Du betrachtest gerade Kindern Angst nehmen und Schmerzen lindern – von Bären, Puppen und virtuellen Gefährten

In unserem Beitrag zu Verlust, Schmerz und Angst beschrieben wir Studien, die untersuchen, wie reale Angstreaktionen unter Berücksichtigung der „sozialen Relevanz“ und durch „virtuelle Begleiter“ abgemildert werden können. Eine Leserin des UniWehrsEL hat das zu weiteren Überlegungen, aber auch zu einer Rückschau auf die eigene Kindheit veranlasst. Sich mit virtuellen Freunden auszutauschen, sich mit unsichtbaren Personen zu unterhalten, erscheint nicht mehr ungewöhnlich in Zeiten des Internetchats. Trotzdem wird es manchen Eltern zu viel, wenn ihr Kind einen Fantasiefreund hat, der es tröstet und dem, es mehr vertraut, als realen Menschen. Der „imaginäre Gefährte“ gab schon 2009 in der Zeitschrift Gehirn & Geist Anlass zu Forschung.  

Liebe Leser des UniWehrsEL,

Die Forschung zu neuen Therapien nutzt heute verstärkt die Virtuelle Realität. Im Deutschen Ärzteblatt konnte ich 2025 nachlesen, es gäbe „eine neue Therapie, die Elemente einer Virtual Reality (VR) nutzt. Sie soll Kinder zwischen acht und zwölf Jahren unterstützen, die an Angststörungen leiden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt namens VISAKI; der Name steht für „Virtuelle Interaktion zur Förderung der mentalen Gesundheit von sozialen Angststörungen bei Kindern“.“ Eine computergenerierte Wirklichkeit soll dabei helfen, spielerisch soziale Fähigkeiten einzuüben.

Meine Frage wäre dann zunächst einmal, warum haben heute so viele Kinder Angsstörungen und wie unterscheiden diese sich von den Ängsten, die wir als Kinder sicherlich alle einmal erlebt haben? Meine Antworten zu „Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen“ finde ich gut erklärt durch Claudia Vogt, ärztliche Leitung des Departments, Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJPP) am Marien-Hospital Wesel.

Angststörung, so ergeben meine weiteren Recherchen, seien eine ernsthafte Erkrankung, aber es gäbe auch die natürliche Angst der Kinder, die weniger eine ‚Charakterfrage‘ sei, vielmehr mit der natürlichen Entwicklung von Kindern zusammenhänge (vgl. auch: 6 Entwicklungsstufen nach Piaget, Freud & Co.; vgl. Die 5 Entwicklungsbereiche von Kindern). Angst solle man immer ernst nehmen, wenn sie mit somatischen Beschwerden verbunden sei wie etwas Herzrasen oder Schweißausbrüche. Angst sei aber trotzdem wesentlich als ein basales Grundgefühl, um sich vor Gefahr zu schützen, an sich selbst zu wachsen und Selbstwirksamkeit zu erlangen.

Selbsterfahrung und Selbstwirksamkeit

Gerne möchte ich Ihnen beschreiben, wie ich als Kind meine Angst erlebt habe. Ich hatte eine Dagobert Duck Puppe, die für mich wie ein Schutzengel vor bösen Träumen war. Diese Figur aus der beliebten Serie „Duck Tales“, die in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren ausgestrahlt wurde, begleitete mich durch viele schlaflose Nächte. Die Abenteuer von Dagobert Duck und seinen Neffen waren nicht nur unterhaltsam, sondern boten auch eine Flucht aus der Realität. In einer Welt, in der Kinder oft mit schauerhaften Ängsten konfrontiert sind, können solche virtuellen Gefährten eine wichtige Rolle spielen.

Die Gründe, warum ich meine Furcht auf bestimmte Szenarien oder Figuren konzentriert habe, waren vielfältig. Schlechte Erfahrungen, unbekannte Gesichtszüge oder sogar die übertriebene Darstellung von Figuren, wie dem gruseligen Clown „Pennywise“ aus Stephen Kings „Es“, hat bei mir Angst ausgelöst (vgl. auch unseren Beitrag zu Coulrophobie). Pennywise, mit seinem grinsenden Gesicht und den schrecklichen Zügen, verkörpert das Bedrohliche. Für mich, die noch nicht in der Lage war, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden, hat dieser Charakter Symbolwert meiner tiefsten Ängste. „Es“, stürzte mich in schlaflose Nächte, während die Vorstellung von einem Monster unter dem Bett für mich zu einem realen Albtraum wurde.

Zudem kam meine Angst vor Tieren, wie einem bellenden Hund, der plötzlich auf mich zurannte, der zu einer überwältigenden Erfahrung beitrug. Ich denke noch heute an Stephen Kings „Cujo“, wo ein einst sanfter Hund durch Tollwut zu einer schrecklichen Bedrohung wurde. Diese Darstellung hat lange meine Vorstellung von Tieren beeinträchtigt und die Angst vor ihnen verstärkt.

Und schließlich war da noch die Angst vor der Dunkelheit, in der sich Schatten und Geräusche zu unheimlichen Gestalten verwandelten, eine der häufigsten Ängste, die Kinder plagen. Hier kommt die Geschichte des „Traumfresserchens“ ins Spiel, die vielen Kindern und auch mir helfen konnte, die Angst vor der Dunkelheit zu überwinden. Das „Traumfresserchen“ kommt in der Nacht als kleines Wesen und frisst die bösen Träume der Kinder auf.

Heute weiß ich, es gibt wohl unterschiedliche Ansätze, wie Eltern mit den Ängsten ihrer Kinder umgehen. Manche Eltern versuchen es mit einer Art Schocktherapie. Sie konfrontieren ihre Kinder gegen ihren Willen mit gruseligen Puppen, Tieren oder Masken, in der Hoffnung, dass diese Konfrontation die Angst vertreibt. Andere Eltern hingegen trauen ihren Kindern frühzeitig viel zu und lassen sie Gruselfilme schauen, die für viele Kinder viel zu schreckhaft sind.

In diesem Kontext ist es interessant, die Theorien des Psychologen Donald Winnicott zu betrachten. Er sprach von „Übergangsobjekten“, wie Teddybären oder Puppen, die Kindern helfen, ihre Ängste zu bewältigen und eine Verbindung zwischen der realen und der imaginären Welt herzustellen. Diese Objekte bieten Trost und Sicherheit, indem sie den Kindern helfen, ihre Emotionen zu regulieren und ihre Ängste zu verarbeiten.

Das Theaterstück „Mein Freund Harvey“ thematisiert ebenfalls die Bedeutung von imaginären Freunden. Harvey, ein unsichtbarer Hase, hilft dem Protagonisten, seine Ängste und Unsicherheiten zu überwinden. Diese Art von Unterstützung, sei es durch einen imaginären Freund oder durch eine Puppe, kann für Kinder von unschätzbarem Wert sein. Sie ermöglicht es ihnen, ihre Ängste in einem geschützten Raum zu erkunden und zu verarbeiten.

Für mich bringt die zunehmende Digitalisierung von Spielzeugen neue Fragestellungen mit sich. Virtuelle Gefährten wie das Tamagotchi haben in den 1990er Jahren die Welt erobert. Diese kleinen, digitalen Haustiere lehren Kinder wichtige Lektionen über Verantwortung und Fürsorge. Das Tamagotchi benötigt regelmäßige Aufmerksamkeit: Es muss gefüttert, gereinigt und bespaßt werden. Diese Interaktion fördert das Bewusstsein von Kindern für die Bedürfnisse anderer (virtueller) Personen. Virtuelle Puppen, wie sprechende Barbies oder interaktive Spielzeuge, können zwar emotionale Unterstützung bieten, aber sie bergen auch Risiken. Diese Geräte sind oft mit Mikrofonen und Kameras ausgestattet, die potenziell zum Ausspionieren genutzt werden können. Kinder könnten unbewusst persönliche Informationen preisgeben, die in die falschen Hände geraten könnten. Es ist wichtig, dass Eltern sich dieser Gefahren bewusst sind und den Umgang mit solchen Technologien kritisch hinterfragen.

Da virtuelle Gefährten immer präsenter werden, ist es wichtig, die Rolle von Bären, Puppen und anderen Übergangsobjekten nicht zu unterschätzen. Sie sind nicht nur Spielzeuge, sondern auch wichtige Begleiter auf dem Weg zur emotionalen Stabilität. Indem Eltern Kindern helfen, ihre Ängste zu benennen und zu verstehen, können Eltern Kindern die Werkzeuge an die Hand geben, die sie benötigen, um mit schwierigen Alltagssituationen umzugehen. Letztlich ist Aufgabe der Erwachsenen, den Kindern zu zeigen, dass sie nicht allein sind – sei es durch einen Teddybären, eine Puppe oder einen imaginären Freund wie Harvey. Denn in der Welt der Kinder sind diese Begleiter oft der Schlüssel, um Angst und Schmerz zu lindern. Es ist Aufgabe der Eltern sicherzustellen, dass Kinder in einer sicheren Umgebung spielen, in der ihre Privatsphäre respektiert wird.

Mit herzlichen Grüßen von einer UniWehrsEL Leserin und Dank an Pixabay für die interessanten Bilder !