolf zu Medea:

„Medea ist für Wolf das Porträt einer Frau, die zwischen Wahrheit und Macht, Erinnerung und Verleumdung zerrieben wird. Fern der traditionellen Darstellung als Kindsmörderin wird Medea als Wissende, als Fremde, als eine, die sich weigert zu verstummen, neu erfahrbar.“ und laut sagt sie zu ihrer Freundin: „Ja, genau. Die Macht über das eigene Leben kann so schnell in Besessenheit umschlagen. Der Mörder könnte jemand sein, der sich wie hier im Stück, durch Catherines Eigenständigkeit bedroht fühlt. Vielleicht sogar eine Person, die auf einsame Weise um ihre eigene Freiheit und die aus Frustration oder tiefem Schmerz handelt. Diese Mischung aus Liebe und Hass wird auch in vielen Opern immer wieder thematisiert.“

Als Literaturkennerin erinnert sich Claudia Elfriede sofort an Arno Grün und seine Ausführungen zur Gefühlswelt zwischen Liebe und Hass. Wie hatte sie damals im Beitrag „Zwischen Liebe und Hass“ geschrieben:

„An Weihnachten wollen wir alle Liebe. Tatsächlich gehen wir aber oft sehr lieblos mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen um. Manche lehnen sich gegen dieses Bedürfnis auf, andere hassen sich selbst sogar dafür. Aber gerade weil das Bedürfnis nach Liebe zu einem Verhängnis werden kann, gibt es Menschen, die sich selbst und andere gefährden. Ihr Unruhe stiften liegt darin begründet, so beschreibt es der Psychoanalytiker Arno Gruen, sich selbst aus einer als hoffnungslos empfundenen Lage zu befreien. Diese Menschen spüren ihre Lebendigkeit nur dann, wenn sie destruktiv und tödlich sind. Hass lässt sie sich selbst spüren. Das knüpft auch unmittelbar an die von Freud deklarierte Grundspaltung des Menschen zwischen Eros und Thanatos an.

Einer, der sich schon im Jahr 2003 zu dieser Problematik in „Verratene Liebe-Falsche Götter“ Gedanken gemacht hat, ist der Schweizer Psychoanalytiker und Buchautor Arno Gruen. (dazu unser Beitrag „Zwischen Liebe und Hass)

Laut fährt Claudia zu ihrer Freundin gewannt fort:

„Übertragen wir doch einmal die Fgur des sogenannten „Carmen-Mörders“, wie er in Frankfurt seit dem ersten Mord in der Mordserie bekannt wurde, auf den Protagonisten Eddie im eben gesehenen Stück. Eddie könnte als Katalysator fungieren, der die Dunkelheit in anderen Menschen anzieht. Seine Unterdrückung von Frauen im allgemeinen und hier von Catherine im Besonderen symbolisiert nicht nur persönliche Kontrolle, sondern auch die breitere gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen. Der Mörder könnte sich wie eine Marionette der Macht fühlen, die er nicht selbst kontrollieren kann.“

Claudia Elfriede denkt über ihr Erstaunen nach, dass sie empfand, als sie Paula vor einiger Zeit besuchte. War doch die von Claudia angegebene Adresse in der Neuen Frankfurter Altstadt quasi um die Ecke gelegen, von dem ersten Opernmord in der Neuen Frankfurter Altstadt. Welch ein merkwürdiger Zufall! Sie wusste überdies, dass Paula sie gedanklich nach ihren damaligen und heutigen Ausführungen,

sowohl mit dem ersten inszenierten Mord an „Carmen“, (Auftakt zu unserer Schreibwerkstatt „Tatort Frankfurt und die Rolle der Musik“) als auch dem „Callas-Mord“ (Teil XII im Kommunikationsmuseum) irgendwie in Verbindung bringen würde.

Paula Pechstein wundert sich über das lange Schweigen ihrer Freundin, die gedanklich ganz woanders zu sein scheint, Sie selbst ist kein Mensch, der Ruhe oder Schweigen lange aushalten kann: „Spannend, wie das alles zusammenhängt! Wenn Eddie diese Macht hat, Frauen zu unterdrücken, dann könnte man auf den Mörder oder die Mörderin in Frankfurt schließen. Der Täter könnte analog vielleicht jemand sein, der genau wie Eddie ein Patriarch ist und die Frauen könnten unter seiner Herrschaft leiden. Der Analogschluss wäre dann, die einzige Möglichkeit für Mörder oder Mörderin, seine oder ihre Freiheit zurückzugewinnen, muss durch einen Akt der Gewalt erfolgen. So wie Medea, die für ihre Kinder und ihre Integrität kämpft, könnten auch hier die Verzweiflung und der Schmerz die Hauptmotive sein.“

Claudia Elfriede freut sich über die Wechselseitigen Gedankengänge und erwidert: „Genau. Die zentrale Frage lautet: Wer leidet am meisten unter dieser patriarchalen Kontrolle? Der Mörder könnte jemand sein, der durch die ständige Unterdrückung, sei es wie hier durch Eddie, oder die gesellschaftlichen Normen, zur Tat getrieben worden sein. Die Dynamiken sind schockierend, wenn man sie mit dem Kampf um Selbstbestimmung verknüpft. Das Stück stellt uns die Frage: Wie weit sind wir bereit zu gehen, um unsere Freiheit zurückzugewinnen? Das lässt sich auch auf die Frankfurter Mordserie übertragen!“

Paula Pechstein freut sich darüber, dass ihre Freundin und sie sich so gut verstehen: „Claudia, das war ja ein wahres Drama! Miller greift da so viele zeitlose Themen auf. Die finanzielle Abhängigkeit der Frauen, gerade in Catherines Geschichte, fühlt sich fast wie ein Aufruf zu einem Aufstand an. Was meinst du dazu?“

Ihre Freundin Claudia Elfriede stimmt ihr eifrig nickend zu „Absolut, Paula. Catherines Aufstieg, der stark von Eddies patriarchaler Kontrolle überschattet wird, zeigt eindringlich, wie Macht und Abhängigkeit ineinandergreifen. Ihre Entscheidung, ein Bewerbungsgespräch ohne Eddies Zustimmung wahrzunehmen, wirkt zwar mutig, aber sie ist auch eine subtile Falle … .“

Paula Pechstein fällt ihr hastig ins Wort: „Das erinnert mich an die Figur der Medea in Passolinis Version. Ihre Entscheidungen, motiviert durch Liebe und Machtspiele, entfalten sich in einer ähnlichen Tragik. Beide Frauen ringen darum, ihre Stimmen in einem von Männern dominierten Umfeld zu finden. Ist es nicht faszinierend?“

„Genau! wirft Claudia Elfriede ein und reißt einen Arm hoch,„Medeas Kampf um Selbstbestimmung und ihre dramatischen Entscheidungen, die schließlich zu ihrer Verzweiflung führen, spiegeln Catherines Dilemma wider. Es ist diese, … wie soll ich sagen, … diese schleichende Abhängigkeit, die die Handlungen dieser Frauen bestimmt. Sie werden von ihren Beziehungen erdrückt.“

Paula Pechstein umarmt ihre Freundin kurz: „Denkt man an Beatrices Mentorschaft für Catherine – sie steht für die Solidarität unter Frauen, wie sie auch Luise Büchner vertreten hat.“ Sie weiß, das dieseFrauenrechtlerin, Schriftstellerin, „Professorin“ Claudias großes Vorbild ist.

Claudia sinniert unterdessen: „Diese historische Tiefe, die dich umgibt, wenn du über Freiheit sprichst, ist eine echte Mahnung. Es ist nicht nur ein Drama, sondern auch eine Botschaft, die Frauen ermutigt, sich gegen diese subtile Kontrolle zu wehren!“

Abschluss der Episode

Claudia und Paula setzen sich auf eine der Sitzbänke im Foyer, als die Dunkelheit des Abends über die Stadt hereinbricht. Paula Pechstein beginnt einen Dialog mit den Worten: „Wir leben in einer Welt, in der solche Themen so aktuell sind. Das passiert nicht nur in den Geschichten; es ist real. Die Kämpfe, die auf der Bühne ausgetragen werden, sind auch die, die viele Frauen heute erleben.“ Ihre Frendin Claudia Elfriede ist sich absolut einig mit ihr: „Und genau das macht sowohl Millers als auch Passolinis Werke so bedeutend. Sie zeigen uns, dass die Auseinandersetzung mit Macht immer gefährlich und komplex sein kann. Vielleicht ist die Tragödie der Abhängigkeit letztlich das gefährlichste Drama von allen.“

Mit diesen Gedanken wissen sie, dass die erschreckenden Wahrheiten, die sie gerade besprechen, noch tiefere Konsequenzen haben könnten als in der Fiktion. Der Mörder könnte näher sein, als sie ahnen.Und was ahnen Sie liebe Lesenden und Mitschreibenden: wie wird es nun weitergehen?

  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:3. Dezember 2025
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