Im Umgang mit Krisen findet man in der Literatur viele Hinweise und überraschende Perspektiven. Schon im Beitrag “Die Macht der inneren Bilder” verwiesen wir auf die Hypnotherapie und ihren Nutzen zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Wo liegen deren Anfänge begründet?
In sehr frühen Jahren liebäugelte Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, mit Hypnose, was heute weniger bekannt ist. Woher rührte seine Faszination für dieses Verfahren?
1882 begann Freud als Doktor der Medizin und Assistenzarzt am gehirnanatomischen Institut des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Bald entdeckt er, dass es wenig Fachliteratur zu „Nervenerkrankungen“ gab. So fuhr er 1885 nach Paris, bot dem bekannten Jean-Martin Charcots von der psychiatrischen Anstalt der Salpetrière seine Übersetzungsdienste an und erlebte neueste Forschungen zur Hysterie aus erster Hand. Die Wissenschaftler sahen als Ursache der Hysterie eine Störung im Nervensystem, deren hysterische Symptome durch Hypnose sichtbar gemacht werden sollten. Freud beobachtete bei den Vorlesungen wie durch hypnotische Suggestionen hysterische Symptome wie Lähmungen künstlich erzeugt werden konnten. Charcot selbst war an der Therapie dieser Störungen nicht interessiert.
Wieder zuhause erscheint Freud nach eigenen Angaben die Hypnose als Heiltherapie durchaus verführerisch, stellt aber fest, dass ihm die Hypnose nicht bei allen Patienten gelingt. Freuds Erfolge, die Hypnotisierbaren in tiefe Trance zu versetzen, waren ebenfalls mäßig. Trotz der Überzeugung, Hypnose erleichtere den Zugang zu ursächlichen Erinnerungen, stellte er fest, dass es durch entsprechende Gespräche mit den Patientinnen möglich ist, auch im Wachzustand Erinnerungen zugänglich werden zu lassen.
Die Hypnose versank nach Abwendung Freuds und dem Ableben der französischen Hypnose-Meister in einen jahrzehntelangen Winterschlaf. Der US-amerikanische Psychiater und Psychotherapeut Milton Hyland Erickson (1901-1980) sorgte für ihr Comeback, indem er sie komplett neu aufsetzte. Zu Hilfe kamen ihm dabei seine eigene Leiderfahrung und ein tief verwurzelter Glaube an die Heilung von innen.
Milton H. Erickson beeinflusste nicht nur durch die berühmte US-amerikanische Ethnologin Margaret Mead (1901-1978) und den österreichischen Psychotherapeuten Paul Watzlawick (1921-2007), sondern wurde zum grundlegenden Vorreiter für Familientherapie, systemisches Arbeiten, aktives Zuhören, NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) und Psychosomatik. In der neuen positiven Begegnung mit dem Unterbewusstsein und einer Sichtweise, in jedem Menschen stecken produktive und liebevolle Problemlösungen, die im Zustand der Trance zutage treten, eröffnete er Möglichkeiten, Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Hypnose weckt in diesem Sinne eine Ressource, die Platz für innere Bilder, für Erinnerungen und Sehnsuchtsorte entstehen lässt.
Diese Selbstheilungskräfte Ericksons beruhen auch auf eigenen Erfahrungen. Die Fähigkeit, Dinge zu visualisieren, nutzte er bei seiner schweren Polioerkrankung, um sich ins Leben zurück zu kämpfen, nachdem er mit 17 Jahren für ein Jahr lang gelähmt und verstummt ans Bett gefesselt war.
Seine unkonventionellen und flexiblen Methoden in seinem Berufsleben als Psychotherapeut fasst er in dem Leitsatz zusammen: „Die Ressourcen, die du brauchst, findest du in deiner eigenen Geschichte.“
Näheres zu seiner Psychotherapie kann man in dem Buch Die Psychotherapie Milton H. Ericksons von Jo Haley nachlesen. Es finden sich humorvoll geschriebene Fallbeispiele aus der Praxis Milton H. Ericksons, “angeordnet nach den typischen Problemen eines Lebenszyklus: von den Schwierigkeiten junger Erwachsener über Eheprobleme bis hin zu der Aufgabe, »die Eltern von den Kindern zu entwöhnen«.”