You are currently viewing Da capo: Was macht für mich die gute Beziehung aus?

Das Thema der bitteren Tränen, die Petra von Kant um ihre verlorene Beziehung weinte, lässt unsere UniWehrsEL-Leser noch nicht los. Es geht um die Frage, was denn eine gute Beziehung ausmacht und was wohl die Beweggründe der Protagonistinnen in Fassbinders Drama sein könnten, sich letztlich von der Beziehung zu verabschieden. Dazu ein Kommentar von Heiner Schwens mit herzlichem Dank! Herr Schwens hat uns hier schon öfters mit seinen Kommentaren wie zudem Beitrag “Allzumenschliches” oder “Schöne neue (Technik-)Welt” angeregt.

„Die bitteren Tränen der Petra von Kant“

R.W.Fassbinder

Was macht eine gute Beziehung aus? Ein Kommentar von Heiner Schwens:

Kommunikation

Vertrauen

Respekt

Unterstützung

Kompromissbereitschaft

Intimität

Spaß und Freude

Individualität

Gemeinsame Werte

Verantwortung

Glücksempfinden

Miteinander lachen

Bestimmtes Interaktionsmuster (z.B. gute Streitkultur)

Gemeinsame Ziele unter Berücksichtigung eigener Bedürfnisse

Bewahrung von Unabhängigkeit und Individualität

Freundschaftliche Werte (z. B. Wohlwollen, Verbundenheit…)

  • Friedrich Nietzsche: „Ehen scheitern nicht an Mangel von Liebe, sondern an Mangel von Freundschaft“.

Untersuchungen von „greator“ kommen zu folgenden Ergebnissen, die für eine gute Beziehung wichtig sind:

  • Vertrauen (98% der Befragten, d.B.)
  • Gegenseitiges Verständnis (94% d.B.)
  • Miteinander lachen können (94% d.B.)
  • Gegenseitiger Respekt (93% d.B.)
  • Treue (89% d.B.)
  • Gegenseitige Unterstützung (89% d.B.)
  • Freiräume haben (88% d.B.)
  • Sexuelle Anziehung (84% d.B.)

Natürlich kann ich jetzt auch noch die unterschiedlichen Gewichtungen bewerten, aber das würde m. E. jetzt zu weit führen.

Für mich ist eine Beziehung dann eine gute Beziehung, wenn sich Menschen darin wohlfühlen unter den Kriterien, die ich aufgeführt habe, soweit sie eine entsprechend wichtige Rolle spielen.

Generell stelle ich fest, dass es sehr viele unterschiedliche Parameter gibt, die für eine gute Beziehung stehen (z. B. auch `Beziehungstheologische Gesichtspunkte`).

Es ergeben sich für mich noch zusätzliche Fragen, u. a.:

  • Welche objektiven Parameter gibt es, die den „Wert“ einer guten Beziehung ausmachen?
  • Was ist wichtig in einer Beziehung aus Frauensicht, was aus Männersicht?
  • Zum Vergleich benötige ich eine feste Größe, wie kann ich diese im Hinblick auf eine gute Beziehung definieren?
  • Ist eine Beziehung auch dann gut, wenn sie toxisch ist? Ein Widerspruch in sich, aber wenn alle Teilnehmer/innen zufrieden sind?
  • Welchen moralischen Anspruch erhebt eine gute Beziehung, welchen ethischen Anspruch?
  • Inwieweit spreche ich von Beziehung, wenn das gemeinsame Ergebnis sein muss, so viele Feinde wie möglich zu töten? Im Krieg spielen Vertrauen, Kommunikation, „gemeinsame Werte“, die auch außerhalb der Machtkämpfe eine Rolle spielen, im Zweifel eine Überlebensrolle.

Aufgrund der unterschiedliche Bewertungskriterien (Was macht eine gute Beziehung aus?) möchte ich die gestellten Fragen entsprechend beantworten.

Ich nehme 8 Bewertungskriterien und versuche, die Protagonistinnen entsprechend in eine Beziehung zu setzen. Es ist mir bewusst, dass das alleinige Berücksichtigen von nur wenigen Parametern subjektiv ist.

Es stellt sich für mich heraus:

Ist Karin wirklich grausam zu Petra?

Karin ist auf der Suche nach sich selbst. Im Zusammenleben mit Petra verfolgt sie weiterhin ihren eigenen Weg, am Anfang auch als Muße. Sie hat ihre eigenen Ziele (Unabhängigkeit und Reichtum), die sie auch verfolgt. Ihre eheliche Vergangenheit führt bei Petra zur Eifersucht, ebenso „auf einen eingebildeten Fremden, der Karin auf einer imaginären Party sexuell befriedigt“. In ihrer Beziehung zu Petra gibt es keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsamen Interessen, nur Sexualität am Anfang.

Grausamkeit setzt für mich Vorsatz voraus – dies kann ich bei Karin nicht erkennen. Sie lebt einfach ihr Leben, ob sie dabei Menschen ausnutzt oder die es als grausam empfinden, die moralischen, ethischen Grundsätze zwischenmenschlicher Beziehungen hat sie nie kennengelernt. Wenn es Probleme gibt, verschwindet sie einfach.

Während Petra bewusst Karin ausnutzt, indem sie das ganze Kaleidoskop guter menschlicher Beziehungsgrundsätze außer Acht lässt, empfindet Karin dies aber offensichtlich nicht als grausam. Umgekehrt führt dieses Verhalten aber bei Petra dazu, dass sie völlig `ausrastet` und ihre Mitmenschen schikaniert – ob Petra das als grausam empfindet, glaube ich nicht, da ihr das Verständnis für zwischenmenschliche Empfindungen fehlt und sie dieses Gefühl als Egomanin auch nicht zulassen könnte.

Will sie nicht als devote Sklavin von Petra so enden wie die Assistentin?

Hier muss man auf die Rolle von Marlene einzugehen, ohne die eine Beantwortung der Frage nicht möglich ist.

Vorab nur soviel: Mit ihrem Schweigen (scheinbarer Unterwerfung) verkörpert Marlene die Kraft von Autonomie; sie bringt Petra zu Bett und erhebt sich dadurch zu einer „Muttergröße“.

Karin überlässt Petra keine Entscheidung, sie ist nicht unterwürfig und folgsam, sie lässt sich nicht dominieren; folglich kann sie auch keine devote Sklavin sein.

Ich bin gespannt, was die UniWehrsEL-Leser dazu meinen. Schreiben Sie uns doch auch einfach einen Kommentar zu diesem oder einem Ihnen wichtigen Thema!

Und wieder einmal Dank an Gerd Altmann auf Pixabay für das wunderbare Beziehungsbild, das an einen Filmausschnitt erinnert und somit bestens zu Rainer Werner Fassbinder passt.

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:8. August 2023
  • Lesedauer:8 min Lesezeit