In der FAZ fand sich vor einigen Tagen ein Leserbrief zum Thema „gendern“, der durchaus zu kontroversen Diskussionen, auch bei den Lesern des UniWehrsEL anregte. Von „gut“ bis „sehr oberflächlich“ reichten die Meinungen.
Dieses Thema war auch schon in unserem Seminar an der U3L “Von Natur aus anders”. Zur Psychologie der Geschlechterunterschiede heiß umstritten.
Liebes UniWehrsEL,
In den Kommentaren wird der Leserbrief zum Thema „gendern“ als „sehr lesenswert“ bezeichnet und ich habe mich gefragt, wie ich ihn finden soll.
www.lembeck.de/ein-beitrag-leserbrief-zur-gendersprache/
Meine Antwort darauf: Mir scheint, dass es dem Autor in erster Linie darum geht, die feministischen Linguistinnen zu diskreditieren, indem er ihnen unterstellt, ihr Blick sei ideologisch getrübt und deshalb seien sie nicht in der Lage, Sexus und Genus im Sprachgebrauch unterscheiden zu können.
Ich glaube nicht, dass eine linguistische Analyse unserer Sprache „leicht“ von Laien durchgeführt werden kann, da es etliche Ausnahmen in den grammatischen Regeln gibt, die diese nur bestätigen. Ich finde, dass es bei der Bezeichnung von Menschen eine Gemengelage der Funktionen von Genus und Sexus in unserer Sprache gibt. Der Lehrer, der Busfahrer, der Gärtner… diese Bezeichnungen für Personen im Singular sind vom Genus her in der überwiegenden Mehrheit männlich und vom Sexus her abgeleitet, sonst gäbe es in unserer Sprache nicht das Suffix „-in/- innen“, um den Sexus einer weiblichen Person ausdrücken zu können. Dieses Suffix ist von den feministischen Linguistinnen in unserer Sprache bereits vorgefunden worden.
Der Autor führt dagegen Beispiele wie „die Person“ oder „das Individuum“ an, um darzulegen, dass bei Bezeichnungen von Personen nur „das Genus“ von Bedeutung sei. Hier handelt es sich aber m.E. um Ausnahmen von der grammatischen Regel (Das Suffix „-um“ z. B. geht immer mit dem Artikel „das“ konform; der Begriff „Person“ bedeutet etymologisch „Maske“ oder sichtbare „Gestalt des Menschen“, der Begriff fungiert hier tatsächlich als Oberbegriff für beide Geschlechter gleichermaßen, was auch darin eine Bestätigung findet, dass ich an „Person“ nicht das Suffix „-in/-innen“ anfügen kann).
Was den Plural angeht, so wird der Artikel „die“ im Nominativ unterschiedslos für alle drei Genera gleichermaßen benutzt. Diese Tatsache ist den feministischen Linguistinnen vermutlich bewusst, ansonsten hätten sie wohl kaum einen wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrauftrag erringen können. Allerdings lässt sich auch hier wiederum nur durch das Anfügen des Suffixes „-innen“ ausdrücken, dass es sich um eine Gruppe von Menschen handelt, die vom Sexus her eindeutig weiblich sind.
Ich denke nicht, dass feministische Linguistinnen es nötig haben darüber zu klagen, dass sie „mal wieder nicht gemeint“ sind, sondern dass sie bei der Sprachanalyse feststellen, dass der weibliche Sexus beim Gebrauch des Plurals dem vermeintlichen grammatischen Oberbegriff und Synonym untergeordnet ist. Wie diese Tatsache zu bewerten ist und angemessen bewusst in unserer Sprache zum Ausdruck kommen soll, das scheint mir der Gegenstand der „Gender“-Diskussion zu sein. Ich selbst fühle mich als „Leserin“ mehr angesprochen, denn als „Leser“ und finde es zu Beginn einer Talkshow angemessen, auch die 50 % Zuschauerinnen zu begrüßen.
Und wie verhält es sich mit der Aussage eines Satzes wie „Jeder zehnte Grundschullehrer ist ein Mann.“ – sehr irritierend und entlarvend für ein sexistisches Denken, das noch nicht überwunden ist und sehr versteckt daherkommt. Der Satz könnte genauso gut lauten: „Es gibt 90% Grundschullehrerinnen und 10% Grundschullehrer.“ Und Bezeichnungen wie „das Kollegium“, „die Lehrkraft“, „die Vertretung“ sind explizit Genus orientiert, da es für die Funktionalität z.B. des Systems Schule egal ist, ob die ausführende Person bzw. die ausführenden Personen Männer oder Frauen sind. Und sind Elternvertreter und -Vertreterinnen Klinkenputzer oder Klinkenputzerinnen?
Ich widerspreche der Aussage des Leserbriefschreibers, dass die feministischen Linguistinnen den Sexismus in die Sprache erst eingeführt hätten. Ich denke, dass ideologische Grabenkriege beiderlei Geschlechts uns nicht weiterbringen. Ich will auch keinen komplizierten Gender-Sprech-und-Schreibstil in unserer Sprache anwenden müssen, der mit Sternchen operiert und einen abgehackten Sprachfluss zur Folge hat. Aber ich bin bereit, beide Sexus-Formen, die die Grammatik unserer Sprache für die Unterscheidung von Mann und Frau sowie Männern und Frauen bereitstellt, zu benutzen, wo der Aspekt des Sexus in der Aussage des Gesagten relevant ist.
Im Übrigen verrät die Sprache, die wir sprechen, sehr viel über uns und unser Denken. Es ist also im Sinne der Emanzipation nicht damit getan, Frauen gleiches Gehalt für gleiche Arbeit zu zahlen, Emanzipation vollzieht sich auf mehreren Ebenen gleichermaßen. Auch denke ich, dass es sicherlich Männer gibt, die den Frauen Emanzipation großzügig aus freien Stücken gewähren, dass Frauen sich dennoch schon selbst um Emanzipation bemühen werden, wenn das ein Thema für sie ist.