Rückblick auf den Vortrag „Das Wunder von Matera: Von den Höhlen zur Kulturhauptstadt“
Am 12. Juni 2025 fand im Rahmen der Dante Gesellschaft Darmstadt ein fesselnder Vortrag von Dr. Paola Bardon mit dem Titel „Das Wunder von Matera: Von den Höhlen zur Kulturhauptstadt“ statt. Die Veranstaltung bot den Teilnehmern einen tiefen Einblick in die beeindruckende Transformation der italienischen Stadt Matera, die in den 1940ern als „Schandfleck Italiens“ galt. Bardon begann mit der eindringlichen Schilderung der Lebensbedingungen in den Sassi, den charakteristischen Höhlenwohnungen, die über Jahrhunderte hinweg von Menschen bewohnt wurden. Sie beschrieb die trostlosen Verhältnisse, in denen Familien oft in einem einzigen dunklen Raum lebten, ohne fließendes Wasser und mit nur rudimentären sanitären Einrichtungen. Diese eindrücklichen Bilder, die Carlo Levi in seinem Werk „Christus kam nur bis Eboli“ prägte, verdeutlichten die Armut und das Elend, das die Stadt lange Zeit prägte.
Liebe Leser des Blog UniWehrsEL,
Carlo Levi lebte im Bergdorf Aliano als ‚Antifaschist Lev’i von 1935 bis 1936 in der politischen Verbannung. Er beschreibt die Lebensbedingungen von Matera, so: „Wir gelten nicht als Menschen, nicht als Christen, wir sind Tiere, denn Christus kam nur bis Eboli, aber nicht weiter, nicht zu uns.“
Ein Wendepunkt in der Geschichte Materas war die Evakuierung der Sassi in den 1950er Jahren, die Bardon als entscheidenden Schritt hin zu einer neuen Ära darstellte. Mit dem Dekret von 17. Mai 1952 wurden 20.000 Einwohner die alten „Sassi“ in die moderne Vorstadt umgesiedelt.
Die anschließende Wiederentdeckung der Stadt als Filmkulisse war besonders spannend. Als Pasolini 1964 sein Matthäusevangelium drehte, waren die Höhlen noch Ruinenlandschaften. Die Zuhörer waren fasziniert von den Geschichten über Pier Paolo Pasolinis „Das Matthäusevangelium“, das die rauen, authentischen Landschaften der Sassi in den Mittelpunkt stellte. Pasolinis Vision verlieh Matera eine neue kulturelle Dimension und machte sie zu einem bedeutenden Ort für die Filmkunst. Bardon zeigt den Zuhörern Bilder von den Dreharbeiten von Pasolinis Film. Pasolini wählte Matera, weil es eine zeitlose Bühne war, existenzialistisch und „ein Ort der Seele, ein Gemütszustand“. Der Film kam ohne große Worte alleine mit Gesten aus. Der Film löste bei der Biennale in Venedig ganz unterschiedliche Reaktionen beim Publikum aus. Die Menschen im Kinosaal feierten den Film mit Ovationen während vor der Tür Menschen gegen den Kommunisten Pasolini demonstrierten. Für sie verkörperte Pasolinis Jesus den Untergang des Abendlandes.
1984 spielte der Hollywoodschauspieler Richard Gere den berühmten König David, gedreht in Matera, einen weiteren Bibelfilm. Auf Pasolinis Spuren wandelte auch Mel Gibson mit seinem umstrittenen Bibelfilm Die Passion Christi 2004. Der Film ist umstritten, weil er die Geißelung Christi sehr blutig darstellt. Kritiker empfinden dies als pietätlos und als Gewaltverherrlichung. Die Zuschauer waren von dem Spektakel angezogen, aber zum Teil auch angewidert. Die Gewaltdarstellung unterdrücke die biblische Botschaft. Der Film sei mehr ein Horrorfilm als eine Bibelverfilmung.
Ganz anders präsentiert sich Matera als Filmkulisse für den James Bondfilme „Keine Zeit zu Sterben“ in 2021 mit aufregenden Verfolgungsjagden, die durch die engen Gassen und über die steilen Treppen der Stadt führten. Bond fährt mit seinem Aston Martin durch die engen Gassen und erlebt eine Verfolgungsjagd in der einzigartigen Landschaft. Weitere Drehorte waren Gravina in Puglia mit dem Aquädukt und Sapri mit dem Bahnhof. In 2025 werden für Touristen Touren auf den Spuren des James Bond Films angeboten.
Ein weiteres interessantes Filmhighlight war die Erwähnung der Krimi-Serie „Le Sorelle“ von 2017 ausgestrahlt in Italienisch auf Rai, die Matera zu neuem Ruhm verhalf und das Interesse an den historischen Sassi weiter steigerte. Die Zuschauer sind fasziniert von den vertrauten Straßen und Plätzen, die sie in der Serie wiedererkennen, und erleben so die Stadt auf eine ganz neue Art und Weise.
Bardon hob hervor, wie Matera 2019 zur Kulturhauptstadt Europas ernannt wurde und damit internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Die restaurierten Höhlen und die lebendige Kulturszene machen die Stadt heute zu einem einzigartigen Ziel, das sowohl Einheimische als auch Besucher aus aller Welt begeistert. Doch mit diesem Ruhm kommen auch Herausforderungen, die die Stadt und ihre Bewohner in Alarmbereitschaft versetzen: die Gefahr des Overtourism.
Die Sorge um Overtourism ist in Matera besonders ausgeprägt, da die Stadt, die für ihre einzigartigen Höhlenwohnungen und die beeindruckende Architektur bekannt ist, befürchtet, dass eine noch größere Anzahl von Touristen zu ähnlichen Problemen führen könnte wie in anderen überlaufenen italienischen Städten, wie zum Beispiel Venedig. In Venedig hat der massive Zustrom von Touristen nicht nur die Infrastruktur überlastet, sondern auch die Lebensqualität der Einheimischen stark beeinträchtigt. Die Stadt kämpft mit den Folgen von überfüllten Straßen, steigenden Lebenshaltungskosten und dem Verlust ihrer kulturellen Identität. Diese Folgen befürchten auch die Bewohner von Matera sollte die Stadt an Popularität weiter zulegen.
Matera steht vor der riesigen Aufgabe, ein Gleichgewicht zwischen der Förderung des Tourismus und dem Schutz ihrer einzigartigen Kultur und Umwelt zu finden. Die Stadt ist tief gespalten: Während einige Bewohner die wirtschaftlichen Vorteile des Tourismus begrüßen, befürchten andere, dass die zunehmende Popularität zu einer Überlastung der Infrastruktur und zu einem Verlust der Schönheit Matera führen könnte. In Deutschland ist Matera noch nicht so bekannt wie Venedig oder Rom. Matera den Deutschen bekannter zu machen ist ein Teil des Bildungsauftrags der Dante Gesellschaft Darmstadt. Dies ist mit dem Vortrag von Bardon gut gelungen.
Herzlichen Dank für diesen Artikel, liebe Leserin des UniWehrsEL und auch an Pixabay für die Eindrücke von Matera!
Wir verwenden Cookies, um unsere Website und unseren Service zu optimieren.
Funktional
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.