Du betrachtest gerade Gedanken zu Psychedelic, „Avatar“, „Uncanny Valley-Effekt“ und „Coulrophobie“

Ob 3-D-Blockbuster wie „Avatar“, Virtual Reality, Drogen oder psychedelische Musik: Es gibt viele Möglichkeiten, sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Und dieser Rausch ist oft nicht nur Ablenkung von der tristen Wirklichkeit, sondern kann sogar kulturbildend sein, erklären die beiden Autoren Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter. Die Popkultur und psychedelische Drogen sind seit den 50er- und 60er-Jahren eng miteinander verwoben. Der Rausch, die Halluzination und Ektase haben Musiker, Künstler, Schauspieler, Schriftsteller und die frühen Technik-Nerds im Silicon Valley gleichermaßen inspiriert. Sie waren für ein paar Stunden mutiger, erleuchteter oder einfach „nicht mehr von dieser Welt“ – und sie schufen dabei manchmal etwas Neues. „Der psychedelische Rausch ist kulturbildend“ schreiben die beiden Autoren Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter. Ein Leserbrief hat die Diskussionen unserer letzten Stunde im Kontext der „Ekstase“ vor den Seminar-Weihnachtsferien 2024 noch einmal für uns zusammengefasst. Herzlichen Dank dafür!

Liebe UniWehrsEL-Leser,

ich habe in der letzten Stunde ein wenig mitgeschrieben, weiter zum Psychedelischen, auch im Zusammenhang mit „VR“, dem Film „Avatar“ nachgedacht. Hier mein Ergebnis:

Hanske und Sarreiter verweisen in ihrer Monografie auf die „Wiederentdeckung des Psychedelischen“. Als Beispiele dienen etwa Filme wie „Avatar“ oder auch der zunehmende Trend, sich eine Parallelwelt zu schaffen und Grenzen zu überschreiten.

Doch beginnen wir mit der Entdeckung des Psychodelischen. 1956 schrieb der Psychiater Humphry Osmond an den befreundeten Schriftsteller Aldous Huxley und prägte den Begriff „Psychedelika“.  Beide waren fasziniert von der Idee, Substanzen wie Meskalin, oder das 1943 von Albert Hofmann entdeckte LSD, zur Erforschung des Bewusstseins einzusetzen. Wir sprachen in einer unserer Seminar-Stunden bereits ausführlich darüber. Es gibt auch einen Bericht hier im UniWehrsEL dazu.

Psychedelisch meint einen euphorischen tranceartigen Bewusstseinszustand. Hervorgerufen wird dieser durch den Konsum von psychoaktiven Substanzen wie LSD, Psilocybin, DMT Mescalin und LSA, allesamt Psychedelika, die einen Drogenrausch erzeugen. Aber auch geistige und bestimmte rituelle Riten wie Meditation oder Tanz und natürlich die Musik befördern die Aufhebung der Grenze zwischen Ich und Außenwelt. Das Psychedelische lässt sich sehr gut am Film „Avatar“ demonstrieren.

 Avatar II „The Way of Water“ | Film

Avatar-Filme möchten den Zuschauer mit der Schönheit der realen Welt und ihrer Natur verbinden. Sie geben, ähnlich der Einnahme pschoaktiver Substanzen, einen Einblick in eine andere Art des Seins. Damit eröffnen sie die Möglichkeit, den Planeten Pandora, um den es ja im Film geht, physisch, aber auch psychisch nachzuempfinden.  Das erinnert an das „kindliche Staunen“, ebenfalls einer unserer Seminare in diesem Wintersemester 24_25. Wir können im Film Dinge sehen und erleben, die uns für einen Moment inne halten lassen, weil wir „Wunder“ sehen, die vielleicht im Alltag bereits zur Selbstverständlichkeit für uns geworden sind. Die Macher des Films werben selbst mit dem Begriff der „psychedelischen Initiation“; Einssein mit der Welt, in der Gemeinschaft aufgefangen und geborgen zu sein und gleichzeitig eine tiefe Zugehörigkeit zu einem Ort zu empfinden. Sie deklarieren eine „lebensspendende Verbindung zur Mutter, zur natürlichen Welt“. Das birgt Werte der Vielfalt, des kulturellen Austausches in sich und gleichzeitig die klare Warnung vor den Gefahren von Gier und Ausbeutung. In psychedelischer Hinsicht vermittele der Film ähnlich wie „Die Pforten der Wahrnehmung“ (Huxley), einen neuen Verstehensprozess, einen Bewusstseinswandel, als Herausforderung des 21. Jahrhunderts.

Um wirklich „wach zu werden“ und Dinge in einem anderen Licht zu sehen, braucht es eines „Wow-Effektes“, gleich einem von Sarreiter und Hanske beschriebenen LSD- und Pilz-Trip-Erlebnisses. Mir scheint, auch der Regisseur James Cameron hat sich bei der Erschaffung von „Avatar“ von psychedelischen Drogen inspirieren lassen. Der Film „Avatar“ scheint eine Virtualität zu zeigen, die einem Traumerleben gleicht, ein Schweben und Schwelgen in Farben und Formen, abseits der Realität. Das leitet über zur Virtuellen Realität.  

Virtual Reality (VR) ist zum allgegenwärtigen Thema geworden, das branchenübergreifend enthusiastisch aufgenommen wird. Sie verspricht eine „Revolution im Konsum digitaler Inhalte“, wie sie uns Zukunftsinstitute anbieten. VR sei nicht nur eine Technologie die von Early Adoptern (frühzeitigen Anwendern) und Technik-Enthusiasten gefeiert würde. Klar, dass sie auch bei Produktwerbung, wie etwa bei Ikea oder Audi, oder in Kommunikation und Unterhaltung gerne eingesetzt wird. Aber auch die Potenziale für Bildung, Forschung, Medizin und Therapie werden gerne betont.

Irgendwie lässt die Idee der „Brave new world“ (Huxley) grüßen, wenn von der Erschaffung neuer virtueller Räume und Welten die Rede ist. Das erinnert mich an Weermanns Theaterstück und der Frage der Sehnsucht nach einer neuen Welt und nach der richtigen Zeit dafür? Wer steuert in dieser neuen Welt die darin handelnden Avatare? Wer manipuliert die digitale Währung, um digitales Eigentum zu kaufen?

Dazu passt die bahnbrechende Ankündigung eines neuen Metaversums: „Das Metaverse soll uns nicht nur Texte lesen und Videos schauen lassen. Die User werden dreidimensional und können gemeinsam mit anderen Events interaktiv erleben. Anstatt lediglich durch die Timeline in den Sozialen Netzwerken zu scrollen, werden wir durch sie schlendern können. Klamotten könnnen wir direkt anprobieren, an Veranstaltungen wie Konzerten oder Kino direkt teilnehmen, mit den KollegInnen in Meetings sitzen oder auch Immobilien (wie zum Beispiel eine Villa oder ein Ferienhaus) besitzen können. Wir können etwa den neusten Netflix-Film besprechen, Ordner teilen oder gemeinsam auf Notizen zugreifen.“

Wer braucht da noch Treffen mit Freunden an realen Plätzen, vielleicht sogar in der Natur? Wer bevorzugt da nicht das Treffen mit lebensecht aussehenden und ansprechbaren VR-Avataren? Allerdings gibt es da eine menschliche Eigenschaft, die uns vor Avataren mit allzuviel menschlicher Ähnlichkeit erschrecken lässt: es grüßt der bereits im UniWehrsEL beschriebene Uncanny-Valley-Effekt!

Und da sorgen die Freunde des Metavers schon im Vorfeld für wachsende Aufmerksamkeit auf dieses Phänomen:  „Um ein Gefühl von sozialer Präsenz und Immersion zu fördern, ist es entscheidend, den Uncanny Valley-Effekt beim Design dieser Avatare zu vermeiden. Das Uncanny Valley-Phänomen tritt auf, wenn ein Avatar dem menschlichen Aussehen nahekommt, aber dennoch unbehagliche Gefühle bei den Nutzern auslöst. In diesem Blogbeitrag werden Strategien untersucht, um VR-Avatare zu erschaffen, die die Lücke des Uncanny Valleys überbrücken und das Metaverse-Erlebnis verbessern.“

Gearbeitet wird dazu vor allem an Gesichtsausdrücken, die für menschliche Kommunikation von entscheidender Bedeutung sind. Zur Vermeidung des „Uncanny Valley“ müssen die VR-Avatare eine breite Palette von Emotionen zeigen können, die mit ihrer Sprache und Interaktionen übereinstimmen.

Das Nicht-Übereinstimmen zwischen Gesichtsausdruck und Gebaren in der virtuellen Realität führt unmittelbar zu einem anderen bekannten Phänomen: der Coulrophobie, der Angst vor Clowns. Doch warum jagen uns Clowns und andere vermeintlich harmlose Gestalten Schauer über den Rücken? Wer eine neue Metaversion schaffen will, der muss sich im psychologischen Alltag der Menschen auskennen.  

Uncanny valley Effekt und Clowns

Jeder kennt den „Gruseleffekt“ bei Horrorfiguren in entsprechenden Filmen wie etwa „Es“ von Stephen King. Der Altmeister des Horrors kann mit „Pennywise“ einen Clown aufweisen, der nicht von dieser Welt stammt. Auch er entstammt einer Parallelwelt, dem „Makroversum“. Diese auf der Erde gelandete böse „Entität hat bis 1715 geschlafen, um alle 27 Jahre zurückzukehren und für Grusel zu sorgen. Warum gerade die mystische Zahl „27“ (spontan erinnert mich das an den bekannten „Club 27“, in den jung verstorbene Musiker eingegangen sein sollen) ) ist eine andere Frage, die ich gerne mit Hilfe der UniWehrsEL-Leser lösen würde!

Zurück zum Grusel vor Clowns. Warum lösen gerade diese Spaßmacher bei uns so ambivalente Gefühle aus? Oder in Bezug auf potentielle Avatare und dem „tiefen Tal“, das diese in uns auslösen können?  

Gruseln hat mit Angst zu tun. Ein angeborener Reflex in Gefahrensituationen, auf den mit Angriff oder Flucht reagiert wird. Angst und Panik tauchen in akuten Situationen der Bedrohung auf, uns gruselt, wenn wir nicht ganz sicher sind, ob wirklich eine Bedrohung besteht.

McAndrew und Koehnke wollten 2016 im Rahmen ihrer Arbeit »On the Nature of Creepiness« herausfinden, welche Eigenschaften dafür verantwortlich sind, dass eine andere Person ganz allgemein besonders unheimlich auf uns wirkt. Und wieder ist die Erklärung das »uncanny valley« – oder unheimliches Tal. Sie greifen auf die uns nun schon bekannte Theorie von Masahiro Mori zurück, der 1970 davon ausging, dass wir zwar Roboter generell mögen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt: Allzu Menschenähnliches wie etwa Menschen ähnliche Puppen wirken eher gruselig.

Irgendwie sind Clown mit sich selbst inkongruent. Ihre Maske wirkt aufgesetzt, weil aufgemalt, ihr Grinsen passt oft nicht zum Tonfall oder ihrer völligen Stummheit. Eigentlich sollen sie uns freundlich gesinnt sein und zum Lachen bringen, und doch ist da diese irrationale Angst vor Clowns,  als Coulrophobie bezeichnet. Sie ist vor allem bei Kindern verbreitet, kann aber auch bei Erwachsenen auftreten. Die Maskierung macht den Menschen unberechenbar, wir können in der Mimik keine Gefühle spiegeln. Permanentes Grinsen verunsichert und löst Gefühle des Unnatürlichen aus, die bedrohend, unberrechenbar wirken.

Mit freundlichen Grüßen und der Hoffnung auf einen Kommentar wünsche ich Ihnen ein Weihnachtsfest ohne Furcht vor Unberechenbarkeiten und grüße herzlich,

ein UniWehrsEL-Leser

Danke für den Clown auf Pixabay!