In den 90ern gab es einen Dinosaurier-Boom und ein großes Interesse an riesigen Reptilien, in Realität und Fiktion. «Jurassic Park» (1993) wurde entworfen und «Jurassic World» (2015) weltbekannt. Nun ist «Jurassic World: Rebirth» vor ein paar Tagen in den deutschen Kinos gestartet und ein Leserbrief im UniWehrsEL wirft einen Blick auf den ersten Film von 1993 von Steven Spielberg, der ein Megahit war. Ihn interessiert, passend zum kommenden WS 25/26 das Thema „Anima(l)„. Darum will er in seiner Analyse nicht nur die Beziehung zwischen Mensch und Tier betrachten, sondern sich auch kritisch auseinandersetzen mit den kapitalistischen Strukturen, die den Parkgründer John Hammond und seine Vision antreiben, inclusive der Idee, wie zeitkritisch muss eigentlich ein Film sein, um (pekuniär) Erfolg zu haben.
Liebe Leser des Blogs UniWehrsEL,
Im neuen Film geht es um das „Jurassic World Rebirth„, „wenige übrig gebliebene Dinosaurier sollen in ihrer DNA den Schlüssel für eine Droge beinhalten, die die Menschen maßgeblich gesundheitlich vor Krankheiten schützen könnte. Um sich die DNA zu sichern, wird die Geheimagentin Zora Bennett (Scarlett Johansson) auf eine streng geheime Mission entsandt. An ihrer Seite sind der Paläontologe Dr. Henry Loomis (Jonathan Bailey), Duncan Kincaid (Mahershala Ali) sowie Martin Krebs (Rupert Friend), der ein Pharma-Unternehmen repräsentiert. Inmitten dieser Mission trifft das Spezialteam auf eine zivile Familie rund um Vater Reuben Delgado (Manuel Garcia-Rulfo), die von einer Gruppe Dinosauriern überrascht werden, die andere Charakteristika aufweisen, als üblich“. Statt früherem Tyrann T-Rex, erscheint nun dessen genetisch verzerrter Verwandter D-Rex. Distortus Rex, so sein voller Name, ist eher ,«Alien» als eine Saurierart, die je real auf unserem Planeten gelebt hat. Gleich dem vierten «Alien»-Film, der als «Die Wiedergeburt» vermarktet wurde, weist «Jurassic World: Rebirth» Parallelen auf.
Das wäre dann im Wesentlichen schon alles, was es darüber zu sagen gäbe, hätte sich nicht ein Leser des UniWehrsEL ganz andere Gedanken zu der Jurassic-Film-Reihe gemacht. Ihn interessiert die Thematik Kapitalismus und die filmische Schaffung von Dinosauriern, im Kontext der Theorien von Karl Marx, insbesondere seine Analyse des Kapitalismus in „Das Kapital“, die die Ausbeutung von Ressourcen und Arbeitskräften thematisiert (Marx war schon häufiger ein Thema, so auch im Beitrag zu „Widerstand und Waldesrauschen„). Dazu wählt er Beispiele der Darsteller und versucht damit die Ideale und die Kritik am Kapitalismus herauszufiltern.
Hammond verkörpert die Ideale des Kapitalismus, die Marx in seinem Werk kritisiert. Sein Streben nach Profit und Ruhm führt ihn dazu, die Grenzen der Wissenschaft und der Ethik zu überschreiten. Die Schaffung von Dinosauriern wird nicht als ein Akt des Staunens oder der Wissenschaft betrachtet, sondern als ein Geschäft, das darauf abzielt, den ultimativen Freizeitpark zu schaffen (zu Staunen beachten Sie auch bitte die Ausführungen von Nicola Gess im Beitrag Staunen und Ästhetik). Diese kapitalistische Motivation spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie die Tiere behandelt werden – nicht als lebendige Wesen mit eigenen Bedürfnissen und Rechten, sondern als Produkte, die zur Maximierung des Gewinns dienen. Marx würde argumentieren, dass Hammond und seine Partner die Dinosaurier als „Ware“ betrachten, deren Wert durch den Profit bestimmt wird, den sie generieren können.
Die unkontrollierbare Natur der Dinosaurier wird zum Symbol für die Gefahren des ungebremsten Kapitalismus. Der Chaosforscher Ian Malcolm bringt die Chaostheorie in die Diskussion ein, die besagt, dass komplexe Systeme, wie das Ökosystem von Jurassic Park, unvorhersehbar sind und selbst kleinste Veränderungen zu katastrophalen Folgen führen können. Malcolms Warnungen, dass der Versuch, die Natur zu kontrollieren, letztendlich zum Scheitern verurteilt ist, verdeutlichen die Fragilität menschlicher Ambitionen. Diese Theorie unterstreicht, dass die Illusion der Kontrolle, die Hammond und seine Partner anstreben, in der Realität nicht existiert.
Staunen und Angst: Die Beziehung zwischen Mensch und Dinosaurier

Die Beziehung zwischen Mensch und Dinosaurier in „Jurassic Park“ wird durch das Staunen der Forscher bei ihrem Erstkontakt mit den Dinosauriern geprägt. Diese Momente des Staunens sind von einer Mischung aus Ehrfurcht, Neugier und einer tiefen emotionalen Verbindung zur Natur durchzogen. Als Dr. Alan Grant und seine Kollegen zum ersten Mal die lebenden Dinosaurier sehen, wird die jahrzehntelange Forschung und das Streben nach Wissen in einem überwältigenden Augenblick der Entdeckung manifestiert. Die Dinosaurier erscheinen nicht nur als wissenschaftliche Objekte, sondern als majestätische Geschöpfe, die die Grenzen des menschlichen Wissens und der Vorstellungskraft sprengen. Dieses Staunen ist ein zentrales Element, das die Beziehung zwischen Mensch und Tier in der Storyline definiert.
Im Vergleich dazu finden sich in der Science-Fiction-Literatur und -Filmkunst ähnliche Momente des Staunens, jedoch oft mit unterschiedlichen Nuancen. Ein Beispiel dafür ist der Film Tim Burtons „Mars Attacks!“ eine Parodie von 1996 auf Science Fiction der 1990er wie Roland Emmerichs „Independence Day“, in dem die Begegnung mit den Außerirdischen zunächst von einer kindlichen Neugier und einem Gefühl der Unschuld geprägt ist. Die niedlichen, cartoonhaften Außerirdischen wecken eine Art von Staunen, das von einer positiven Erwartungshaltung begleitet wird. Diese Darstellung steht im Kontrast zu den Dinosauriern in „Jurassic Park“, die von Anfang an mit einer Aura der Gefahr und des Unbekannten behaftet sind. Während die Außerirdischen in „Mars Attacks!“ als harmlos und sogar komisch wahrgenommen werden, sind die Dinosaurier von einer tiefen, urtümlichen Kraft umgeben, die sowohl Faszination als auch Angst hervorruft. Erst mit dem Angriff auf den Präsidenten ist Schluss mit der Niedlichkeit der Marsleute. Tim Burtons „Mars Attacks!“ persifliert die Werte von Independence Day meisterlich: Obrigkeitsglauben, Militarismus und stark ausgeprägtem Patriotismus.
Ein weiterer interessanter Vergleich gilt den Dinosauriere in „Jurassic Park“.

Diese Dinosauriere sind nicht nur beeindruckend in ihrer Erscheinung, sondern auch intelligent und strategisch. Die Forscher erleben eine Mischung aus Staunen und Schrecken, als sie die Raptoren in Aktion sehen. Ihre Fähigkeit, zu jagen und zu kommunizieren, verstärkt das Gefühl der Bedrohung und zeigt, dass die Faszination für die Dinosaurier auch mit der Erkenntnis verbunden ist, dass sie nicht einfach kontrolliert oder domestiziert werden können. Diese Dynamik zwischen Staunen und Angst ist ein zentrales Thema in „Jurassic Park“ und unterscheidet sich stark von der eher humorvollen und harmlosen Darstellung der Außerirdischen in „Mars Attacks!“.
Militarismus und die Illusion der Kontrolle

In „Jurassic Park“ wird der Militarismus auf subtile, aber bedeutende Weise thematisiert, insbesondere durch die Präsenz von Sicherheitskräften und der Technologie, die zur Kontrolle der Dinosaurier eingesetzt wird. Im Gegensatz zu „Mars Attacks!“, wo der Militarismus als übertrieben und lächerlich dargestellt wird, zeigt „Jurassic Park“ eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Idee, dass militärische Macht und Technologie nicht die Lösung für die Probleme sind, die aus der Schaffung und Kontrolle von Leben resultieren.
Die Sicherheitskräfte im Park, angeführt von Charakteren wie Donald Gennaro und Muldoon, sind darauf trainiert, die Dinosaurier zu überwachen und im Notfall zu bekämpfen. Diese militärische Herangehensweise spiegelt den Glauben wider, dass Gewalt und Kontrolle die Antwort auf die Dinosaurier darstellen. In „Jurassic Park“ spielen die Instinkte der Dinosaurier eine entscheidende Rolle und verdeutlichen die unberechenbare Natur dieser urzeitlichen Kreaturen. Die Instinkte, die in den Dinosauriern verankert sind, sind nicht nur Überlebensmechanismen, sondern auch Ausdruck ihrer natürlichen Verhaltensweisen, die sich über Millionen von Jahren entwickelt haben. Diese Instinkte manifestieren sich besonders deutlich bei den Velociraptoren, die als intelligent und strategisch agierend dargestellt werden. Doch während der Film fortschreitet, wird deutlich, dass die Strategie der Militärs nicht nur ineffektiv, sondern auch gefährlich ist. Die Dinosaurier, insbesondere die intelligenten Velociraptoren, entziehen sich der Kontrolle und zeigen, dass rohe Gewalt und militärische Taktiken nicht ausreichen, um die unberechenbaren Kräfte der Natur zu bändigen.
Im Vergleich zu „Mars Attacks!“, wo der Militarismus als eine übertriebene Reaktion auf die Bedrohung durch die Außerirdischen dargestellt wird, wird in „Jurassic Park“ die Illusion der Kontrolle durch militärische Mittel als eine der Hauptursachen für das Scheitern des Projekts entlarvt. Der Versuch, die Dinosaurier mit Waffen und Sicherheitsprotokollen zu kontrollieren, führt letztendlich zu Chaos und Zerstörung. Dies steht im direkten Widerspruch zu den Werten, die in „Independence Day“ propagiert werden, wo der Militarismus als heroisch und notwendig dargestellt wird, um die Menschheit zu retten.
Das Projekt musste scheitern, weil es auf der Annahme basierte, dass der Mensch die Natur vollständig beherrschen kann. Die Instinkte der Dinosaurier und der Menschen sind faszinierend und zeigen, dass die Natur nicht vollständig kontrolliert werden kann. Sie erinnert die Gesellschaft daran, wie leicht Pläne auf dem Papier zu entwerfen sind aber wie schwierig es ist diese in der Praxis umzusetzen. In diesem Sinne spiegeln die Dinosaurier auch die tierischen Instinkte im Menschen wider und regen die Zuschauer dazu an, über die Beziehung zwischen Menschen und Tier nachzudenken.
Die Dinos leiden im jüngsten Kapitel von «Jurassic World Rebirth» am Klima. Damit soll Zeitkritik in die Handlung gebracht werden. Die Pharmaindustrie will aus ihnen Profit schlagen, um ein lukratives Herzmedikament zu entwickeln, auch das ist alter Wein in jungen Schläuchen. Die Idee, Menschen und Tiere könnten das gemeinsame globale Ökosystem teilen, hat sich wohl als wenig werbewirksam herausgestellt. Denn «Rebirth» wandelt auf den erzählerischen Pfaden des Originals und stellt das altgewohnte Feindbild wieder her- wie in in «Jurassic Park» gibt es die isolierte Dinoinsel und ganz klar, das Narrativ eines furchterregenden Saurierkönigs und der muss mit allen Mitteln attackiert werden – zum Wohle der Menschheit. Die Moral beschreit der standard trefflich: … „Der Mensch soll nicht Gott spielen, die Wissenschaft ist kein gutes Terrain für kapitalistische Gier, und die Natur lässt sich nicht dominieren.“
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