Ausflugstipp Staatstheater Meiningen „Die Csárdásfürstin“ – das Leben als Choreographie
Bald beginnen die Weihnachtsferien und die bieten die Gelegenheit zu Ausflügen. Wie wäre es denn einmal mit Meiningen. Die Stadt ist stolz darauf, Theaterstadt zu sein. Sie verdankt ihren Namen dem Hoftheater unter der Leitung Herzog Georgs II. Der „Theaterherzog“ war künstlerischer Ideengeber und führte das Meininger Hoftheater zu großem Erfolg. Das Staatstheater Meiningen bietet sowohl Neuheiten, als auch Altbewährtes. Dies gilt auch für seine Aufführungen, mal ist es innovativ wie das „Bach Projekt mit getanzten Imaginationen„, dann wieder eher traditionell mit einer Operette von Emmerich Kálmán „Die Csáradásfürstin„. Eine Leserin des UniWehrsEL gibt diesen Veranstaltungstipp und zeigt sich begeistert!
Sehr geehrte Redaktion des UniWehrsEL,
die Aufführung der „Csárdásfürstin“ am Staatstheater Meiningen lässt den Zuschauer tief bewegt zurück, weil sie die Zerrissenheit der Titelfigur Sylvia Varescu eindrucksvoll schildert. Sylvia befindet sich in einem ständigen Spannungsverhältnis: Sie hofft auf persönliches Liebesglück, doch die harte Realität der Wiener Gesellschaft lässt ihr das Gefühl, nicht dazu zu gehören, immer stärker werden. Ihre Beziehung zu Edwin, dem Sohn Fürst Lippert‑Weyersheim, kann nicht offiziell als Ehe geführt werden. Trotzdem träumt Sylvia von einem gemeinsamen (bürgerlichen) Leben mit ihm.
Ihr Realitätssinn mahnt jedoch, dass die Standesunterschiede zu groß sind und die Beziehung letztlich scheitern muss – sie lebt also einen Traum. Sie ist in einen Mann verliebt, der nicht die Kraft besitzt, sich gegen die Gesellschaft aufzulehnen. Dieses Wissen um Edwins Schwäche versetzt Sylvia in tiefe Trauer; die gesellschaftliche Akzeptanz der Beziehung bleibt ihr verwehrt.
Im Varieté spielt Sylvia die große Diva, die niemanden an sich heranlässt. Ihre Auftrittsarie
„Heia in den Bergen ist mein Heimatland“ zieht das Publikum tief in ihre innere Welt. Die Arie klingt nach einem Heimatfilmidyll, ist aber ernst gemeint: Sie fordert die Öffnung des Herzens für den Mann, warnt zugleich davor, mit Gefühlen zu spielen, und betont, dass nur der beste Küsser ihr Mann werden kann. Diese Oberflächlichkeit ist jedoch nur gespielt.
Schon zu Beginn zweifelt Sylvia an der echten Liebe zu Edwin. Sie ahnt, dass er zu schwach sein könnte, sich gegen seinen Vater durchzusetzen. Bei ihrer ersten Begegnung fragt sie sich: „Warum gerade ich?“ – die Antwort bleibt ihr Edwin schuldig. Sie spricht von der Vergänglichkeit des Augenblicks und träumt von einem Abenteuer mit ihm. Edwins Begeisterung für das Varieté lässt Sylvia schwach werden; dieser gemeinsame Kitt hält die Beziehung zusammen.
Als Sylvia die Beziehung öffentlich macht, erfährt sie, dass Edwin bereits verlobt ist. Der Traum zerbricht, zurück bleibt tiefe Traurigkeit. Sylvia lebt weiter als Varietéstar, gefangen in kurzen Momenten des Glücks, die ihr wie ein Traum vorkommen. Sie ist sich der Unwahrscheinlichkeit einer legalen Beziehung bewusst und ist darauf angewiesen, dass Edwin sich zu ihr bekennt.
Am Ende der Operette scheint ein Happy End zu liegen, doch die Standesunterschiede werden nicht dauerhaft überwunden. Die „Csárdásfürstin“, die den Spottnamen wegen Edwins Versprechen im ersten Akt erhalten hat, kann im dritten Akt wirklich glücklich werden? Edwins Verlobte Stasi beschreibt ihn als Mann, der sich regelmäßig unsterblich verliebt, doch diese Liebe nie lange währt. Edwins fehlende Bekenntnis und sein möglicher Scham bleiben im Raum.
Der Komponist Emmerich Kálmán, der in seiner Studienzeit für solche Shows gearbeitet hat, kennt die harte Realität des Showbusiness: Viele Tänzerinnen verarmten, obwohl die Bühne glamourös erscheint. Über der Varietégemeinschaft und der Wiener Hofgesellschaft schwebt eine diffuse Bedrohung – der Ausbruch des Ersten Weltkriegs liegt bereits in der Luft. Das Terzett „Weißt du, wie lange noch der Globus sich dreht, ob es morgen nicht schon zu spät“ erinnert eindringlich daran, den Moment zu genießen, denn der Absturz in eine lieblos‑gesellschaftliche Zukunft kann jeden Tag geschehen.
In der Szene, in der das Terzett „Weißt du, wie lange noch der Globus sich dreht, ob es morgen nicht schon zu spät“ erklingt, spürt man die wachsende Furcht der Menschen vor einem unausweichlichen Krieg. Sylvia, die bereits in ihrer eigenen Welt aus Träumen und Illusionen gefangen ist, fühlt plötzlich das Zittern einer ganzen Generation. Der drohende Krieg lässt ihre Sehnsucht nach einem stabilen, liebevollen Leben noch verzweifelter erscheinen. Sie fürchtet, dass der Krieg nicht nur das äußere Gefüge der Gesellschaft zerreißt, sondern auch die letzten Hoffnungen ihrer eigenen Existenz – die flüchtigen Momente mit Edwin – endgültig auslöscht. Diese Angst verleiht der Operette eine zusätzliche Schwere: Sie mahnt den Zuschauer eindringlich, den Augenblick zu genießen, weil jeder Tag das letzte sein könnte, bevor das Feuer des Krieges alles verzehrt.
Ein besonders eindringlicher Aspekt der dem Zuschauer durch die Inszenierung von Dominik Wilgenbus klar wird ist die Metapher der Puppe.
Wie eine Marionette wird Sylvia von äußeren Kräften – gesellschaftlichen Normen, familiären Erwartungen (an Edwin) und dem drohenden Krieg – ferngesteuert. Sie hat kaum eigene Handlungsfreiheit; ihr Leben sind choreografiert von Außen – von Edwin, der Theaterleitung, den Besuchern. Dennoch dient sie dem Publikum als Role Model: Sie verkörpert die Zerbrechlichkeit und den Mut, trotz aller Fesseln zu träumen. Die Puppe ist ein Symbol für die Unterdrückung der weiblichen Stimme bzw. Meinung. Sylvia ist sich bewusst, dass ihr „Spiel“ im Varieté nicht nur bloße Unterhaltung, sondern ein Überlebensmechanismus ist, der ihr erlaubt, in einer Welt, die sie sonst ausgrenzt, sichtbar zu bleiben. Dieser Zwiespalt – zwischen Passivität und bewusster Selbstinszenierung – macht sie zu einem Vorbild für alle, die sich in einer feindlichen Gesellschaft behaupten müssen.
Sylvia ist wie eine Puppe, gefangen in einem unsicheren Umfeld: Sie wird von äußeren Kräften bewegt, hat kaum eigene Handlungsfreiheit und muss stets die Rollen spielen, die ihr zugewiesen werden.
Die Operette mahnt uns, die flüchtigen Augenblicke zu schätzen und die drohende Kriegsgefahr nicht zu ignorieren. Die Csárdásfürstin zeigt, wie zerbrechlich Träume sind, wenn gesellschaftliche Schranken und historische Umbrüche zusammenstoßen.
Herzlichen Dank für den interessanten Beitrag und Dank auch an Pixabay für die Bilder!
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