Gestatten, mein Name ist „Messi“! Ich bin im Moment in aller Munde, weil ich meine Rolle als `‘Filmhund‘ mit Bravour gemeistert habe. Man kann mit Fug und Recht behaupten, ich habe als Blindenhund Snoop im Gerichtsdrama „Anatomie eines Falls“ die eigentliche Hauptrolle gespielt. Jedenfalls sagt das von mir das „UniWehrsEL“, in dem ja so ziemlich alles, was mit Rang und Namen verbunden ist, irgendwann einmal ausführlich von den Lesern besprochen wird. So auch in unserem spezifischen Fall, denn Elke Wehrs vom „UniWehrsEL“ hat mit Anne Winckler vom „Küchenblock““ gemeinsam den Film angeschaut. Spannend, wenn eine Richterin und eine Kulturanthropologin aus ihrer jeweiligen Position heraus den prämierten „Besten Film“ (Filmfestival Cannes 23 „Goldene Palme“) von der Regisseurin Justine Triet auf ihre Weise betrachten.
Klar war ich auch in Cannes dabei, konnte mich auch als einziger vierbeiniger Hauptdarsteller über die Auszeichnung „Bester Filmhund“ freuen. Das habe ich mir verdient, denn schließlich bin ich ein besonders gelehriges Tier.
So bin ich im besagtem Film treuer Begleiter von Daniel. Seit einem Verkehrsunfall ist der 11jährige Daniel, Kind in der schrecklich zerrütteten Familie, um die sich die Filmgeschichte dreht, fast erblindet. Daniel darf mich baden und lieben, wir begleiten uns gegenseitig bei den Spaziergängen rund um das einsame Landhaus in den französischen Alpen.
Ich bin es auch, der dabei ist, als Daniel seinen blutüberströmten Vater Samuel, einen Literaturdozenten aus Grenoble, nach einem Sturz aus dem obersten Stockwerk tot auffindet. Meine Film-Mama Sandra gerät unter Verdacht, ob sie bei diesem Fenstersturz nicht ein wenig nachgeholfen hat.
Mein Film-Herrchen Samuel sehen die Filmschauerinnen Elke und Anne nicht, denn der tritt nur vermittelt in Erscheinung. So etwa auf Fotografien, metonymisch durch ohrenbetäubend laute Musik, um eine Unterredung meines Film-Frauchens mit einer jungen (attraktiven!) Journalistin zu torpedieren. In körperlicher Gestalt sieht man ihn im Film allerdings nur einmal als Leiche. In zwei Flashbacks erkennt man, er war wirklich ein gutaussehender Mann. Er hat sich intensiv um Daniel und mich, den Blindenhund Snoop, gekümmert, aber immer auch einen tiefen Schuldkomplex in sich getragen, wegen des Unfalls von Daniel. Diese Rolle des „Kümmerers“ mag er nicht mehr einnehmen, wie in heimlich gefertigten Tonbandaufnahmen des Streits des Ehepaares später ersichtlich und hörbar wird.
Im zweiten Teil des Films, steht die Anklage gegen mein Film-Frauchen, der Prozesshergang mit der Anhörung von Zeugen und Sachverständigen, so etwas wie ein „Kreuzverhör“ im Mittelpunkt. Daniel ist, weil er es möchte, dabei, allerdings ohne mich.
Ich komme dann wieder in meiner Hunderolle ins Spiel. Es leitet sich eine entscheidende juristische Wende ein, ein Handlungsumschwung, der schließlich auch zum Freispruch meines Frauchens Sandra führt. Daniel wird, wiederum ohne mich, aber auf seinen ganz persönlichen Wunsch hin, noch einmal als Zeuge gehört. Mama Sandra hatte ausgesagt, Papa Samuel habe schon einmal versucht, sich umzubringen. Bei einer Überdosis mit Aspirin-Tabletten habe er sich erbrechen müssen. Das Erbrochene könnte wohl ich gefressen haben. Daniel wusste bislang nicht davon.
Allerdings erinnert sich Daniel nun und erzählt vor Gericht von einer Autofahrt mit seinem Vater, der mich zum Tierarzt gefahren habe. Während der Autofahrt habe der Vater Daniel Ratschläge gegeben, wie man sein Leben ohne ein geliebtes Wesen weiterleben könne und müsse. Ob er damit mich, den geliebten Familienhund meinte, oder auf seinen eigenen potentiellen Tod anspielte, man erfährt es nicht.
Daniels Gerichtsaussage ging ein wesentliches Experiment mit mir voraus. Für mich eine Schlüsselszene des Films und mein ganz großer Auftritt, der schließlich auch meinen ‚Oscarreifen‘ Ruhm begründet hat. Um zu beweisen, dass Mama Sandra Papa Samuel nicht umgebracht hat, füttert mich Daniel mit Aspirin. Er will wissen, ob das Aspirin die gleiche Wirkung wie damals auf mich hat, als ich zum Tierarzt gefahren werden musste.
Tatsächlich: Die Wirkung auf mich als Filmhund Snoop ist fatal. Die besondere schauspielerische Herausforderung liegt darin, das Leinwandpublikum davon überzeugen, ich läge im Sterben, mit Augen verdrehen und heraushängender Zunge. Und das gelingt mir so gut, dass Elke ein paar Tränchen verdrücken muss. Letztlich werde ich von der vom Gericht in Abwesenheit meines Frauchens Sandra für Daniel bestellten Betreuerin, durch das Einflößen von Salzwasser in mein Maul, zum Erbrechen gebracht.
Ich habe in „Anatomie eines Falls“ in der Rolle des Blindenhundes Snoop wesentlich zur Aufklärung eines vermeintlichen Mordfalles beigetragen. Das Experiment beweist, dass es durchaus möglich sein könnte, Herrchen Samuel hätte sich mit diesen Tabletten, die er später erbrochen hatte, das Leben nehmen wollen. Frauchen wird freigesprochen, feiert noch länger mit ihrem Anwalt und kommt letztlich zu Daniel und mir wieder nach Hause. Sie ist müde und legt sich aufs Sofa, und ich kuschele mich neben sie. Ende gut, alles gut oder es bleibt einfach alles anders? Kommentieren Sie einfach selbst!
Und noch ein hündischer Nachsatz: Dass ich Snoop heiße und Snoopy der erfolgreichste (Fernseh-)hund aller Zeiten ist, könnte einen Hinweis auf die Treue und Zuverlässigkeit von Hunden geben. Leider ist Snoopy kein „Border Collie“ und hat darum auch mehr seine eigenen Interessen im Hundekopf. Sein Karrierewunsch liegt im Gegensatz zu meinem weniger im schauspielerischen als im schriftstellerischen Bereich. Ob mein eigentlicher Name „Messi“ irgendetwas mit meinen charakterlichen Eigenschaften zu tun hat, ist wohl eine Spur, die ins Leere führt.
Danke für den Border Collie von Jörg Begoin auf Pixabay!