Du betrachtest gerade Donner in Mythos, Kunst, Theater und Wissensgeschichte

Den Donner bezeichnet Nicola Gess im Handbuch „Sound“ (2018) als ein multimodales Phänomen. Ihm geht ein Blitz, also eine Funkenentladung oder ein kurzzeitig auftretender Lichtbogen zwischen Wolke und Erde oder zwischen den Wolken voraus. Plötzlich ist der Himmel erleuchtet und die Augen sind geblendet. Das wirkt auf uns zerstörend und bedrohlich. Die akustische Gewalt hat schon Menschen früherer Zeiten dazu angeregt, sich eine Angriffssituation mit Waffe vorzustellen.

In „Kleine Kulturgeschichte des Gewitters“ sucht Karl-Heinz Hentschel (1993) Donner und Blitz im Mythos unterschiedlicher mythischer Erzählungen und Kulturen zu ergründen. Mal erscheinen diese Wetterphänomene mit den „blitzenden Augen“ und den schlagenden Flügeln eines gigantischen Donnervogels, mal gleicht der Blitz dem knallenden Peitschenhieb eines Gottes. Zeus bzw. Jupiter würden in griechischen und römischen Sagen Waffen zugeordnet. Um ihre Macht zu beweisen, sollen die römischen Kaiser bereits „Donner- und Blitzmaschinen“ besessen haben.

Den Donnergott Thor sieht man auf Abbildungen stets mit Hammer, auf einem rollenden Wagen, der von Ziegenböcken gezogen wird. Die Tiere namens Tanngnjóstr (Zähneknirscher) und Tanngrisnir (Zähneknisterer) besitzen besondere Fähigkeiten, einmal als Nahrungsmittel, der Gott des Donners kann sie schlachten und verzehren. Sie zeigen aber auch Thors göttliche Kraft, denn er kann sie aus ihren Knochen wieder zum Leben erwecken.

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In der Kunst ist sind Donner und Blitz der „Ästhetik des Erhabenen“ verpflichtet. Als Signum des Göttlichen findet man den Donner zum Beispiel in Friedrich Gottlieb Klopstocks Ode »Die Frühlingsfeier« (1759/1771): »Hört ihr Jehovas Donner? / Hört ihr ihn? hört ihr ihn, / Den erschütternden Donner des Herrn?« (Klopstock 1962, 91).

In der Literatur, beispielsweise der klassizistischen, findet man diese als Ausdrucksmittel besonderer Stimmungen. Die sogenannte „gothic literature“ (um1800) bediente sich gerne bei Shakespeares Dramen, Karl-Heinz Hentschel nennt hier Hentschel Henry IV (1597/1600) und Macbeth (1606), „in denen der Geist Asnath bzw. die Hexen sich durch Donner zu erkennen geben“. Unter Blitz und Donner prophezeien Hexen dem schottischen Feldherrn Macbeth eine Krone.

Auch in der Schauerliteratur werden Donner und Blitz eingesetzt. In Bram Stokers 1897 veröffentlichtem Vampirklassiker Dracula verkünden sie die Ankunft des Erzählers in Transsilvanien durch »rolling clouds«. Genauso geeignet ist das Donnergeräusch im Kontext von Tonmalerei in der Programmmusik. Melodien und Rhythmen wirken nicht nur auf jene Hirnregionen, die auch Emotionen wie Freude, Trauer und Sehnsucht erzeugen, sie erzeugen auch bestimmte Assoziationen.

Der „Theaterdonner“ gilt als »Inbegriff des Special Effects« (Nelle 2002, 494). Er soll Realität des Geschehens vermitteln und den sinnlichen Eindruck erhöhen. Häufig wird dieser Effekt noch durch pyrotechnische Effekte erhöht. Das fasziniert nicht nur, sondern diene auch der Unterscheidung von falschen und wahren, bösen und guten Herrschern. Verdeutlichen ließe sich dies, so Hentschel und Gess an Beispielen wie Rameaus Zoroastre.

  • In der Barockoper geht es um Zoroastre, den Lehrmeister der Magier, und seinen Erzfeind, den Hohepriester Abramane. Hier begegnene sich Naturgewalten und gute und böse Geister. 

Mitte des 18. Jahrhunderts, Erforschung und Demonstration elektrischer Phänomene

Elektrizitätsperformer beeindrucken ihre Zuschauer mit spektakulären Darbietungen des Blitzes, unter der Ankündigung eines ›elektrischen Feuers‹. William Watson demonstrierte wie elektrisches Feuer die Themse überquerte (vgl. Bertucci 2008, 77). Das Thunder House, von dem Physiker und Instrumentenbauer Joseph-Aignan Sigaud de Lafond entwickelt, bewirkte durch Demonstrationen der Wirkungen des Blitzes die Anschaffung von Blitzableitern.

Zur Wissensgeschichte

Schon Aristoteles (in seiner Meteorologie) und Lukrez (in De rerum natura) hatten sich Gedanken über die Entstehung des Donners gemacht. Fortgesetzt wurde ihre Forschung durch Descartes, der durch seine Naturphilosophie Analogieschlüsse zog. Nachlesen kann man bei Hentschel und Gess, so wie das laute Poltern der Lawine darauf zurückzuführen sei, dass zu warm und darum zu schwer gewordener Schnee in weiter unten liegende Täler falle, sei auch der sommerliche Gewitterdonner dadurch zu erklären, dass eine (aufgrund von Lufterwärmung zu schwer gewordene) Wolke mit darunter liegenden zusammenstoße.

Im 20. Jahrhunderts unterscheidet die Forschung, so die Autoren dieses Artikels, zwischen hörbarem und infrasonic thunder. Sie fokussieren auf den hörbaren Donner. Der misst die Geräuschqualität oder die Dauer des Donners, oder forscht zum Zeitintervall zwischen Blitz und Donner bzw. zur Entfernung, über die ein Donner hörbar bleibt, sowie auch zu Überdruck, akustischer Energie und Frequenzspektrum des Donners.

Zum Schluss noch eine Demonstration von Blitz und Donner als markante Merkmale eines Gewitters und deren Entstehung im „explainity-Clip“ einfach erklärt.

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