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Nach einer langen Krisenzeit ist endlich wieder Zeit für Kultur. Bei den Frankfurtern besonders beliebt ist das „Grüne Soße Festival“, ein kulinarisches Event! Gefeiert wird dabei natürlich standesgemäß das Frankfurter Kultgericht. Ohne die „Gree Soß‘“ läuft nix und damit heißt das diesjährige Motto auch „Ohne Soß nix los“. Besonders beliebt ist das „Slam Royal – Poetry Slam“ am Roßmarkt in Frankfurt, bei dem in diesem Jahr die Stars der Poetry Slam Szene im Autorenwettbewerb gegeneinander antreten.

Aber was verbirgt sich eigentlich hinter Poetry Slam und welche Regeln muss man beachten? Das habe ich Edith Mandler gefragt, die in einem der ersten Themenabende des Interkulturellen Salon erfolgreich Geschichten erzählte und inzwischen Slam Poetry für sich entdeckt hat.

Sie hat das für uns alle fürs UniWehrsEL zusammengefasst.

Von Slam Poetry zum Poetry Slam…

Von Edith Mandler

…womit wir auch schon mitten in der Begriffsdefinition sind. Während man unter Slam Poetry (-Literatur) die entstandenen Texte versteht, bezeichnet Poetry Slam die Veranstaltung, auf der die Slam Poetry-Texte präsentiert werden. Im Grunde gibt es keine spezifischen Merkmale der Slam-Texte, die eine Einordnung in vorhandene Literaturstile erlauben. (Idee, Text, Show). Es finden sich darunter sowohl lyrische als auch Prosatexte, kennzeichnend ist aber für alle, dass sie live vorgetragen werden (sollen). Zu den Regeln einer Poetry Slam Veranstaltung später mehr. Viele Texte besonders die lyrischen weisen ein Spiel mit der Sprache und Wörtern, sowie Sprachwitz zusammen mit einem speziellen Rhythmus, auf, der vor allem im Vortrag erlebbar wird.

Dennoch lassen sich, wenn auch hier eigentlich der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind, typische Stilmittel und Inhalte identifizieren:

Stilistische Mittel 1) (Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

 Alliteration, Wörter fangen mit dem gleichen Buchstaben an: Kinder, Küche, Kirche, Kunst und dazu die Variation, dass zwei Buchstaben am Anfang sich wiederholen: Kater, Kaffee, Kakophonie
 Wiederholung: der Griff vom Greifen abgegriffen 2)
 Vokalreihen: Tappen kappen zuschnappen
 Binnenreim: Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 3)
 Vokalwechsel: Made oder Mode
 Konsonantenreihen: tappen und schnappen und verknappen
 Doppeldeutigkeiten: toller Ball
 Kreuzstrukturen: Bäume suchen, Säume buchen
 Mehrfachreime: lieb dich sehr, lange her, ist so schwer
 Schüttelreime: Du sollst ein krankes Nierenbecken nicht mit zu kalten Bieren necken. (Bsp. aus:Wikipedia)
 Unreine Reime: Du bist mir ähnlich und nämlich

Inhalte:

Die Ideen zu den Texten sind vorwiegend dem Alltag entnommen und enthalten oft eine unerwartete Wendung. (s. Beispieltext). In vielen Texten wird in ungewöhnlicher Weise die eigene Person dargestellt mit ihren typischen Eigenschaften und der Einbindung in die soziale Wirklichkeit. Ausgangspunkt von Texten können auch Orte oder wie im Buch von Lars Ruppels Sprichwörter sein. Daneben geht es im allgemeinen oft um Gefühle vor allem Liebe oder Spaß und Phantasie. Hier sind auch die Grenzen zur Comedy und zum Rapp fließend und auch bezogen auf den Inhalt gibt es keine Begrenzungen.

Nun zu der eigentlichen Veranstaltung:

Die meisten Slams werden in Form eines Wettbewerbs mit bestimmten Regeln durchgeführt. Mir sind folgende bekannt, ohne dass diese vollständig sein müssen:

Vortrag Regeln

 Zeitbegrenzung: Die Texte dürfen im Vortrag in der Regel nicht länger als 5 Minuten sein
 Die Texte müssen vom Vortragenden selbst geschrieben sein
 Oralität: Sie sollten auswendig vorgetragen werden – nach meinen bescheidenen Erfahrungen ist das aber nur bei 50% der Vorträge der Fall
 Keine Verkleidung oder sonstige Hilfsmittel oder Showelemente
 Die Texte und Vorträge werden bewertet
 Das Publikum (einzeln, einige oder alle) ist die Jury
 Gewonnen hat derjenige, der die meisten Punkte oder den stärksten Applaus bekommt

1) Liste teilweise übernommen von einer Webseite, die nicht mehr existiert
2) aus Lars Ruppel, Alter Schwede
3) aus: Rainer Maria Rilke, Der Panther

Mein eigener Text hier als Beispiel:

Verlust – ein Versuch in Slam Poetry

Du, – Du bist mir abhandengekommen
man hat Dich mir weggenommen
Du warst nicht so verkommen
wie andere unserer Gattung
mir bleibt nur die Erinnerung
an die glücklichen Zeiten
als wir schritten Seit
an Seit zusammen wollten wir bleiben
uns immer die Zeit vertreiben
und jetzt – nur noch Schweigen
Du bist fort und ich –
kenne nicht den Ort, wo Du abgeblieben
Wir schworen doch, – uns immer zu lieben

Ich vermiss Dich – ich vermiss Dich so sehr
Ich hab Dich verloren – schon lange her
Ich kenne Dich – fast nicht mehr

Ich ging hier und Du – gingst drüben
Wir waren gewohnt in Geduld uns zu üben
Du warst mir so ähnlich –
und nämlich wir haben gemeinsam so viel erlebt
durch Turbulenzen sind wir geschwebt
von Schaum und Wellen benommen
immer im Kreis geschwommen
und – wurden wir getrennt
so fanden wir uns wieder
wir teilten uns den Raum mit dem Hemd
es war ein auf und nieder

Ich vermiss Dich – ich vermiss Dich so sehr
Ich hab Dich verloren – schon lange her
Mein Bild von Dir – verblasst immer mehr

Einsam bin ich
ohne Dich
und frage mich
wann find ich Dich
oder – wann findest Du mich?
Oder – wann kommst Du zurück zu mir,
denn – es kann doch nicht sein,
dass ich immer allein
soll bleiben
mein Kummer lässt sich nicht beschreiben
Lang ist es her, dass ich Dich geseh‘n
Ich wünschte, ich könnte die Zeit rückwärts dreh’n

Ich vermiss Dich – ich vermiss Dich so sehr
Ich hab Dich verloren – schon lange her
Meine Liebe zu Dir – reicht so weit wie das Meer

Oft hielten wir uns eng umschlungen
Das Abschiedslied hat uns keiner gesungen
Unser Zusammensein war ungezwungen
Wir ließen uns beide an der langen Leine
und – gelegentlich lagen wir Bein auf Beine
wir, – wir hingen nebeneinander ab
wir hätten so leben können bis zum Grab
und – hätte das Schicksal nicht zugeschlagen
ich weiß nicht, – wer schuld ist und – vielleicht sollt ich das nicht fragen
und ich – sollte aufhören zu klagen,
aber – wir haben uns immer vertragen

Ich vermiss Dich – ich vermiss Dich so sehr
Ich hab Dich verloren – schon lange her
Mein Herz ist ohne Dich – ganz leer

Ohne Dich bin ich nichts bin ich nur halb, so ein halbes Dings und nicht zu gebrauchen
man sagt uns nach, dass wir manchmal rauchen
und nun? – Ist mein Leben ein einziges Warten
früher war ich mit Dir oft im Garten
jetzt liege ich hier nur noch rum ich warte Stunde um Stunde
und – zähle Minute und Sekunde
bis wir wieder vereint Traurigkeit ist mein steter Begleiter
wir sind halt nur – von minderer Bedeutung leider

Ich vermiss Dich – ich vermiss Dich so sehr
Ich hab Dich verloren – schon lange her
Ich kenne Dich fast nicht mehr

Meine Zukunft ist düster ohne Dich
wie lang werd‘ alleine geduldet ich?
Und wenn ich’s jetzt verzocke
lande ich vielleicht im Müll –
ich übriggebliebene, – einzelne – Socke!

Herzlichen Dank, liebe Edith Mandler!

Wollen Sie es jetzt auch einmal versuchen?

  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:6. Juli 2022
  • Lesedauer:8 min Lesezeit