Dass in Opern den Figuren unterschiedlichste Elixiere angeboten werden, die sogar zum Nachdenken über Freiheit anregen können, darüber schrieben wir bereits. Tristan und Isolde naschen am Liebestrank. Hänsel und Gretel an Lebkuchen, die Lady Macbeth von Mzensk vergiftet ihren Schwiegervater. Bei der Sache Makropulos ist es ein lebensverlängerndes Elixier, welches tatsächlich wirkt; im Gegensatz zum Liebestrank von Donizetti, der nur eine Täuschung ist und in Wirklichkeit eine Flasche Rotwein enthält.
Um Gefühle zu manipulieren, Erinnerungen auszulöschen oder Leben zu verlängern, dazu werden – übrigens nicht nur in der Oper – magische Mixturen gebraut. Der Kulturbotschafter des UniWehrsEL ist dem Geheimnis der Liebe in Gaetano Donizettis „L’elisir d’amore“ auf der Spur. Geht es doch in dieser humorvollen opera buffa nicht vorwiegend um das Zaubergebräu selbst, sondern vor allem um den Glauben an seine betörende Wirkung. Der Glauben kann ja bekanntlich auch ‚emotionale Berge‘ versetzen. Im Staatstheater Darmstadt jedenfalls zeigt „Der Liebestrank“ von Donizetti mit dem Libretto von Felice Romani, nach Eugène Skribe, nicht nur abwechslungsreiche Kostüme und Ideen, sondern wird in der Inszenierung von Geertje Boden zu einer hinreißenden Spaßgeschichte.
Genießen Sie bitte die folgenden Ausführungen, achten aber dabei auch auf Risiken und Nebenwirkungen, die so ein Elixierausch Ihnen bieten könnte. Prost!
Liebes UniWehrsEL,
diese Adina aus dem Liebestrank ist irgendwie modern, wenn sie mit ihren Gefühlen nicht klarkommt macht sie Atemübungen und Yoga. Nemorino, unser wahnsinnig verliebter Titelheld, hat einen, nicht nur sprichwörtlichen, Vogel. Diese Handpuppe begleitet ihn durchgehend. Sie sitzt auf seiner Schulter. Ist es ein Vogel oder doch eher ein Pfau? Daher hatte ich zeitweise den Eindruck, dieser Nemorino ist nicht nur Teil des Liebestranks, sondern zudem eine Reinkarnation des Vogelhändlers aus der Zauberflöte. Ganz ähnliche Gedanken kamen dem Zuschauer bei Belcore, dem eitlen Soldaten. Er trug die Kleidung eines Toreros und benahm ich wie der Stierkämpfer Escamillo aus Carmen, der ist ja bekanntlich der gefragteste Torero der Region. Einer, der sehr sehr auf seine elegante Erscheinung und gepflegte Umgangsformen achtet und zudem mutig und ein Frauenschwärmer ist.
Der fiese Händler Doktor Dulcamara, der Nemorino zum Narren hält und ihm statt des ‚Liebestranks der Isolde‘ (frei nach Wagner) eine Flasche Wein verkauft, sah wenig vertrauenswürdig aus, er erinnerte an den verrückten Hutmacher aus Alice im Wunderland. Xerxes oder meistens einfach nur Break genannt, ist ja bekanntlich ziemlich verrückt und seine Handlungen sind anfangs oft schwer nachvollziehbar. Ganz ehrlich, dem verrückten Hutmacher würdest du doch keinen Zaubertrank abkaufen, sondern eher Reißaus nehmen?
Der Theaterabend begann mit einer Überraschung. Der Intendant trat vor die Menge, meistens kein gutes Zeichen, und erklärte dem Publikum, dass der Hauptdarsteller ‚Nemorino‘ erkrankt sei. Statt David Lee haben sie den echten Italiener Matteo Roma eingeflogen, nicht wie der Name vermuten lässt aus Roma, sondern aus Venecia. Matteo Roma ist nicht irgendein Tenor, sondern trägt den wohlklingenden Titel „Tenore di grazia“ (begnadeter, auch anmutiger Tenor) für seine wunderschöne lyrische Stimme.
Nach der Pause nahm die Inszenierung von Geertje Boeden erst richtig Fahrt auf. Besonders schön ist die Szene, wo alle Dorfmädchen plötzlich für Nemorino schwärmen, weil er, ohne es zu wissen, eine reiche Erbschaft gemacht hat und nun der reichste Mann der Gegend geworden ist. Adina trägt im ersten Akt noch einen gestreiften Anzug. Im zweiten Akt erinnert sie an Disney‘s Ursula; mit tintenfischähnlichem Aussehen, eine Cecaelia (halb Mensch, halb Krake) und ist vor allem ziemlich böse. Als Adina beobachtet wie sich die anderen Dorfmädchen an Nemorino heranmachen, wird sie kurz böse wie Ursula und zerschlägt ein Weinfass.
Während Ursula ihre böse Seite zeigt, entdeckt Adina ihr Herz für Nemorino. Dieser hatte sich als Soldat (oder im Sinne der Inszenierung als Torero) verpflichtet, um mehr Zaubertrank kaufen zu können. Doch statt ‚den Stier bei den Hörnern zu packen‘ bleibt er am Ende bei Adina und ihrer Yoga- Klasse. Logischer Weise erhält dann Adina auch ihren eigenen Puppenvogel. Nun kann sie im Duett wie ein Papageno mit Papagena (wiedermal wie bei der „Zauberflöte“) singen. Vorher muss sie noch den Versprechungen des „verrückten Hutmachers“ (wie bei der guten Alice im Wunderland) bzw. hier des Dulcamaras (geldgieriger Händler) widerstehen. Dieser versucht sie mit einer Handpuppenschlange zu verwirren. Das ist schräg, aber auch witzig.
Das Publikum war restlos begeistert, und es gab minutenlag ‚Standing Ovation‘ für die Inszenierung, die Sänger und das Orchester.
Übrigens wird im ersten Akt auch noch im Hintergrund geangelt. Nicht geflirtet, sondern es sitzen Männer auf einer Plattform und angeln, ganz nach dem Motto: „Was kümmert mich der Liebestrank“.
Haben Sie Lust auf den Darmstädter Liebestrank bekommen? Dann schreiben Sie gerne einen Kommentar dazu!
Danke für die geheimnisvollen Elexiere von Stefan Schweihofer auf Pixabay!