Du betrachtest gerade „Chic!“ über Mode als Spiegel der Gesellschaft und dem Wunsch nach einem Wow-Effekt

Mode im Wandel ist mehr als ein Gegenwartsthema. Zeigt sie doch wie schnelllebig Trends und Strömungen sein können. Früher dominierte das Exotische fremder Kulturen und die royalen Einflüsse. Es interessierte die Kleidung am Königshof. Besonders spannend zeigte sich das in der Modegeschichte des 17. Jahrhunderts, in einer Zeit, in der Damen- und Herrenmoden auseinanderdrifteten und wichtige Impulse für weitere Entwicklungen setzten. Im September 2024 besuchte unser Kulturbotschafter des UniWehrsEL wieder einmal das Landesmuseum Darmstadt (wir berichteten bereits über seinen Besuch der Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“). Im Museumsshop entdeckte er ein Buch über eine Ausstellung, die er 2016 besucht hatte: „Chic! Mode im 17. Jahrhundert. Diese Ausstellung ist für ihn ein perfektes Beispiel für den „Wow-Effekt“, denn wie heißt es so schön: Kleider machen Leute!

Liebes UniWehrsEL, 

Die Ausstellung „Chic“ wurde 2016 mit „Juwelen der Kostümgeschichte in einer spektakulären Ausstellung!“ angekündigt, und weiter hieß es „ … die insgesamt 18 Kostümoberteile, einst getragen von wohlhabenden Damen und Herren der Kölner Gesellschaft und entstanden zwischen 1610 und 1675, gehören zu den absoluten kostümgeschichtlichen Raritäten. Nach über 70 Jahren und einer umfassenden Restaurierung durch die Abegg-Stiftung in Riggisberg (Schweiz) werden die überaus seltenen, zum Teil singulären Exemplare erstmals wieder in einer umfangreichen Sonderausstellung zu sehen sein“.

Gezeigt wurde die Sammlung des Baron Hüpsch, die erhaltene Oberbekleidung sowie zahlreiche Gemälde und Grafiken umfasst. Besonders im Fokus standen 18 Kleidungsstücke, die nicht von irgendwem, sondern von wohlhabenden Bürgern aus Köln getragen wurden.

Menschen tragen feine Kleider, um ihren sozialen Status und ihren Wohlstand zu zeigen. Im 17. Jahrhundert waren prächtige Gewänder ein Zeichen von Prestige und Einfluss. Der Wow-Effekt entsteht, wenn Kleidung nicht nur die Persönlichkeit unterstreicht, sondern auch Bewunderung oder Anerkennung, im besten Fall sogar beides, beim Gegenüber hervorruft.

Wenn der Betrachter das Buch durchblättert, wird er überrascht feststellen, dass die Männer auf den historischen Gemälden Röcke tragen. Diese galten damals als Statussymbol. Dass Männer im 17. Jahrhundert mit Röcken herumliefen, löst beim Betrachter den Wow-Effekt aus. Denn damit hat der Betrachter sicherlich nicht gerechnet. Dieses kleine Beispiel zeigt, wie sich die Sichtweise auf Männlichkeit verändert und dem Zeitgeist unterliegt.

Heute hingegen tragen Männer meist Jeans oder Anzüge, was den Wandel in der Mode verdeutlicht. Auf den Herrengemälden dominiert die Farbe Schwarz. Heute tragen Männer oft in Berufen wie Banker mit häufigem Kundenkontakt klassische schwarze Anzüge, und der einstige weiße Kragen ist einem weißen Hemd gewichen. Jedoch hat sich der Schnitt des Anzugs verändert, weg vom Rock zur gutsitzenden Hose. Ob Mode nicht doch irgendwie ähnlich geblieben ist, ob klassische Elemente wie sie die Oberschicht im 17. Jahrhundert trug, auch im Tragen des klassischen Anzug weiterhin bestehen, wäre eine noch zu klärende Frage für mich.

Aus heutiger Sicht ist das Tragen von Röcken für Männer ein Ausdruck von Individualität und Modebewusstsein. Während Röcke im 17. Jahrhundert ein Statussymbol für die reiche Oberschicht als Uniform waren, sind sie heute ein Zeichen für Vielfalt und persönlichen Stil. Immer mehr Designer integrieren Röcke in ihre Männerkollektionen, was den Wandel und die Aufgeschlossenheit in der Modewelt unterstreicht.

Heutzutage tragen Stilikonen wie der amerikanische Schlagzeuger Travis Baker der Band Blink-182 und der britische Sänger Harry Styles, der bekannt ist für seinen unkonventionellen Kleidungsstil, zuweilen Röcke, um ihren individuellen Modegeschmack dem Publikum zu zeigen. Allerdings zeigen die Beispiele von Modeikone Harry Styles und Travis Baker, dass fast ausschließlich nur Männer mit einem besonderen Status, wie Künstler auf der Bühne, heute Röcke öffentlich tragen. Der Durchschnittsmann auf der Straße trägt Hose. Individualität, die innovativ und inspirierend ist, scheinen die Stars mit den reichen Schönen des 17. Jahrhunderts gemeinsam zu haben.

Der Wow-Effekt entsteht, wenn Männer durch das Tragen von Röcken traditionelle Geschlechterrollen hinterfragen und damit Aufmerksamkeit in der Presse und Bewunderung von den Fans erregen. Wer hätte gedacht, dass Rockstars einmal Röcke tragen würden? Vielleicht ist der nächste Trend das Revival der Perücke! Im 17. Jahrhundert trugen Männer Perücken, um ihren sozialen Status zu unterstreichen. Diese Mode war ein Symbol für Eleganz und Rang und wurde besonders von der Oberschicht gepflegt.

Auch heute tragen Menschen feine Kleider, um sich abzuheben, sei es bei Gala-Events, Hochzeiten oder im Berufsleben. Ein weiteres Beispiel für besondere Anzüge ist der amerikanische Schauspieler George Clooney, der bei der Hochzeit von Meghan Markle und Prinz Harry einen stilvollen grauen Anzug trug, der mit einem hellblauen Hemd und einer gelben Krawatte kombiniert war. Solche modischen Entscheidungen zeigen, wie heutige Prominente durch ihre Kleiderwahl Eleganz und Stil aus Sicht des Beobachters verkörpern. Prominente aus der Oberschicht wie George Clooney spielen eine zentrale Rolle in der Modewelt. Sie setzt oft Trends und beeinflusst, was als stilvoll gilt. Historisch gesehen, war die Mode der Oberschicht ein Ausdruck von Macht und Einfluss. Heute zeigt sich dies in exklusiven Designer-Kollektionen und Luxusmarken, die oft von Prominenten getragen werden.

Die Serie „Succession ist bekannt für ihren subtilen, aber luxuriösen Modestil, der als „Quiet Luxery bezeichnet wird. Die Serie „Succession“ dreht sich um den mächtigen Familien- bzw. Unternehmensclan „Roy“, die ein globales Medien- und Unterhaltungsunternehmen beherrscht. Im Mittelpunkt steht der Machtkampf innerhalb der Familie, insbesondere um die Nachfolge des alternden Patriarchen Logan Roy. Der Begriff „Quiet Luxery“ beschreibt einen Modestil, der durch unauffällige Eleganz und hochwertige Materialien geprägt ist. Im Gegensatz zu auffälligen Logos und Designs setzt dieser Stil auf subtile Details und zeitlose Schnitte, die den Reichtum und die Klasse des Trägers unterstreichen.

Sollte dem Betrachter der Kleidungsstil nicht egal sein? Diese Frage wirft einen interessanten Aspekt auf. Mode ist mehr als nur Kleidung; sie ist ein Ausdruck von Identität, Kultur und sozialem Status. Auch wenn die Gesellschaft Fortschritte gemacht hat, um Oberflächlichkeiten zu überwinden, bleibt Mode ein Kommunikationsmittel zwischen dem Träger der Mode und seinem Betrachter.

Der Volksmund sagt „Kleider machen Leute. Man kennt diesen Ausspruch aus der gleichnamigen Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller aus dem Jahr 1874. Der Schneidergeselle Wenzel Strapinski wird in dieser Geschichte wegen seiner vornehmen Kleidung irrtümlich für einen polnischen Grafen gehalten. Klar, dass die Täuschung irgendwann ans Licht kommen muss

Die Moral daraus: manchmal sollte sich der Beobachter fragen, ob der äußere Schein nicht einfach trügt. Schließlich kann ein teurer Anzug auch nicht über einen leeren Kopf hinwegtäuschen. Vielleicht sollte sich die Gesellschaft mehr darauf konzentrieren, was in einem Menschen steckt, statt was der Mensch nach außen hin präsentieren möchte. Besser „mehr sein als scheinen“, als umgekehrt „mehr scheinen als sein“ auch wieder eine Volksmoral, die auch sofort an „Des Kaisers neue Kleider“ erinnert. Hans Christian Andersen hat damit eine wunderbare Allegorie auf „Eitelkeit der Herrschenden“ und „Mitläufertum der Dienenden“ geschaffen. Oft wird lieber eine bequeme Lüge akzeptiert, als die unbequeme Wahrheit auszusprechen, um mit den anschließenden Folgen leben zu müssen. Aber das ist eine andere Geschichte …  

Der Besuch im Landesmuseum Darmstadt und die Ausstellung „Chic! – Mode im 17. Jahrhundert“ verdeutlichen für mich jedenfalls, wie sehr Kleidung seit Jahrhunderten als Ausdruck von Status und Persönlichkeit dient. Historisch trugen Männer Perücken und prächtige Gewänder, um ihren Rang zu zeigen. Heute investieren reiche Personen wie die fiktive Unternehmerfamilie Roy in ihr Erscheinungsbild im Stil von Quiet Luxery, um in der Öffentlichkeit einen bleibenden Eindruck beim Zuschauer zu hinterlassen. Die Mode bleibt ein Spiegel der Gesellschaft und ihrer Werte.

Über einen Kommentar über kontakt freut sich Ihr Kulturbotschafter des UniWehrsEL

Danke für das Bild des modischen Paares von creatematic auf Pixabay