Im Jahre 1907, im Alter von fünfundzwanzig sagte die junge Schriftstellerin zu sich selbst: „Ich werde entweder unglücklich oder glücklich sein, mich wortreich und sentimental verbreiten oder aber ein solches Englisch schreiben, dass die Seiten einmal Funken sprühen».
Und genau dies geschah dann, sie wurde zu einer der größten Schriftstellerinnen aller Zeiten; ihr Name: Virginia Woolf.
Gerade im Kontext ihrer Biographie stößt man auf den Themenbereich der ‚schädlichen Stille‘ oder auch der verheerenden Folgen des sexuellen Missbrauchs an Kindern. Versteckt, verschleiert und wie im Fall von Virginia als „geerbte psychische Krankheit“ deklariert. Wer kann schon beweisen, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen inzestuösem sexuellem Missbrauch durch ihren Bruder in ihrer Kindheit und den schweren Depressionen gibt, die letztlich zu ihrem Selbstmord führten?
Ihre Romane waren revolutionär und weit ihrer Zeit voran wie „Orlando“, in dem ein Mann in der Haut einer Frau steckt, oder auch „Ein Zimmer für sich allein zu haben“, indem sie etwas schier Unmögliches in damaliger Zeit beansprucht.
Wer war Virginia Woolf: 1882 in London in einer ‚Patchworkfamilie‘ geboren, wirkte der erfolgreich als Verleger arbeitende Vater einschüchternd auf sie. Für die Mutter, die früh verstarb, war sie wenig präsent, was sich noch verstärkte, weil der Vater ein Sprechen über sie sich verbat. Emotionen waren unerwünscht. 1904 starb auch der Vater, woraufhin sie die „Bloomsbury Group“ mitbegründete. Dies bot ihr die Möglichkeit, sich mit der Literatur auseinanderzusetzen, später auch für Zeitungen zu schreiben. Schließlich auch ihren späteren Mann, den Schriftsteller Leonard Sidney Woolf kennenzulernen.
Depressionen, Zusammenbrüche, Selbstmordversuche und schließlich auch der Suizid blieben auch während der Ehe an der Tagesordnung. Trotz Gründung des eigenen Verlags des Ehepaars „The Hogarth Press“, in dem sie erfolgreich auch eigenes veröffentlichen konnte. Weshalb sie ständig erkrankte, blieb bis zu ihrem Tod uneindeutig. Bisher lassen sich ihre psychischen Erkrankungen durch die frühen Schicksalsschläge und durch Missbrauchsübergriffe ihrer Halbbrüder erklären. Ihre Romane „The Voyage Out“ (Die Fahrt hinaus), „The Waves“ (Die Wellen) ihr kritisches Werk „The Three Guineas“ (Die Drei Guineen) gaben ihr Bekanntheit und Ansehen. Auch in Fragen zu Geschlechterforschung und Feminismus war sie ihrer Zeit weit voraus, wovon ihr Roman „Orlando“ kündigt.
Die Geschichte beginnt im 16. Jahrhundert. Der 16-jährige Aristokrat Orlando macht am Königshof Karriere. Als Geliebter der betagten Königin Elisabeth I. wird er zu deren Schatz- und Haushofmeister ernannt und gehört auch nach dem Tod der Regentin zu den ›happy few‹, denn »er war jung, er war reich, er war gutaussehend«. Eine standesgemäße Vermählung scheitert, auch weitere Verbindungen sind enttäuschend, bis Orlando schließlich als erfolgreicher Diplomat in den Herzogstand erhoben und mit dem Bath-Orden ausgezeichnet wird. Während des Festakts kommt es zu Tumulten, die von englischen Truppen niedergeschlagen werden. Orlando, mit einer spanischen Tänzerin verheiratet, fällt in einen 7-tägigen Schlaf, aus dem er als Frau erwacht. Die weibliche Orlando begibt sich auf die Suche nach dem Leben, nach einem Liebhaber und auch nach einem Ehemann. Sie heiratet schließlich den Orientforscher Marmauke Bonthrop Shelmerdine, der nach Südafrika aufbricht.
Wie es endet kann man in der Ringvorlesung zu Romanen des 20. Jahrhundert erfahren:
„Orlando widmet sich erneut der Literatur und bringt einen Sohn zur Welt. Angekommen im »Augenblick der Gegenwart«, am 11. Oktober 1928, findet ein Wiedersehen mit Shelmerdine statt, der um Mitternacht als Deus ex machina aus einem Flugzeug vom Himmel springt. Orlando ist zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt, der historische Zeitrahmen, in den seine/ihre Entwicklung eingebettet ist, umspannt jedoch ca. 350 Jahre.“
Dieses Stückes hat sich natürlich auch das Schauspiel Frankfurt unter dem Titel „Orlando- Eine Biografie nach Virginia Woolf“ angenommen. Wie dort die „Mannwerdung zur Frauwerdung“ von statten geht, hat sich unser Kulturbotschafter des UniWehrsEL angesehen.
Liebes UniWehrsEL,
gestern habe ich Orlando am Schauspiel Frankfurt angesehen. Dieser Orlando ist nicht von Händel, (Beitrag: Schlag nach im UniWehrsEL!) sondern von der Frauenrechtlerin Virginia Woolf. Mit ihrem Stück Orlando will sie dem Zuschauer verdeutlichen, wie unterschiedlich die Geschlechter Frau /Mann behandelt werden. Dazu verwandelt sich der männliche Orlando nach seinem 30! Geburtstag – also auf dem Höhepunkt seiner Männlichkeit – in eine Frau. Von nun an muss Orlando bis zu seinem Ende als Frau weiterleben.
Im Herzen bleibt Orlando sich treu, wird aber von der Gesellschaft anders behandelt als Frau. Als Mann war Orlando Frauenschwarm und mutiger Kämpfer. Als Frau wird Orlando in ein Korsett gezwängt – die Geschichte spielt vom elisabethanischem Zeitalter bis ins 20. Jahrhundert hinein. Das Korsett wird in einer Szene Orlando wirklich angelegt. Als Frau darf Orlando nicht erben und soll heiraten, was ihm wiederstrebt.
Leider wird der Zeitverlauf nur in den Kostümen, z.B. der Königin, einer Figur die aussieht und redet wie Shakespeare, angedeutet. Das Bühnenbild bleibt eine leere Bühne. So muss der Zuschauer schon sehr aufpassen, um einen Wandel in der Zeit wahrzunehmen. Vielleicht war mal mehr Bühnenbild geplant, aber es bleibt wenig davon zu sehen. Das Bühnenbild ist spartanisch nur ein Sofa.
Die Titelrolle wurde von zwei Frauen gleichzeitig gesprochen. Mir gefällt die Schauspielerin Annie Nowak, weil sie sehr wandelbar ist. Sie spielt Orlando als Mann. Sie zeigte vier verschiedene Gesichtsausdrücke und hatte einen weißen Hosenanzug an. Sie ist beweglich, und ich nehme ihr den Mann ab, weil sie noch so schlaksig, tapsig wirkt. Später übernimmt Sonja Beißwenger die ältere Frau Orlando. Beide Schauspielerinnen spielen toll.
Wirklich cool ist Mark Tumba in der Rolle der laut schreienden Erzherzogin. Die als Gag sich in einer Szene in einen Erzherzog/Mann verwandelt und Orlando mit seinen Schießkünsten beeindrucken will. Das Vorhaben misslingt und der Erzherzog zieht beleidigt ab. Orlando lernt die lesbische Liebe kennen wohl ein Hinweis auf Virginia Woolf, die ebenfalls mit einer Frau verbandelt war. Wunderbar war auch eine Szene zwischen Orlando und der Königin oder Orlando trifft auf eine russische Zarin, die ihm das Herz bricht.
Ob nun immer die Botschaft von Virginia Woolf herausgearbeitet wurde, vermag ich nicht zu sagen. Insgesamt habe ich mich gut unterhalten gefühlt, und es gab auch wie beschrieben schöne Szenen. Die musikalischen Parts in englischer Sprache haben mich nicht so berührt und plätscherten für mich so dahin.
Könnte dieses Stück Sie auch ansprechen?