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Ein jung verstorbener Künstler, dessen Bleistiftzeichnungen auf den Betrachter zuweilen verstörend wirken. Eine davon zeigt Francis Bacon, dessen Leben als heftig und sein Charakter als schwierig galt. Festgehalten in der Zeichnung von Stéphane Mandelbaum, selbst ein schwieriger Charakter. Auch er hatte ein heftiges Leben, das 1986 vorzeitig endete.

Eine umfangreiche Auswahl seiner Portraits zeigt jetzt das Museum für Moderne Kunst im Tower in einer bewegenden Ausstellung.

Der Kulturbotschafter des UniWehrsEL hat sie für uns besucht und beschrieben.

Liebes UniWehrsEL,

Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Heute Nachmittag habe ich mir spontan im MMK Tower die Ausstellung über Stéphane Mandelbaum angeschaut. Er war ein belgischer Künstler. Er ist in Brüssel 1961 geboren als jüdisches Kind eines Malers und einer Illustratorin, dessen Großvater schon in den frühen zwanziger Jahren aus Polen geflohen war.

Mandelbaum studiert Kunst, lernt Jiddisch, heiratet eine kongolesische Frau, reist 1986 in den Kongo, in das Heimatdorf seiner Frau und plant in den Handel mit Masken einzusteigen. Das misslingt wie so vieles in diesem kurzen Leben.

Sein Tod ist ein Kriminalfall. Es werden Ermittlungen angestellt: Dem Tathergang nach ist er an mindestens zwei Einbrüchen beteiligt. Er stiehlt eine japanische Figur am 29. August aus der Wohnung eines Beamten. Als zweites bricht er in die Wohnung einer Frau ein und stiehlt ein Gemälde von Amedeo Modigliani. Pech im Unglück, der Modigliani entpuppt sich als Fälschung.

Es gibt Zeichnungen, die all dies aufnehmen, zumindest erkennt man Versatzstücke. Als handele es sich bei diesen Bildern um eine Art Traum-Tagebuch, in dem sich fiktive und reale Elemente vermischen.

Am 01. Dezember verschwindet er. Sein Vater erhält ein Telefax aus Zypern, indem steht, er sei in Beirut verhaftet worden. In Wirklichkeit ist er von seinem Auftraggeber der Diebstähle ermordet worden. 1987 wird die Leiche des Malers von Kindern in einer Felsenhöhle in der Nähe von Namur entdeckt. Die Autopsie ergibt, dass er mit einem heftigen Schlag auf den Schädel betäubt, dann hingerichtet und sein Gesicht mit Säure verätzt wurde.

In der Ausstellung sind nur Zeichnungen von ihm zu sehen. Er hat beispielsweise andere Künstler wie Arthur Rimbaud (französischer Dichter), Pier Paolo Pasolini (italienischer Regisseur, Schriftsteller), Francis Bacon (Maler) Pierre Goldmann (Schriftsteller), Pablo Picasso (französischer Maler) gezeichnet.

Er zeichnete auch Familienmitglieder wie seinen Großvater, seinen Bruder und seinen Vater. In einem Zyklus wandte er sich den Nationalsozialisten zu. Er zeichnete Joseph Goebbels, Ernst Röhm. Beschäftigt haben muss ihn auch das Thema Homosexualität. Sowohl Passolini, Francis Bacon und Röhm gelten als homosexuell. Er hat die Nazifiguren auch verfremdet oder zusätzliche Zeichen hinzugefügt.

Mandelbaum interessierten beschädigte Gesichter aus der Halbwelt und dem Milieu. Er zeigt das Äußere wie eine Karikatur. Daher wirken die Bilder oft hässlich oder bizarr, die Gesichter verzerrt, die Lippen oft fleischig, die Augen zuweilen riesig, die Nasen übertrieben knollig.

Was ihn interessierte? Wie es scheint, Pornos und Propaganda, Waffen und Unterwelt, Herkunft und Geschichte. Neben Portraits zeichnet er auch Kritzel in verschiedenen Sprachen. Geschriebenes, so wie man es spricht.

Das Interesse des Publikums hielt sich in Grenzen. Vielleicht auch, weil seine Bilder und Kritzeleien nicht einfach zu deuten sind. Mit mir haben sich drei Leute die Ausstellung angeschaut.

Kennt einer Deiner Leser Stéphane Mandelbaum und mag mir seine Eindrücke schildern?

Danke an das Bild der künstlerischen Augen-Blicke von Gerd Altmann auf Pixabay

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:16. Oktober 2022
  • Lesedauer:4 min Lesezeit