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Endlose Tage und Nächte werden vor Hedda liegen. Regisseurin Mateja Koležnik hat das Stück von Henrik Ibsen radikal zusammengestrichen. Anders als in den üblichen Interpretationen von “Hedda Gabler” zeigt sie Verständnis für die Enttäuschung einer lebenshungrigen Frau. Unser Kulturbotschafter interpretiert für uns.

Liebes UniWehrsEL,

gestern habe ich mir das Ibsendrama Hedda Gabler am Schauspiel Frankfurt angesehen. Es ist die zweite Arbeit der Regisseurin Mateja Koleznik am Schauspielhaus Frankfurt für diese Spielzeit. Sie hat bereits Yvonne, die Burgunderprinzessin inszeniert. Nach längerer Pause war es auch das erste Mal, dass es wieder eine analoge Einführung im Chagall Saal gab.

Hedda Gabler erzählt die Geschichte einer berechnenden, gelangweilten Frau. Sie hat ihren Ehemann nur geheiratet, um in der Gesellschaft einen gesicherten Stand zu haben. Leider stellt sich dieses Arrangement für Hedda als falsch heraus. Ihr Ehemann hat ihr zwar ein schönes neues Haus gesucht, aber ihm fehlt die sozial anerkannte Position in der Gesellschaft. So kann Hedda leider nicht gesellschaftlich glänzen, wie sie sich es erträumt hat.

Stattdessen verbringt sie langweilige Tage allein, während ihr Mann wissenschaftlichen Lehren sich widmet. Als nun ein ehemaliger Liebhaber von Hadda wieder auf der Bildfläche auftaucht und sogar die vermeintlich sicher geglaubte Professorenstelle für Heddas Mann gefährdet, bringt Hedda ihren ehemaligen Liebhaber dazu, sich wieder zu betrinken. Der Ex hat ein Alkoholproblem.

Nach einer durchzechten Nacht hat er das Manuskript für sein neues Buch verloren, vermeintlich bei einer Prostituierten. Er landet auf der Polizeiwache. Der Ex-Liebhaber wurde von einer einsamen Hausfrau, die ihren Mann für ihn verlassen hat, zu einem Buch und einem Skript inspiriert. Da Hedda auf die Beziehung des Liebhabers mit der Hausfrau eifersüchtig ist, verbrennt Hedda das Skript.

Hedda möchte mit diesem Schritt ihren Ex-Liebhaber in den Selbstmord treiben. Aus ihrer Sicht ist sein Leben zwischen Buchdeckeln sowieso vergeudet, und deshalb ist der Selbstmord die einzig richtige Tat. Sie reicht ihm die Pistolen ihres Vaters für den Selbstmord. Doch auch am Selbstmord scheitert der Ex-Liebhaber aus Heddas Sicht kläglich. Er bedroht mit der Waffe seine Lieblingsprostituierte und fordert von ihr die Herausgabe des Manuskripts. Durch unglückliche Umstände kommt er beim Waffenziehen ums Leben.

Hedda Gabler wird von einem Politiker, der ebenfalls Hausgast bei ihrem Mann ist, erpresst. Sie soll die Geliebte des Politikers werden. Dafür wird er der Polizei nicht melden, dass die Waffe von Hedda stammt.

Heddas Mann findet durch den Tod des Liebhabers einen neuen Sinn des Lebens. Er wird mit der Hausfrau das Skript des Liebhabers rekonstruieren und benötigt dafür Hedda nicht. So beschließt Hedda selbst zur Tat zu schreiten und sich mit der zweiten Pistole des Generals Gabler zu erschießen. Ihre Lösung aus der Langeweile.

Die Inszenierung spielt in einem Glaskasten. Hedda versucht diesem Glaskasten zu entkommen. Als sie erkennt, dass dies nicht möglich ist, begeht sie einen letzten für sie logischen Schritt.

Die Inszenierung zeigt deutlich, wie sich Menschen verhalten, wenn sie den Schein wahren müssen. So füllt Hedda die Rolle als Dekorationsgegenstand für ihren Mann nicht aus. Der Ex-Liebhaber wird zur erträumten Ausflucht aus dem langweiligen Alltag. So soll er, nach Heddas Auffassung, mit den Konventionen brechen und nicht erfolgreicher Teil der Gesellschaft werden. Deshalb verbrennt sie auch das Buch. Das Stück wirft die Frage auf, in wieweit sich das Individuum in festgelegten Rollenbildern bewegen kann ohne dabei zu verzweifeln.

  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:24. März 2022
  • Lesedauer:4 min Lesezeit